Rom. Der Bauch muss flach sein, der Po nicht vorhanden. Die Beine sollen dürr sein, damit Skinny Jeans an ihnen aussehen wie Striche. Extreme Schlankheit als Schönheitsideal – weit verbreitet sind die fragwürdigen Botschaften von Bloggerinnen und Influencerinnen. Italien läuft nun Sturm und will die Anstifter zur Magersucht hart bestrafen – mit hohen Geldbußen und sogar Haft.
Italiens Gesundheitsexperten warnen davor, dass im Internet und auf Social Media ein völlig unrealistisches Körperbild verbreitet wird. Die wichtigsten Influencerinnen und Influencer zeigten nur Frauen und junge Mädchen, die top in Form sind. Definierte Muskeln, ein Bauch, der nicht einmal im Sitzen Falten wirft. Perfekt ist das Losungswort. Das gelte auch für den Männerkörper, der vor Muskeln nur so strotzt. Und über allem schwebe die Botschaft: dünn und gesund. Diese Mischung sei fatal. Dagegen müsse man vorgehen, sagen italienische Experten.
Die massenhaften Diät- und Sporttipps für den perfekten Körper auf Instagram und in anderen sozialen Netzwerken machten viele Teenager krank. Vertreter der Medizin wollen, dass die Plattformen stärker reguliert werden und stoßen auf offene Ohren: Das Land von Pizza und Spaghetti will dem Diktat des gefährlichen Verzichts auf Lebensmittel nicht länger einfach hinnehmen.
So hat die Regierungspartei Fratelli d’Italia, die Gruppierung um die rechte Ministerpräsidentin Giorgia Meloni, dem Parlament einen Gesetzesentwurf vorgelegt, der eine Strafe für „Anstiftung zur Magersucht“ vorsieht. Personen, die auf Webseiten Schlankheitswahn verherrlichen, sollen mit bis zu zwei Jahren Haft bestraft werden. Vorgesehen sind auch Geldstrafen von bis zu 60 000 Euro.
Der Gesetzentwurf konzentriert sich auf Vorbeugungskampagnen in den Schulen mithilfe von Psychologen und Ernährungsexperten. Die Initiatoren wollen klarmachen, dass es sich bei Essstörungen um eine psychische Krankheit handelt, die auch als soziale Krankheit anerkannt werden muss.
Immer häufiger regt sich in Italien der Protest: Jüngst zeigte eine Mutter eine 19-Jährige wegen Anstiftung zur Magersucht an. Auf ihrem Blog hagele es Tipps, wie die Mädchen den Hunger am besten aushalten könnten, so der Vorwurf. So etwas, da sind sich die Experten weltweit einig, sei eine Art der Manipulation, die zu extremen Schäden führen könne.
Nicht nur das Internet sei die Bühne falscher Botschaften. Auch die Welt der Models fungiere seit jeher als Vorbild für Hungerattacken, findet die italienische Regierung. Vorbilder, die Magersucht gesellschaftsfähig machen würden, müssten generell verboten werden. Die Stimmung in Italien ist gereizt – man will die Modewelt jetzt genau unter die Lupe nehmen.
Als bestes Beispiel gilt Frankreich. Um bei den Pariser Modeschauen oder Fotoshootings arbeiten zu können, brauchen Models eine ärztliche Bescheinigung, aus der hervorgeht, dass ihr Körpermaß dem einer gesunden jungen Frau entspricht. Wer Models ohne Bescheinigung beschäftigt, dem drohen sechs Monate Gefängnis und eine 75 000-Euro-Strafe.
Das Problem der Verbreitung von krank machenden Körperidealen sei ein internationales Phänomen – und extrem gefährlich, sagen Mediziner. Weltweit nehme die Magersucht zu, die sogar tödlich enden könne. „Medienbilder von Stars und Altersgenossinnen wirken für Kinder und Jugendliche als Norm dessen, was sozial akzeptiert und nachahmenswert erscheint“, warnt die Elterninitiative „Schau hin, was dein Kind mit Medien macht“.
Die Pandemie hat das Problem noch verschärft, so eine Studie der Krankenkasse DAK. Mädchen hätten viel Zeit damit verbracht, sich im Netz über Schlankheit zu definieren. Der Teufelskreis würde durch gewisse Algorithmen zusätzlich verstärkt: Je mehr Schlankheitstipps die Mädchen konsumierten, desto häufiger würden passende Inhalte ausgespielt. Viel zu oft seien auf den Plattformen auch selbst ernannte Mager-Coaches unterwegs, die die jungen Menschen in ihrem falschen Körperbild bestärken würden. Hohe Strafen, so heißt es, seien ein Weg, das Schlimmste zu verhindern.
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