Reichertshofen/Rudersberg/Schorndorf. Ein Auto, wie Spielzeug auf einen Stadtbrunnen gespült. Braune Fluten, die sich in einem gewaltigen Schwall auf eine Bundesstraße ergießen, als eine Lärmschutzmauer dem Druck des Wassers nicht mehr standhält und birst. Menschen, die mit Biertischen versuchen, ihre Häuser vor den Fluten zu schützen – die Bilder, die das Hochwasser in weiten Teilen Süddeutschlands hinterlässt, sind dramatisch. Vier Leichen sind bislang in den Hochwassergebieten in Süddeutschland geborgen worden.
In Baden-Württemberg konnten die Behörden außer in Oberschwaben und im Allgäu im Verlauf des Montags zunehmend Hoffnung machen und Warnungen aufheben. Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU) bezeichnete die Lage im Land als „angespannt statisch“. In Bayern verlagert sich die Gefahr derweil immer weiter nach Osten, wo laut Ministerpräsident Markus Söder (CSU) das Schlimmste noch bevorsteht. Regensburg an der Donau rief den Katastrophenfall aus.
Bei seinem Besuch im bayerischen Reichertshofen sicherte Bundeskanzler Scholz den Betroffenen seine Unterstützung zu. Solidarität sei das, „was wir als Menschen am meisten brauchen“, sagte er. „Wir werden alles dazu beitragen, auch mit den Möglichkeiten des Bundes, dass hier schneller weiter geholfen werden kann.“
Einsatzkräfte bargen in Baden-Württemberg am Montag zwei Tote in einem leer gepumpten Keller in Schorndorf im besonders vom Hochwasser betroffenen Rems-Murr-Kreis. Die genauen Hintergründe sind noch unklar. Die Kriminalpolizei hat die Ermittlungen aufgenommen. Unweit vom Ort des Kanzlerbesuchs hatten Rettungskräfte in Schrobenhausen am Montag eine Leiche im Keller eines Hauses entdeckt. Die gestorbene 43-Jährige war das zweite Opfer der Fluten, das bekannt wurde – ein Feuerwehrmann wird weiter vermisst.
Bereits am Sonntagmorgen war in Pfaffenhofen an der Ilm ein Feuerwehrmann tot geborgen worden, der bei einer Rettungsaktion ums Leben kam. Der Mann war bei einem Einsatz mit drei Kollegen mit dem Schlauchboot gekentert.
Auswirkungen auf Schulen und Verkehr
Viele Schulen in besonders betroffenen Regionen beider Bundesländer hatten den Präsenzunterricht für Montag abgesagt, auch Kitas oder Förderzentren sollten zu bleiben. Für jüngere Schulkinder werde teils Notbetreuungen eingerichtet.
Die Unwetterschäden beeinträchtigten auch den Verkehr. Die Deutsche Bahn rät weiterhin von Fahrten nach Süddeutschland ab. Bei den Fernverkehrsverbindungen kommt es zu Zugausfällen, vor allem München kann von Stuttgart, Würzburg und Nürnberg aus nicht angefahren werden, wie die Bahn am Montag mitteilte.
Nach einem Dammbruch in Oberbayern wurde am Montag die teilweise gesperrte Autobahn 9 wieder für den Verkehr freigegeben. In Richtung München sei aber eine Art Blockabfertigung eingerichtet worden, sagte ein Polizeisprecher am frühen Nachmittag.
Osten Bayerns rückt stärker in den Fokus
In Bezug auf die Gefahren des Hochwassers verlagert sich in Bayern der Fokus stärker auf den Osten des Freistaats. Söder mahnte, auch wenn mancherorts schon die Aufräumarbeiten starteten, drohten anderswo weiter Dämme zu brechen oder durchzuweichen. Und im Osten stehe das Schlimmste noch bevor. „Wir sehen, dass das Hochwasser jetzt wandert“, sagte er – und zwar in Richtung Regensburg. „Die werden steigen, die Pegel.“
In Deggendorf in Niederbayern knapp 70 Kilometer südöstlich von Regensburg evakuierten Retter am Montag ein Passagierschiff. Mehr als 140 Menschen würden seit den Mittagsstunden vom Schiff gebracht, sagte eine Sprecherin des Landratsamts am Montag.
Nach weiteren Regenfällen in der Nacht hatte sich die Lage in Baden-Württemberg vor allem an Rems und Murr, im Ostalbkreis und dem Kreis Göppingen sowie in Oberschwaben zunächst noch verschärft. In Rudersberg im Rems-Murr-Kreis hatten Wassermassen Autos mit sich gerissen und unter anderem auf Bahngleise gespült. Im gesamten Rems-Murr-Kreis gab es später Entwarnung. Die zuständige Integrierte Leitstelle teilte mit, vorsorglich angeordnete Evakuierungen würden aufgehoben. Rückhaltebecken würden kontrolliert abgelassen.
Auf die Frage, ob die aktuellen Überflutungen auf den Klimawandel zurückzuführen sind, sagte Stefan Rahmstorf, Klimaforscher am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK), dem „Spiegel“: „Über einzelne Wetterereignisse kann man das fast nie sagen. Doch unbestritten ist: Starkregen wird durch die Klimaerwärmung häufiger und intensiver.“
Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) stimmte die Menschen im Land auf immer häufigere Hochwasserlagen ein. „Wir müssen damit rechnen, dass wir so was häufiger bekommen“, sagte der Grünen-Politiker. Die „Aufgabe, den Menschengemachten Klimawandel aufzuhalten“, dürfe nicht vernachlässigt werden, sagte auch Kanzler Scholz in Bayern. „Auch das ist eine Mahnung, die aus diesem Ereignis und dieser Katastrophe mitgenommen werden muss.“
URL dieses Artikels:
https://www.bergstraesser-anzeiger.de/vermischtes_artikel,-vermischtes-hochwasser-im-sueden-schlamm-trauer-und-hoffnung-_arid,2212250.html