Coronavirus

Herbstwelle nimmt Fahrt auf

Zahl der Infektionen steigt seit etwa vier Wochen

Von 
Kai Wiedermann
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In der Bevölkerung wird kaum auf das Virus getestet. Ergebnisse aus dem Abwasser-monitoring zeigen aber, dass Corona-Fälle derzeit zunehmen. © Jens Kalaene/dpa

Berlin. Die Analyse aktueller Zahlen legt den Schluss nahe, dass in Deutschland die Corona-Saison seit etwa vier Wochen Fahrt aufnimmt. Dafür sprechen gleich drei Statistiken: die amtlichen Infektionszahlen, die Überwachung des Abwassers sowie freiwillige Meldungen aus der Bevölkerung.

„In der Bevölkerung und im ambulanten Bereich deutet sich ein erneuter Anstieg der Sars-CoV-2-Aktivität an“, heißt es dazu im aktuellen Wochenbericht des Robert-Koch-Instituts (RKI). Und eine Sprecherin des RKI ergänzt auf Anfrage: „Den Begriff Corona-Saison verwenden wir bisher nicht.“ Bislang aber habe Sars-CoV-2 insbesondere im Herbst und Winter starke Erkrankungswellen verursacht. Deshalb sei auch künftig mit einem Anstieg der Fallzahlen in diesen Jahreszeiten zu rechnen, so die Sprecherin.

Insgesamt registriert das RKI derzeit eine Anzahl akuter Atemwegserkrankungen, „die seit Wochen auf einem höheren Niveau als sonst um diese Jahreszeit liegen“. Aktuell seien etwa 4,6 Millionen Menschen krank. Das Geschehen werde hauptsächlich durch Rhinoviren und Sars-CoV-2 bestimmt.

Die Corona-Saison beginnt in diesem Jahr deutlich früher

Da in der Bevölkerung kaum noch auf Corona getestet wird, zeigt die amtliche Corona-Statistik nach Infektionsschutzgesetz ein wenig verlässliches Bild. Sie weist eine bundesweite Sieben-Tage-Inzidenz von etwa 7 pro 100 000 Einwohner aus. Zwar ist auch hier in fast allen Bundesländern ein Anstieg sichtbar, außer in Sachsen-Anhalt (18,2) oder Sachsen (13,7) ist dieser aber leicht.

Deutlich bessere Erkenntnisse liefert hier die Auswertung von GrippeWeb, einem Online-Portal des RKI, das im Jahr 2011 erfunden wurde, um die Aktivität akuter Atemwegserkrankungen in Deutschland zu beobachten. Das Kontrollsystem verwendet Selbstauskünfte direkt aus der Bevölkerung. Für GrippeWeb werden registrierte Teilnehmerinnen und Teilnehmer wöchentlich gefragt, ob sie eine neue Atemwegserkrankung haben mit Symptomen wie Husten, Schnupfen, Halsschmerzen oder Fieber. Darüber hinaus werden potenzielle Nachweise zu Krankheitserregern abgefragt. Über diese Angaben ließen sich auch zu Covid-19 gewichtete Inzidenzen pro 100 000 Einwohner schätzen, erklärt das RKI. Laut GrippeWeb liegt die geschätzte Sieben-Tage-Inzidenz für Corona in Deutschland seit Mitte August bei etwa 900. Damit verzeichnete das RKI innerhalb eines Monats einen deutlichen Anstieg. Konkret bedeutet das, dass mehr als 700 000 Menschen aktuell infiziert sind. Zum Vergleich: Am 4. August lag die Inzidenz bei 600 pro 100 000 Einwohner.

Deutlicher wird das Infektionsgeschehen im Vergleich zum Vorjahr. Mit Datenstand 5. September 2023 betrug die per GrippeWeb geschätzte Sieben-Tage-Inzidenz 450 pro 100 000 Einwohner und damit die Hälfte. Am Ende lag die höchste Inzidenz des Vorjahres bei etwa 3000 im Dezember.

Ebenfalls auf eine deutlich frühere Corona-Saison weisen die Ergebnisse des Abwassermonitorings hin: Hier wird die Last von Sars-CoV-2 bundesweit im Abwasser überwacht. Für die Woche bis zum 2. September liegen Daten aus 122 Kläranlagen vor. Seit Anfang August sei auch hier ein Anstieg in der „aggregierten Sars-CoV-2-Viruslast zu beobachten“, so das RKI. Auffällig dabei: Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum (84 000 Genkopien pro Liter) ist die aktuelle Viruslast im Abwasser deutlich höher (mehr als 130 000 Genkopien pro Liter).

Auch wenn das RKI auf Anfrage keine Prognose abgeben will, geht das Institut laut Wochenbericht davon aus, dass die Zahlen weiter steigen. Ein Grund dafür sei das Ende der Sommerferien. „Erfahrungsgemäß hatten die Ferien in den Bundesländern einen abschwächenden Einfluss auf die Krankheitsaktivität gehabt, da weniger Kontakte in geschlossenen Räumen stattfinden. Ein erneuter Anstieg nach dem Ferienende wurde auch in den Vorjahren beobachtet“, schreibt das RKI.

Was die Belastung des Gesundheitssystems betrifft, sieht das Institut in den Daten aktuell noch keinen Grund zur Besorgnis: „Die Zahl schwer verlaufender Atemwegsinfektionen bleibt insgesamt auf einem niedrigen Niveau.“ Nach Angaben des Bundesgesundheitsministeriums lag die Sieben-Tage-Inzidenz für Krankenhauseinweisungen mit oder wegen Corona über alle Altersklassen recht stabil bei 1,8.

Erregervariante KP.3.1.1 sorgt für viele Ansteckungen

Ein Grund für die sich aufbauende Welle dürfte die Corona-Variante KP.3.1.1 sein, eine Sublinie von JN.1. Diese ist laut RKI seit etwa zwei Wochen unter den in Deutschland zirkulierenden Sars-CoV-2-Linien mit einem Anteil von 56 Prozent dominant, Tendenz weiter steigend.

Nach Einschätzung von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus Japan hat diese Variante einen deutlichen Fitnessvorteil gegenüber den Vorgängern. In ihrer im Fachjournal „The Lancet“ veröffentlichten Studie haben sie dafür die effektive Reproduktionszahl von KP.3.1.1 berechnet. Dies ist die erwartete Anzahl von Neuinfektionen, die durch ein infektiöses Individuum in einer Bevölkerung verursacht wird, in der einige Individuen möglicherweise nicht mehr anfällig sind. Demnach hatte KP.3.1.1 „eine wesentlich höhere Reproduktionszahl als die Vorläufer KP.2, KP.2.3 und KP.3.“.

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