Tourismus

Der Boom der Pilgerwege

Weil die Nachfrage so groß ist, belebt Italien alte Strecken wie die „Via Romea Germanica“ wieder neu

Von 
Micaela Taroni
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Rucksack auf und los: Der Jakobsweg gehört zu den beliebtesten Wanderwegen Europas. © Manuel Meyer/dpa

Rom. Auf der Suche nach Ruhe, Frieden und Spiritualität schnüren sich Abertausende die Wanderschuhe und marschieren durch Berg und Tal. Etwa 200 000 Menschen aus der ganzen Welt wandern pro Jahr allein den legendären Jakobsweg entlang. Auch in Italien wird die Pilgerreise bestens nachgefragt – ein Grund, die alten Wege neu zu beleben.

Etwa die „Via Romea Germanica“, die einst über 2200 Kilometer Strecke von Stade in Norddeutschland über Österreich und Südtirol bis nach Rom führte. Sie gilt neben dem Jakobsweg und der „Via Francigena“ als eine der wichtigsten mittelalterlichen Pilgerstraßen. 1256 wurde sie erstmals urkundlich erwähnt.

Nicht nur für Gläubige attraktiv

Pilgerwege sind jetzt die neuen Verkaufsschlager im italienischen Tourismus. Längst nicht nur für Gläubige sind sie attraktiv. „Nur ein Viertel der Pilger begibt sich aus religiösen Gründen auf den Weg. Viele sind von kulturellem Interesse getrieben, vom Wunsch, Natur und Kultur eines Landes zu erleben. Bei einer Pilgerreise kommt man mit Menschen in Berührung und knüpft Freundschaften, wie es bei normalen Reisen oft nicht möglich ist“, sagt Flavio Foietta, Präsident des Vereins EAVRG (European Association of the Via Romea Germanica).

Im Gegensatz zum bekannten Jakobsweg ist der Römerweg zwar teilweise gut beschildert, Unterkunftsmöglichkeiten und Pflege der Wege lassen jedoch eher zu wünschen übrig. Dies soll sich nun schrittweise ändern.

Auch auf den Wegen des Heiligen Franziskus rund um Assisi ist die Zahl der Wanderer im vergangenen Jahr um 26 Prozent gegenüber dem Vorjahr gestiegen. Sie kamen aus insgesamt 57 Nationen, darunter unter anderem auch aus Tansania, den Fiji-Inseln und aus Papua-Neuguinea, 14 Prozent aus Deutschland. Die Pilger gehören allen Altersgruppen an, ein Viertel davon ist älter als 60 Jahre.

Für Sandy Brown, Schriftsteller aus Seattle, der mehrere Reiseführer über die Franziskanerwege in Mittelitalien geschrieben hat, ist es eine Art höhere Erfahrung. Mit einer Gruppe nordamerikanischer Bürger wanderte er bis zur Basilika von Santa Croce, einer der zentralen Etappen auf den Franziskanerwegen in der Toskana. „Dies ist eine anspruchsvolle, aber wunderschöne Wanderung durch Wälder und Dörfer, in denen man die Essenz der franziskanischen Spiritualität atmet.“

Die Stadt Assisi lockt vor allem Menschen auf der Suche nach Frieden, Ruhe und einem langsameren Lebensrhythmus abseits der Hektik des Alltags. Die Franziskanerwege seien ein Beispiel, wie man Werte wie Spiritualität und Respekt für die Umwelt erleben kann“, berichtet der Franziskanermönch Rafael Normando, der die Pilger in der Basilika von Assisi empfängt.

Kulturbegeisterte entscheiden sich für die Via Appia Antica, die „Königin“ der großen altrömischen Straßen. Auf einer Strecke von 540 Kilometern führt sie von Rom in die süditalienische Stadt Brindisi, dem Tor zum Osten und südlichen Mittelmeerraum. Jahrhunderte der Vernachlässigung hatten sie fast ausgelöscht.

Über 22 Millionen Euro investiert

Inzwischen haben sich Kulturinteressierte wie der bekannte italienische Reisejournalist Paolo Rumiz auf die Wiederentdeckung der legendären Römerstraße gemacht, die jetzt zum UNESCO-Weltkulturerbe erklärt werden soll. „Es handelt sich um eine Straße, die jahrtausendelang Ost und West verband und entlang derer die griechische und hellenistische Kultur in die römische Welt vordrang. Das Ministerium investiert über 22 Millionen Euro in den Schutz von Denkmälern und die Aufwertung der Via Appia“, so der Ex-Kulturminister Dario Franceschini, der zu den prominentesten Förderern der Römerstraße zählt.

Die antike Verkehrsachse, die als „Königin der Römerstraßen“ gilt, war der Prototyp des gesamten römischen Straßensystems, das mit einer Gesamtlänge von 120 000 Kilometern noch immer das Rückgrat des gegliederten Straßennetzes im Mittelmeerraum bildet. Sie war eine der wichtigsten Handelsstraßen und bedeutendster Umschlagplatz für Waren. Heute ist sie ein neuer Anziehungspunkt für Touristen.

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