Teheran. Im Konflikt um das iranische Atomprogramm haben Deutschland, Frankreich und Großbritannien Ende August den Mechanismus zur Wiedereinführung von UN-Sanktionen gegen die Islamische Republik ausgelöst. Nachdem eine diplomatische Lösung bislang ausgeblieben ist, sollen ab Sonntag (2:01 Uhr MESZ) erneut Strafmaßnahmen aus den Jahren 2006 bis 2010 gelten. Antworten auf die wichtigsten Fragen:
Welche Folgen haben die UN-Sanktionen gegen den Iran?
Bereits jetzt ist der Iran mit harten Sanktionen belegt, die vor allem auf den Energiesektor des öl- und gasreichen Landes zielen. Zudem ist das Land weitgehend vom internationalen Zahlungsverkehr abgeschnitten. Die Sanktionen haben den Staat mit knapp 90 Millionen Einwohnern in eine schwere Wirtschaftskrise gestürzt. Sie trifft vor allem die arme Bevölkerung und eine schwindende Mittelschicht.
Die reaktivierten Sanktionen umfassen ein allgemeines Waffenembargo sowie zahlreiche Strafmaßnahmen gegen Einzelpersonen und Organisationen. Laut einer Analyse des Washington Institute dürften die wirtschaftlichen Folgen begrenzt bleiben, da Teheran bereits einer Vielzahl weitreichender US-Sanktionen unterliegt. Viele internationale Unternehmen meiden den Iran seit langem aus Sorge vor US-Strafmaßnahmen. Für Familien mit geringem und mittlerem Einkommen dürfte der finanzielle Druck jedoch weiter zunehmen.
Warum ist das iranische Atomprogramm international so umstritten?
Seit Jahrzehnten liegt der Westen im Streit mit der Islamischen Republik über deren Atomprogramm. Israel, die USA und europäische Staaten werfen dem Iran vor, nach Atomwaffen zu streben. Die iranische Führung weist dies zurück und verweist auch auf ein religiöses Rechtsgutachten von Staatsoberhaupt Ajatollah Ali Chamenei, demzufolge Massenvernichtungswaffen verboten sind.
Westliche Staaten zeigten sich insbesondere wegen der zuletzt stark gestiegenen Urananreicherung besorgt. Nach Angaben der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) verfügte der Iran vor Beginn des israelischen Kriegs gegen das Land über mehr als 400 Kilogramm Uran mit einem Reinheitsgrad von 60 Prozent. Für den Bau von Atomwaffen sind mehr als 90 Prozent nötig. IAEA-Chef Rafael Grossi betonte wiederholt, der Iran sei der einzige Staat ohne Atomwaffen, der nahezu waffenfähiges Material produziere.
Warum wurden die Sanktionen jetzt wieder eingeführt?
Die Europäer hatten Ende August den sogenannten Snapback-Mechanismus aktiviert, der im Wiener Atomabkommen von 2015 verankert war. Er diente dazu, den Iran bei Nichteinhaltung seiner Verpflichtungen im Rahmen des Wiener Atomdeals wieder mit Sanktionen belegen zu können. Deutschland, Frankreich und Großbritannien sind neben den USA, Russland und China Mitunterzeichner des Deals. Dieser sah eine Begrenzung der iranischen Urananreicherung auf maximal 3,67 Prozent sowie eine strenge Überwachung vor. Im Gegenzug sollten Sanktionen aufgehoben werden.
In seiner ersten Amtszeit hatte US-Präsident Donald Trump die Vereinbarung einseitig aufgekündigt. Zugleich ließ Trump neue und härtere Sanktionen gegen den Iran verhängen. Erhoffte Lockerungen von Sanktionen und ein wirtschaftlicher Aufschwung blieben aus. In der Folge hielt sich auch die iranische Führung nicht mehr an die Auflagen des Deals. Seit Jahren bereits wird er faktisch nicht mehr umgesetzt. Teheran hat die Wiedereinführung der Sanktionen daher als illegitim kritisiert.
Was denkt die Bevölkerung im Iran?
Eine junge Unternehmerin in der Hauptstadt Teheran sieht die Sanktionen mit Sorge. «Alles, was zur Erhöhung des Dollar-Kurses führt, ist für uns wie ein Alptraum, weil es die Lebensbedingungen schwieriger macht und uns nicht erlaubt, ein normales Leben zu führen.» Als Beispiel nannte sie etwa hohe Preise für Notebooks und Handys, die nicht offiziell importiert werden können.
Der Besitzer eines Supermarktes sagte: «Die USA und der Westen wollen durch die Aktivierung des Snapback großen Druck auf Iran ausüben, um Unzufriedenheit im Volk zu erzeugen.» Er fürchtet, dass der Konflikt wieder militärisch eskalieren könnte.
Die landeseigene Währung Rial war bereits vor Inkrafttreten der früheren UN-Sanktionen auf ein Rekordtief gestürzt. Ein Euro kostete auf dem freien Devisenmarkt 1,27 Millionen Rial, wie aus Daten iranischer Währungsportale hervorging. Zum Vergleich: Vor zehn Jahren, als der Wiener Atomdeal Hoffnungen auf Öffnung und Aufschwung weckte, lag der Kurs bei 40.000 Rial. Damit hat die Währung rund 97 Prozent ihres Werts gegenüber dem Euro eingebüßt.
Eskaliert nun der Atomstreit mit dem Iran?
Israel hatte im Juni zwölf Tage lang Krieg gegen den Iran geführt und gemeinsam mit den USA zentrale Einrichtungen des Atomprogramms bombardiert, darunter auch die unterirdische Anlage Fordo. Zum Ausmaß der Zerstörungen an den Atomanlagen gibt es unterschiedliche Angaben. US-Präsident Trump sagte wiederholt, dass die nuklearen Fähigkeiten Irans «ausgelöscht» worden seien. Irans Regierung sprach von schweren Schäden.
Teheran hat dem Westen für den Fall einer Wiedereinführung der UN-Sanktionen mit Gegenreaktionen gedroht. Konservative Kräfte im Iran forderten etwa den Ausstieg aus dem Atomwaffensperrvertrag. Ob die Führung diesen Schritt tatsächlich geht, ist jedoch unklar. Beobachter erwarten in diesem Fall ein deutlich erhöhtes Eskalationsrisiko mit dem Westen sowie die Gefahr neuer israelischer Angriffe.
Der iranische Sicherheitsrat kündigte für den Fall einer Reaktivierung der Sanktionen an, ein vor knapp drei Wochen mit der IAEA geschlossenes Abkommen zur Wiederaufnahme von Inspektionen aufzukündigen. Nach dem Krieg hatte die Regierung die Zusammenarbeit ausgesetzt. Neue Inspektionen und ein Bericht über den Verbleib des hochangereicherten Urans waren zentrale Forderungen der Europäer für eine diplomatische Lösung, um die Sanktionen noch abzuwenden.
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