Technik

Wie Corona die Digitalisierung beeinflusste

Kontaktbeschränkungen, fehlende Technik und Digitalisierungsskepsis: Wie gingen Institutionen mit der Corona-Pandemie um und was haben sie aus der Krise in Hinblick auf Digitalisierung mitgenommen?

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dpa/lhe
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Hessen. Der Ausbruch der Corona-Pandemie vor rund fünf Jahren hat einiges verändert - ob kurzfristig oder langfristig. Auch die Digitalisierung war über Nacht ein noch wichtigeres Thema geworden. Denn vieles, was sonst mit persönlichem Kontakt verbunden war, musste nun virtuell geschehen. Auch für hessische Behörden, Schulen und Kirchen eine Herausforderung.

Insbesondere Schulen mussten aufgrund von Homeschooling schnell Lösungen finden. Vor der Pandemie habe es quasi keinerlei digitale Infrastruktur in hessischen Schulen gegeben, heißt es vom Verband der Lehrer Hessen. „Viele Lehrkräfte sahen und sehen sich außerstande, mit digitalen Endgeräten und der entsprechenden Software umzugehen“, erklärt der Verband auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur. So bestünden auch nach wie vor Widerstände gegen die Nutzung von digitalen Geräten bei manchen Lehrerinnen und Lehrern.

Von einer echten digitalen Umstellung könne demnach kaum die Rede sein – vielmehr handele es sich oftmals um den Versuch, in der Schule papierlos und größtenteils elektronisch zu arbeiten. „Eine wirkliche digitale Interaktion findet nur selten statt.“ Auch digitale Ausstattung der Kinder zu Hause bleibe ein Problem und sei abhängig von den finanziellen Mitteln der Eltern.

Insgesamt bestünden zu wenig einheitliche Vorgehensweisen. „Jeder doktert noch für sich. Damit wird viel Zeit verplempert.“ Besonderen Nachholbedarf sieht der Verband in Grundschulen: „Im Grundschulbereich beschränkt sich die Digitalisierung bislang meist darauf, dass die dienstliche E-Mail-Adresse für die Kommunikation genutzt wird.“

Nach Ansicht des Kultusministeriums Hessen hat die Corona-Pandemie die Digitalisierung der Schulen maßgeblich beschleunigt. „Der plötzliche Wechsel zum Distanzunterricht machte deutlich, dass digitale Technologien unverzichtbar sind“, erklärt das Ministerium. So verfügten 2019 nur etwa 30 Prozent der Schulen eine gigabitfähige Internetverbindung, 2023 waren es demnach bereits 96 Prozent. Gigabitfähig bedeutet, dass eine Verbindung in der Lage ist, Daten mit einer Geschwindigkeit von einem Gigabit pro Sekunde zu übertragen.

Kirche jetzt auch auf Instagram und TikTok

Auch die Evangelische Kirche von Kurhessen-Waldeck (EKKW) erhielt nach eigenen Angaben durch die Coronakrise einen Digitalisierungsschub. In Gottesdienst und Gemeindearbeit, Seelsorge, Bildung, Mitgliederkommunikation und in der Verwaltung kamen so schnell digitale und hybride Medien zum Einsatz. So seien etwa Gottesdienste gestreamt oder als Videoangebot über die Internetseiten der Gemeinden angeboten worden. Allerdings hatte das auch Schattenseiten: „Der technische und zeitliche Aufwand sowie das geforderte Know-how war für die Gemeinden eine besondere Herausforderung.“

Neben Online-Gottesdiensten seien mittlerweile auch verschiedene andere digitale Formate etabliert worden. So gebe es Pfarrerinnen und Pfarrer in der EKKW mit eigenen Podcasts, gestreamte Krippenspiele und Online-Kurzandachten über Messenger-Dienste. Viele Gemeinden hätten zudem ihre Social-Media-Aktivitäten verstärkt, um mit ihren Mitgliedern in Kontakt zu bleiben: Facebook, Instagram und Tiktok würden nun regelmäßig mit Inhalten bespielt.

Bei der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) haben sich laut einer Sprecherin mittlerweile drei Arten der Online-Arbeit herausgebildet. Es gebe regelmäßig hybride Gottesdienstfeiern, überregionale digitale Treffen und Andachten einzelner Personen auf Online-Portalen. Reine Online-Gottesdienste seien jedoch die Ausnahme nach der Pandemie. Für die Zukunft sieht sich die EKHN gewappnet - 2023 habe man 25 Millionen Euro bis 2030 für ein umfassendes Digitalisierungsprojekt bewilligt. Dabei sollen unter anderem Hard- und Software zentral beschafft werden.

Stadtverwaltungen wollen krisensicher werden

Auch städtische Verwaltungen mussten sich im Zuge der Corona-Pandemie schnell umstellen. Allein in Offenbach seien innerhalb kürzester Zeit Hard- und Software für das mobile Arbeiten auch im Homeoffice für fast 1.400 Verwaltungsarbeitsplätze bereitgestellt worden. In Wiesbaden wurden Arbeitsprozesse ebenfalls ins Homeoffice verlagert. „Das erforderte die schnelle Einführung aller Werkzeuge für hybrides Arbeiten“, sagt ein Sprecher. Diese digitalen Arbeitsformen hätten sich etabliert und seien aus dem normalen Arbeitsalltag heute nicht mehr wegzudenken. „Insofern hat die Pandemie der Digitalisierung einen enormen Schub verliehen.“

Für die Zukunft will man gerüstet sein: Wiesbaden plant kontinuierlich in die Weiterbildung der Mitarbeiter zu investieren und digitale Systeme regelmäßig anzupassen, um stets auf dem neuesten Stand zu bleiben.

„Man muss sich für verschiedene Krisenszenarien möglichst gut und breit aufstellen“, heißt es dazu aus Offenbach. Neben einer Pandemie blieben Cyberangriffe, Terrorismus und auch kriegerische Handlungen anderer Staaten reelle Bedrohungen.

Gesetzliche Regelungen und fehlendes Know-how als Hindernisse

Im Standesamt in Frankfurt zeigte sich: wenn es um Themen wie den Personenstand, Einbürgerungen, Staatsangehörigkeiten oder das Namensrecht gehe, werde es mit der Digitalisierung kompliziert. „Es bestehen weiterhin erhebliche rechtliche Anforderungen an die Schriftform und persönliche Vorsprachen“, heißt es vonseiten des Standesamts. Die Forderung: Für eine vollständige digitale Umstellung müssten Gesetze geändert und angepasst werden. Solange diese gesetzlichen Hürden bestehen, müsse man intensiv an der Entwicklung von Hybridlösungen arbeiten.

Ein weiteres Problem: die digitale Kluft. So nennt es jedenfalls das Bürgeramt, Statistik und Wahlen in Frankfurt. „Für einige, zumeist ältere Mitbürger sind digitale Dienstleistungen schwer verständlich“. In Zukunft müsse man also weiterhin sowohl einen digitalen als auch einen analogen Weg anbieten.

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