Die Bagatellgrenze bei der Überprüfung der Corona-Soforthilfen steigt in Hessen von 500 Euro auf 1.000 Euro. „Das bedeutet, dass jeder, der bis zu 1.000 Euro Unterstützung erhalten hat, am Rückmeldeverfahren nicht teilnehmen muss“, erklärte Wirtschaftsminister Kaweh Mansoori (SPD). Auch alle Rückforderungen bis zu einer Grenze von 1.000 Euro würden erlassen. Die Überprüfung hatte bei Betrieben und Freiberuflern teils für Verunsicherung gesorgt.
In keinem anderen Bundesland liege dieser Grenzwert nun so hoch wie in Hessen, sagte Mansoori im Landtag in Wiesbaden. „Uns ist sehr bewusst, dass das Verfahren für viele hessische Unternehmen einen zusätzlichen bürokratischen Aufwand mit sich gebracht hat, den wir ihnen gerne erspart hätten.“ Bis zuletzt habe sich das Land beim Bund dafür starkgemacht, auf ein kompliziertes Prüfverfahren zu verzichten. Leider habe das Bundeswirtschaftsministerium nach einer Überprüfung durch den Bundesrechnungshof dieses Rückmeldeverfahren dennoch vorgeschrieben.
Etwaige Differenz muss zurückgezahlt werden
Das Regierungspräsidium Kassel überprüft derzeit flächendeckend, ob die Corona-Soforthilfen für Betriebe und Freiberufler im Rahmen waren. Die Empfänger müssen über ein Online-Portal mitteilen, ob die Subvention ihren 2020 vermuteten Liquiditätsengpass einst überschritten hat. Eine etwaige Differenz muss zurückgezahlt werden. Nach Angaben des Ministeriums sind zwischen März und Juni 2020 Corona-Soforthilfen mit einem Volumen von knapp 960 Millionen Euro ausbezahlt worden.
Rund 7.900 Unternehmen mussten bislang zurückzahlen
Von den rund 90.000 Angeschrieben hessenweit haben nach Angaben des Wirtschaftsministeriums aktuell 39.694 Unternehmen ihre Rückmeldung übersendet. 13.330 Anträge seien bereits bearbeitet mit dem Ergebnis, dass mehr als 5.400 Betroffene ihre Hilfen in voller Höhe behalten können. Rund 7.925 Unternehmen müssen das Geld teilweise oder komplett zurückzahlen. Schon Ende August hatte das Wirtschaftsministerium Lockerungen in dem Verfahren angekündigt, darunter längere Fristen und Ratenzahlungen.
Landtagsopposition sieht Unternehmen „ins Chaos gestürzt“
Der FDP-Fraktionsvorsitzende Stefan Naas sagte, es sei in der Coronapandemie „gut und richtig“ gewesen, Soforthilfen zu zahlen und den Unternehmen zu helfen, durch die Krise zu kommen. Es sei auch klar gewesen, dass die Bedingungen der Auszahlungen überprüft werden. Nicht klar gewesen sei allerdings, dass sich das Land Hessen damit fünf Jahre Zeit lassen werde, kritisierte Naas.
Das Wirtschaftsministerium habe mit der aktuellen Überprüfung viele Unternehmerinnen und Unternehmer ins Chaos gestürzt, indem mitten in den Sommerferien die 90.000 Bescheide versandt worden seien - mit einer ganz kurzen Rückmeldefrist, sagte Naas. Dafür sei Mansoori verantwortlich. Das Verfahren müsse gestoppt und neu aufgesetzt werden.
Grüne: Krise von damals darf nicht Krise von heute werden
Kaya Kinkel (Grüne) sagte, die E-Mail des Regierungspräsidiums zur Überprüfung der Zahlungen habe viele Unternehmen „unheimlich unter Druck“ gesetzt. Es stehe außer Frage, dass zu Unrecht erhaltene Hilfen zurückgezahlt und dies überprüft werden müsse - aber die Art und Weise des Verfahrens sei „schlichtweg ein Desaster“. Kinkel forderte ein niedrigschwelliges Widerspruchsverfahren. „Wir reden hier nicht über Formalitäten, sondern wir reden über Existenzen und Vertrauen“, sagte sie. Die Krise von damals dürfe nicht die Krise von heute werden.
AfD: Mögliche Forderungen treffen Unternehmen in der Krise
Andreas Lichert (AfD) sagte, die Regierung erzwinge mit der Überprüfung von den Unternehmen eine Corona-Aufarbeitung, der sie sich selbst seit Jahren verweigere: „Transparenz über die Qualität und Effektivität der damaligen Entscheidungen.“ Die drohenden Rückforderungen träfen wegen der Wirtschaftskrise teils auf ausgezehrte Unternehmen.
Mansoori erinnerte in der Debatte im Landtag daran, dass die Hilfen in Zeiten gezahlt worden seien, als es den Unternehmen und Soloselbstständigen wirklich schlecht gegangen sei. Die Politik habe sich damals für unbürokratische Hilfen entschieden. „Und glauben Sie es mir, dieses Verfahren, das jetzt durchgeführt wird in sämtlichen Fällen, dass habe ich mir weder ausgedacht noch gewünscht.“ Alle Hilfeempfänger hätten davon ausgehen müssen, dass es in Einzelfällen zu Überprüfungen kommen wird - aber es sei nicht erwartbar gewesen, dass in allen Fällen überprüft wird. Dies gehe auf eine Entscheidung des Bundesrechnungshofs gemeinsam mit dem Bundeswirtschaftsministerium zurück, sagte der Minister.
URL dieses Artikels:
https://www.bergstraesser-anzeiger.de/startseite_artikel,-bergstrasse-hessen-verdoppelt-bagatellgrenze-bei-corona-soforthilfen-_arid,2327734.html