Fußball

So verdaddelt der VfB Stuttgart die Königsklasse

Der VfB Stuttgart sieht gegen den VfL Wolfsburg lang wie der Sieger aus. Dann schlagen die Gäste zweimal zu.

Von 
Andreas Öhlschläger
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Stuttgarter Frust nach dem entscheidenden Elfmeter: Wolfsburgs Mohammed Amoura (rechts) überwindet VfB-Torhüter Alexander Nübel. © Harry Langer/dpa

Stuttgart. Es war eine große Chance. Wie schon zwei Wochen zuvor. Aber erneut musste der VfB Stuttgart eine 1:2-Heimniederlage hinnehmen. Damals gegen Borussia Mönchengladbach, nun gegen den VfL Wolfsburg.

Der vierte Bundesliga-Tabellenplatz ermöglicht die erneute Teilnahme an der Champions League. Aber um diesen zu erreichen, darf der VfB Heimspiele nicht so verdaddeln wie am Samstag. Sportchef Fabian Wohlgemuth hatte fraglos recht, als er sagte: „Gegen Wolfsburg zu verlieren, ist jetzt nicht der Weltuntergang.“ Doch der VfB steht nach diesem selbst verschuldeten 1:2 eben nicht auf einem Königsklassenplatz.

Wohlgemuths Vorwurf

Da stand er dann, der Sportvorstand des VfB, und zerkaute beim Sprechen über die Niederlage auch ein bisschen den Frust. Es sei „schwer, zu lächeln heute“, sagte Wohlgemuth. Er lobte die „sehr clever verteidigenden Wolfsburger“, aber „wenn wir über unseren Anspruch reden“, dann sei das natürlich ein Heimsieg gewesen.

Deshalb empfand er es als „extrem deprimierend“, dass dem VfB „nichts geblieben ist“. Selber schuld! „Dann darf man eben nicht in zwei Konter laufen.“ 1:2 statt 1:0. Nicht nur Wohlgemuth hatte den Eindruck: „Da war wesentlich mehr drin.“ Man hätte es nach Nick Woltemades Führungstor „stabiler, souveräner, ein bisschen erwachsener gestalten können“. Da gehe es auch „ums Mindset“, dass man „in einem relativ sicher geglaubten Spiel“ am Ende „klarer“ sein müsse.

Hoeneß‘ Urteil

„Dann darfst du das Spiel nicht mehr verlieren“, haderte der Stuttgarter Trainer Sebastian Hoeneß mit der Schlussphase. Es sei gegen Wolfsburg noch schiefgegangen, „weil du in zwei Kontersituationen läufst. Das ist sehr, sehr ärgerlich“. Dem 2:1-Coup in Dortmund folgte nun eine schmerzhafte Enttäuschung. „So reif wir letzte Woche aufgetreten sind, so unreif war es heute – zumindest für 18 Minuten.“

Für den Trainer ist klar: „Definitiv müssen wir aus der Phase nach unserem 1:0 lernen.“ Bis dahin war Hoeneß zufrieden gewesen. „Es war über weite Strecken ziemlich kontrolliert.“ Nach der Pause machte der VfB dann verstärkt Druck. „Wir sind nur in der gegnerischen Hälfte und dann machen wir verdientermaßen das Tor.“ Alles gut? Nein, plötzlich war alles weg. Null Punkte. Jetzt müsse man „die Ärmel wieder hochkrempeln“, sagte Hoeneß. Im badisch-schwäbischen Kräftemessen mit der TSG Hoffenheim am Sonntag werde man „versuchen, dann 90 Minuten ein gutes Spiel zu machen“.

Woltemades Weltklasse

Es war ein fantastisches Solo, mit dem der eingewechselte Woltemade in der 72. Minute für das Stuttgarter 1:0 sorgte. „Da macht Nick natürlich ein Weltklassetor“, sagte VfB-Keeper Alexander Nübel. Die Teamkollegen wunderten sich allerdings nicht über die extrem feine Ballbehandlung des fast zwei Meter langen Lulatschs. „Wir wissen, was für Sachen er mit dem Ball machen kann“, sagte VfB-Verteidiger Jeff Chabot. „Deshalb ist es für uns keine Überraschung.“ Wohlgemuth war dennoch beeindruckt. „Das war absolut herausragend. Ballannahme, drei Spieler ausgespielt, souverän in die Ecke geschossen – außergewöhnlich!“

VfB-Joker Nick Woltemade hatte mit einem herrlichen Solotor für die Stuttgarter Führung gesorgt. Es sollte am Ende nicht reichen. © Harry Langer/dpa

Einen Tag zuvor hatte Woltemade seinen 23. Geburtstag gefeiert. Es hätte perfekt gepasst, wäre er am Schluss als Matchwinner dagestanden. „Sehr bitter“ sei es, noch verloren zu haben. Sein Supertor wurde emotional entwertet. „Ich mache das tatsächlich öfter mal – auch im Training“, erzählte der gebürtige Bremer. „Ich komme halt heute durch und mache ihn dann rein. Das sieht natürlich gut aus.“ Ein „schönes Tor auf jeden Fall. Es wäre natürlich umso schöner gewesen, wenn wir das Ding gewinnen.“ Für Woltemade selbst ist seine Klasse am Ball etwas ganz Selbstverständliches. „So spiele ich schon immer. Jetzt ist es auf einer größeren Bühne, dann fällt es natürlich mehr auf. Ich freue mich, dass das den Leuten gefällt.“

Nübels Elferpech

Dann war plötzlich alles dahin. Weil ein Wolfsburger Schuss im Strafraum an den ausgestreckten Arm von VfB-Verteidiger Josha Vagnoman gegangen war, gab es nach VAR-Eingriff Handelfmeter für den VfL, den Mohamed Amoura verwandelte (87.). Nübel war noch am Ball, konnte den Treffer aber nicht verhindern.

Der Elfmeter sei „natürlich brutal unglücklich“, sagte der Torwart. Es sei zwar „klar Hand“ gewesen, aber der Schuss wäre nie und nimmer aufs Tor gekommen. So zu verlieren – das tue „sehr weh“. Man müsse nach dem Führungstor „das Spiel einfach zu Ende bringen, 1:0 gewinnen“.

Diehls Tränen

Im Vorfeld des 1:1 durch Tiago Tomás (77.) hatte VfB-Offensivtalent Justin Diehl im Mittelfeld den Ball verloren. Er fühlte sich daher schuldig an der Niederlage. Nach dem Schlusspfiff flossen sogar Tränen. Doch Hoeneß sah das ganz anders: „Er hat die geringste Schuld an diesem Tor. Das muss ich ganz ausdrücklich sagen.“ Denn „du kannst und wirst in dieser Zone Bälle verlieren“.

Den Coach ärgerte vielmehr die „Fehlerkette“ danach. „Da sind einige Jungs beteiligt.“ Dem zuvor lange verletzten Diehl sagte er direkt, dass er ihm keinerlei Vorwurf mache. „Er will der Mannschaft immer helfen und hat das Gefühl gehabt, das in dem Fall nicht getan zu haben.“ Auch von Teamkollegen wurde der in der 70. Minute eingewechselte Youngster getröstet. „Er hat sich das zu Herzen genommen“, sagte Hoeneß. Aber: „Der Junge ist überragend.“ Das sehe man gerade jetzt an seinen Tränen. „Das zeigt sehr gut, wie der Junge tickt.“

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