Mannheim. Fast zwei Jahre spielte Fabian Böhm an der Seite von Andy Schmid beim Schweizer Handball-Erstligisten HC Kriens-Luzern. Die beiden verstanden sich prächtig. Auf und neben dem Feld. Weshalb der gemeinsame Weg weitergeht. Schmid, der von 2010 bis 2022 für die Rhein-Neckar Löwen spielte, übernahm zu Jahresbeginn die Schweizer Nationalmannschaft als Trainer. Zu seinem Assistenten machte er Böhm, der 51 Länderspiele für Deutschland bestritt und nächste Woche Donnerstag (18.30 Uhr) in Mannheim mit den Eidgenossen auf sein Heimatland trifft. Doch längst bestimmt nicht mehr nur der Handball das Leben des 35-Jährigen.
Fabian, wir waren um 6.45 Uhr zum Interview verabredet. Es wurde zwar ein wenig später. Aber mal ehrlich: Was machen Sie in dieser Herrgottsfrühe?
Fabian Böhm (lacht): Ich war um 6.30 Uhr schon auf der Baustelle. Mein Vater ist gerade im Urlaub, einer meiner Brüder auch. Da war ich als kleiner Juniorchef gefragt.
Ich schließe daraus, dass Sie ins Potsdamer Bauunternehmen Ihrer Familie eingestiegen sind. Wie haben Sie sich darauf vorbereitet: Mit einer Ausbildung oder reicht es aus, damit groß geworden zu sein?
Böhm: Beides. Ich habe eine kaufmännische Ausbildung abgeschlossen. Und früher sind wir Kinder am Wochenende mit unseren Eltern eben nicht auf Spielplätze gefahren, sondern haben auf dem Baugerüst und in Baugruben gespielt. Ich bin mit dieser Branche also seit Kindheitstagen in Kontakt.
Baustellenbesuche um 6.30 Uhr klingen nicht danach, als hätten Sie nach Ihrem aktiven Karriereende als Handballer Langeweile.
Böhm: Habe ich auch nicht. Ich bin ein Arbeiter. So war ich als Spieler. Und so ist das auch jetzt.
Fehlt Ihnen der Handball überhaupt nicht?
Böhm: Das Spiel an sich nicht. Auch nicht der Trainingsalltag. Aber ich habe das Sprechen über Handball zuletzt vermisst. Also über die Bundesliga. Über taktische Sachen. Deswegen bin ich froh, dass das mit der Schweiz geklappt hat. Ich spreche jetzt natürlich viel mit Andy und dieser Austausch hat mir zuletzt eben ein wenig gefehlt.
Und wie sieht die Zukunft aus – Karriere als Bauunternehmer oder Trainer?
Böhm: Ohne Mist: Das kann ich jetzt nicht beantworten. Vor drei, vier Monaten hatte ich das Gefühl, dass ich diesen Handballer-Alltag nicht mehr möchte. Und wie gesagt: Danach habe ich gespürt, dass ich dem Sport irgendwie erhalten bleiben will. Als Co-Trainer der Schweizer Nationalmannschaft lässt sich alles gut miteinander vereinbaren. Und dann werde ich schon irgendwann sehen, ob ich Feuer und Flamme für den Trainerjob bin.
Sie haben in Deutschland im Norden, Süden, Westen und Osten gespielt, anschließend noch in Luzern in der Schweiz. Wie fühlt es sich an, plötzlich wieder zu Hause in Potsdam zu sein?
Böhm: Nach Hause zu kommen…so würde ich das gar nicht nennen. Ich bin als 14-Jähriger weg (ins Handball-Leistungszentrum des SC Magdeburg: Anm der. Redaktion). Es fühlt sich deshalb eher wie Ankommen an. Als Profisportler war ich immer an bestimmte Vertragslaufzeiten gebunden und musste schauen, wie es weitergeht. Mal zwei Jahre hier, mal ein Jahr dort. Manchmal drei Jahre. Oder wie in Hannover sechs Jahre. Jetzt sind wir als Familie erst einmal hier, wir bauen ein Haus, die Kinder kommen in die Schule. Das ist ein cooles Gefühl. Und es ist ein Gefühl, das ich echt nicht kannte und deswegen sehr genieße.
Wie waren die abschließenden zwei Jahre in Luzern?
Böhm: Traumhaft schön. Es hat echt megaviel Spaß gemacht. Die Schweiz ist ein traumhaftes Land. Ich war immer der Urlaubstyp fürs Meer. Jetzt sage ich: Es gibt nichts Schöneres als die Schweiz. Es ist alles da: Seen, Berge. Und rein sportlich gesehen war es eine tolle Erfahrung. Wir haben es geschafft, den HC Kriens-Luzern auf die Handball-Landkarte zu bringen, wurden Pokalsieger und haben uns für den Europapokal qualifiziert. Der Club ist nun auf einem anderen Level.
In Luzern haben Sie zusammen mit Andy Schmid gespielt. Jetzt gehören Sie zu seinem Trainerteam. Es war doch vollkommen klar, dass er Sie braucht.
Böhm: Warum?
Weil das Abwehrspiel kann er als offensiver Feingeist ja nun wirklich niemandem glaubhaft vermitteln.
Böhm (lacht): Ich sage es mal so: Wenn die Leute wüssten, wie viel Andy über das Abwehrspiel weiß, dann hätten sie keine Bedenken. Zwischen ihm und mir passt es menschlich ganz gut, was erst einmal sehr, sehr wichtig ist. Ich äußere meine Meinung, ich stehe zu meinen Ideen und bin davon überzeugt, dass uns der Austausch im Trainerteam weiterbringen wird. Und darauf kommt es an. Man sieht überall im Mannschaftssport, dass die Trainerteams größer werden, weil die Aufgaben zunehmen.
In Ihrem ersten Spiel treffen Sie mit der Schweiz auf Deutschland. Es gibt schlechtere Konstellationen für einen Einstand.
Böhm: Es ist irgendwie merkwürdig, aber auch wieder cool. Ich war selbst deutscher Nationalspieler, nun arbeite ich für eine andere Nation. Und so gehe ich das auch an. Als einen Beruf, in dem ich erfolgreich sein will.
Welche Hymne singen Sie denn?
Böhm: Also das ist echt ‘ne Frage…
Thomas Tuchel musste sie als neuer englischer Fußball-Nationaltrainer auch beantworten.
Böhm: Ich weiß. Wenn ich das jetzt aus dem Stegreif beantworten soll, dann glaube ich, dass ich vermutlich keine der beiden Hymne singe. Alfred Gislason () hat sein halbes Leben in Deutschland verbracht. Da ist es nachvollziehbar, dass er die deutsche Hymne mitsingt. Aber solch eine Beziehung habe ich zur Schweiz nicht. Da wäre es irgendwie unangebracht, wenn ich die Schweizer Hymne singe. Aber aus Respekt vor der Schweiz und meinem Job dort werde ich vermutlich dann auch die deutsche Hymne nicht singen. deutscher Nationaltrainer und isländischer Staatsbürger: Anm. der Redaktion
Fabian Böhm
Fabian Böhm wurde am 24. Juni 1989 in Potsdam geboren.
Als Jugendlicher ging der Rückraumspieler ins Handball-Leistungszentrum des SC Magdeburg und spielte später bei den Profis des SCM.
Sein weiterer Weg führte ihn zu den Füchsen Berlin, zum DHC Rheinland, zum Bergischen HC, zu TuSEM Essen, zu HBW Balingen-Weilstetten, zur TSV Hannover Burgdorf und in die Schweiz zum HC Kriens-Luzern. Dort spielte er an der Seite von Andy Schmid, der Legende der Rhein-Neckar Löwen. Mit Luzern wurde er 2023 Pokalsieger.
Böhm beendete seine Laufbahn vor wenigen Monaten Er ist jetzt Schmids Co-Trainer bei der Schweizer Nationalmannschaft und ins Bauunternehmen seiner Familie eingestiegen.
Für die deutsche Nationalmannschaft bestritt der 35-Jährige 51 Spiele.
URL dieses Artikels:
https://www.bergstraesser-anzeiger.de/sport_artikel,-sport-laenderspiel-in-mannheim-hymnen-problem-fuer-ex-nationalspieler-boehm-_arid,2256842.html