Fußball

Eitel Sonnenschein

Fast katapultartig sind die DFB-Frauen nach der Gala gegen Dänemark zu einem Topfavoriten der Europameisterschaft aufgestiegen

Von 
Frank Hellmann
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Gute Laune, wohin man bei den DFB-Frauen blickt. Auch Alexandra Popp strahlt nach dem Auftaktsieg. © Maja Hitij/dpa

London. Die britische Hauptstadt London mag ja unendlich viele Vorzüge haben. Von der Sonne verwöhnt ist sie aber eher nicht. Umso mehr haben die Menschen ein Wochenende mit wolkenlosem Himmel und Temperaturen jenseits der 30 Grad genossen, wobei es die Einheimischen eher nicht nach South Bank am Themseufer zieht. Stattdessen strömen viele raus an die Riverside in Richmond, wo sich abseits des touristischen Trubels das ungewohnt gute Wetter genießen lässt. Nicht weit weg auf der anderen Flussseite liegt der Syon Park, in dem das deutsche Frauen-Nationalteam wohnt. Und eitel Sonnenschein herrscht auch hier – beim großen DFB-Tross.

Präsident Bernd Neuendorf hielt in der Nacht zu Samstag bei Pommes und Burger nach dem rauschhaften 4:0 gegen Dänemark eine Dankesrede und kündigte eine weitere Unterbrechung seines Urlaubs zu einem möglichen Halbfinale an. Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg spendierte dann auch noch einen freien Nachmittag, ehe am Sonntagmorgen wieder trainiert wurde. Gilt es doch, die erste Gala beim zweiten Gruppenspiel gegen Spanien (Dienstag, 21 Uhr/live in der ARD) im erneut ausverkauften Community Stadium von Brentford zu bestätigen. Spanien habe zwar eine „super Mannschaft“, sagte die Bundestrainerin aber: „Wir haben gezeigt, dass wir richtig was können.“

Großes Lob von allen Seiten

Mit Nadine Keßler, Abteilungsleiterin Frauenfußball bei der UEFA, oder Ralf Kellermann, dem Sportlichen Leiter der Frauenabteilung des VfL Wolfsburg, zeigten sich auch Fachleute schwer beeindruckt vom ersten Auftritt des deutschen Teams, das mit seinem Mix aus den besten Kräften vom FC Bayern und VfL Wolfsburg einen nahezu perfekten Auftritt hinlegte. Auch der zur Delegation gehörende Sportliche Leiter der Nationalmannschaften, Joti Chatzialexiou, geriet ins Schwärmen: „Es war tatsächlich das beste Spiel, was ich von unserer Mannschaft in meiner Verantwortung bisher gesehen habe.“

Die rechte Hand von DFB-Direktor Oliver Bierhoff hatte Anfang 2018 die Frauen erstmals zu einem Einladungsturnier in die USA begleitet. Seine erste Amtshandlung war die Ablösung der überforderten Bundestrainerin Steffi Jones.

Nun hat Nachfolgerin Voss-Tecklenburg – nach einer Übergangsphase unter Horst Hrubesch – die erste echte Bewährungsprobe nach der am Ende missglückten WM 2019 in Frankreich grandios gemeistert. Was Chatzialexiou besonders gefiel: „Wir haben endlich auch mal sehr selbstbewusst Fußball gespielt.“

Man solle nun bloß weiter „mit einem Selbstverständnis spielen, dass wir die Mannschaft sind, die entscheidet, wer Europameister wird“. Das war mal eine Ansage aus dem Medienhotel am Grand-Union-Kanal. Im Duell „zweier Titelanwärter“ erwartet der 46-Jährige „große Werbung für den Frauenfußball“. Es sollen ruhig mehr als die knapp sechs Millionen Zuschauer einschalten, die am Freitagabend vor dem Fernseher saßen. „Ein schönes Zeichen in Europa – auch nach Deutschland“, sagte die zur Spielerin des Spiels gewählte Lina Magull.

Der Respekt vor dem achtfachen Europameister ist nach dem katapultartigen EM-Start enorm gewachsen. Die Experten bei der BBC überschlugen sich mit Lobeshymnen auf eine deutsche Elf, die immense Lust verspürte, nicht nur kreativ mit dem Ball, sondern auch aktiv gegen den Ball zu arbeiten. Besonders beliebt: Grätschen in der gegnerischen Hälfte.

Und so stellte Voss-Tecklenburg neben dem „großartigen Teamwork und super Umschaltspiel“ speziell die „große Defensivlust“ heraus. Ihr Matchplan gegen einen fahrigen Vize-Europameister von 2017 ging hinten wie vorne auf. Das Pressing funktionierte noch nie so gut. Das erste EM-Tor der zu Tränen gerührten Anführerin Alexandra Popp als Einwechselspielern fügte sich in ein harmonisches Gesamtbild. „Wir haben das Gefühl, wir können alle 23 Spielerinnen reinwerfen – das ist eine tolle Basis“, sagte Voss-Tecklenburg begeistert.

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