Natürlich genoss er dieses Spektakel: 2:0 über Eintracht Frankfurt beim Bundesligadebüt an neuer Wirkungsstätte. In aller Ruhe saugte Pascal Groß die Stimmung im imposanten früheren Westfalenstadion auf. Als einer der letzten Borussen verließ er nach der obligatorischen Dortmunder Ehrenrunde den Rasen.
Die Bühne gehörte einem anderen. Doppelpacker Jamie Gittens wurde zum Solo vor die feiernde Südtribüne gerufen. Groß blieb im Hintergrund, aber die Fans von Schwarz-Gelb hatten registriert, was für ein Stratege bei ihnen gelandet ist. Der Pass des Mannheimers vor dem Führungstor hob die umkämpfte Partie erst auf das richtige Gleis.
In der Chefetage der Borussia halten sie große Stücke auf ihre neue Nummer 13. Das 7-Millionen-Euro-Schnäppchen aus Brighton ist der heimliche Königstransfer dieser Saison. Einen so passsicheren Ballverteiler für den defensiven Rückraum kann der BVB dringend gebrauchen. Zumal Nuri Sahin als Cheftrainer seines Herzensclubs ein neues System vorschwebt: Im Gegensatz zu Edin Terzic will der Strippenzieher im Mittelfeld der Meisterelf von 2011 den Erfolg wieder mehr durchs Zentrum suchen.
Groß ist stets anspielbar und als Kommunikator gefordert
Eben dort soll Groß das Tempo und den Rhythmus des Dortmunder Spiels bestimmen. So wie gegen Frankfurt - auch wenn längst nicht alles nach Wunsch lief. Anfangs hatte der gebürtige Mannheimer Mühe, die mutigen Gäste vom BVB-Tor wegzuhalten. Nach nur 18 Minuten lautete das Eckenverhältnis schon 5:0 für die Hessen. Mit etwas mehr Glück hätte die Eintracht die lange offene Partie auch gewinnen können.
Es bleibt Luft nach oben beim BVB - und auch bei Groß, dessen Zusammenspiel mit dem Dortmunder Kapitän Emre Can etwa noch hakte. Trotzdem war zu sehen, welchen Radius der Allrounder, der auch schon einige Premier-League-Spiele als Außenverteidiger absolviert hat, dem Spiel verleiht. Phasenweise agierte Groß als Quarterback hinter der Abwehr, als Schaltstelle in der Mitte und am Ende als Passgeber in der Spitze. Er war für die neuen Teamkollegen stets anspielbar und kommunizierte viel mit seinen Nebenleuten.
Groß soll den Gegner abfangen oder ihn ins Leere laufen lassen. Er soll ihn mit Lockbällen aus der Defensive lösen und mit weiten Pässen übertölpeln. Außerdem ist er bei ruhenden Bällen gefragt, für die der BVB extra einen Trainer für Standardsituationen engagiert hat. Als Eckenschütze hat er bereits Julian Brandt verdrängt.
Mit 23 Torvorlagen und sieben Treffern war er 2015 der Aufstiegsheld des FC Ingolstadt. Bei Brighton & Hove Albion schrieb Groß Clubgeschichte mit den ersten Toren der Möwen in der Premier League. Er hatte auch gehörigen Anteil an Brightons Sprung ins Halbfinale des FA Cup und am Vereinsdebüt im Europapokal. Trotzdem flog Groß hierzulande meist eher unter dem Radar.
„Ich hatte immer das Gefühl, unterschätzt zu werden, weil es hieß, ich sei körperlich zu schwach oder dass mir das Tempo fehlt“, verriet Groß einst in einem Interview auf der Webseite der TSG Hoffenheim. Mit den Kraichgauern holte er in der U 17 die Deutsche B-Jugend-Meisterschaft - gegen den BVB. Nun könnte er in Deutschland im Rampenlicht ankommen. Der lange Weg vom Mannheimer Stadtteilverein VfL Neckarau über die Hoffenheimer Akademie in die weite Fußballwelt sieht nun große Ziele vor - unter anderem auch auf der Bühne Champions League.
Mit der Leistung gegen Frankfurt knüpfte Groß nahtlos an die vielversprechenden ersten Eindrücke beim BVB an. Schon im Trainingslager in Bad Ragaz hatte der Teamplayer mächtig Eindruck hinterlassen. „Er bringt Ruhe rein“, lobte Sportdirektor Sebastian Kehl. Nach den Tests gegen den FC Villarreal und Aston Villa titelten die „Ruhr Nachrichten“: „Groß nimmt gleich die Chefrolle ein.“
Groß’ Laufleistung beendet jede Diskussion über sein Alter
Die FAZ betitelte Groß’ Rolle beim BVB nach dem starken Auftakt im DFB-Pokal als „die Macht in der Mitte“. Beim 4:1-Sieg über Regionalligist Phönix Lübeck war Groß gleich Dreh- und Angelpunkt im Spiel der Westfalen. 169 Ballkontakte, 95 Prozent Passquote, zwei Torvorlagen - das Selfie mit der Trophäe „Man of the Match“ hatte er sich redlich verdient.
Eine Diskussion über sein für Profifußballer fortgeschrittenes Alter kommt bei dem 33-Jährigen gar nicht erst auf. In Brighton war Groß ein Dauerbrenner. Bei 45 Startelfeinsätzen in seiner Abschiedssaison verließ er nur zweimal vor der 80. Minute den Platz. Im Sommer hatte er trotzdem die Muße, den Töwerland Insellauf auf Juist zu gewinnen. Beim Bundesliga-Start gegen die Eintracht, die ihn selbst gerne verpflichtet und damit noch näher an die Heimat geholt hätte, spulte er 12,52 Kilometer ab - die beste Laufleistung aller Akteure.
Beim neuen BVB-Trainer muss er sowieso keine Überzeugungsarbeit leisten. „Für mich war wichtig, dass wir diesen Spielertyp bekommen. Da ist mir auch egal, wie alt er ist“, sagt Sahin über seinen nur zwei Jahre jüngeren Spieler, der nun sein verlängerter Arm auf dem Platz werden könnte.
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