Fußball

Das spricht für einen guten deutschen EM-Start - und das dagegen

Für ein erfolgreiches Heimturnier gilt das erste Spiel als besonders wichtig. EM-Gastgeber Deutschland startet am Freitag gegen Schottland. Drei Punkte sprechen klar für die DFB-Elf, drei lassen aber auch Zweifel aufkommen

Von 
Andreas Öhlschläger
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Mit einem positiven Erlebnis in die EM zu starten ist für Pascal Groß (re.) und seine DFB-Kollegen extrem wichtig für den weiteren Turnierverlauf. © Federico Gambarini/dpa

Die Spannung wächst. Wie wird er laufen, der deutsche EM-Auftakt gegen Schottland? Am Freitag (21 Uhr/live im ZDF und bei Magenta-TV) soll es in München die Initialzündung für ein erfolgreiches Heimturnier geben. Was spricht dafür? Was dagegen?

Plus

Offensive Vielfalt: Bundestrainer Julian Nagelsmann hat sich personell im Wesentlichen festgelegt. „Es sind 13 Spieler, die für die Startelf infrage kommen. Da passen wir Kleinigkeiten an bezüglich der Gegner.“ Im Angriffszentrum hat Kai Havertz die Nase vorn. Er traf bei der EM-Generalprobe gegen Griechenland zum 1:1 und spielte durch. Schwächeln darf Havertz im Turnier aber nicht, denn als kopfballstarker Mittelstürmer macht Niclas Füllkrug Druck von der Ersatzbank. Auf den offensiven Flügelpositionen spielten Jamal Musiala (rechts) und Florian Wirtz (links) in den jüngsten Tests von Beginn an. Die erste Alternative heißt hier Leroy Sané, der von seinen Schambeinproblemen aktuell nicht mehr ausgebremst wird. Beim 2:1 gegen Griechenland wurde der Flügeldribbler zur zweiten Halbzeit für Wirtz eingewechselt und machte es deutlich besser. „Julian Nagelsmann hat gerade in der Offensive die Qual der Wahl“, sagt der belgische Nationaltrainer Domenico Tedesco. Der Schwabe mit italienischen Wurzeln sieht eine gute Basis für eine erfolgreiche deutsche EM. „Es ist nicht so, dass eine erfolgreich spielende deutsche Mannschaft außerhalb der Vorstellungskraft wäre.“

Gute Herausforderer: Es wird Spieler im deutschen Kader geben, die bei dieser EM keine Sekunde Einsatzzeit bekommen. Aber Nagelsmann hat auf fast jeder Position Optionen, die vielversprechend wirken und Druck ausüben auf die gesetzten Kräfte aus der Startelf. In den beiden letzten EM-Tests gegen die Ukraine und Griechenland haben Ergänzungsspieler voll überzeugt (so wie Innenverteidiger Waldemar Anton vom VfB Stuttgart als Antonio-Rüdiger-Ersatzmann) oder für neuen Schwung gesorgt, wenn sie eingewechselt wurden. Zwei weitere Asse des Vizemeisters aus Stuttgart, Chris Führich und Deniz Undav, werden im DFB-Team sicherlich nicht als Unruhestifter auftreten, sollten sie erst einmal nur zuschauen müssen. Aber sie können jederzeit wichtige Impulse geben - und sei es zur Steigerung der Trainingsqualität.

Heimvorteil: Am Freitagabend geht es los. Dann wandelt sich bei den Fans der deutschen Mannschaft die bisherige EM-Vorfreude in Spannung um. Frust oder Freude? Jubeln oder Jammern? Vom Eröffnungsspiel gegen Schottland geht ein wichtiger Impuls aus für die nationale Fußballlaune. „Wir haben eine große Verantwortung für die Stimmung im gesamten Land in den nächsten Wochen“, sagt Mittelfeldmann Toni Kroos. „Ein Heimturnier ist noch spezieller.“ Die deutsche Nationalmannschaft könnte auf einer Euphoriewelle reiten, sollte sie stark in die EM starten und in der Vorrunde auch die bisherigen Zweifler hinter sich bringen. Das DFB-Team hat es in der Hand, nach der WM 2006 tatsächlich ein zweites Sommermärchen hervorzuzaubern. Kroos sagt: „Es ist auch eine große Ehre, dieses Turnier zu Hause spielen zu dürfen. Es wird darum gehen, den Druck zu genießen, denn er ist auch ein Privileg.“

Minus

Torwartrisiko Neuer: Einzig Fehlerlosigkeit der deutschen Nummer eins im Tor wird die aktuelle Debatte aus der Welt schaffen können. Hat es Oldie Manuel Neuer wirklich noch drauf? „Manuel ist unglaublich erfahren und ich glaube, dass wir am Freitag beim Eröffnungsspiel gegen Schottland wieder den Rückhalt sehen werden, der er über die letzten Jahrzehnte für die deutsche Nationalmannschaft war. Ich vertraue Manuels Erfahrung und Klasse“, sagte EM-Turnierdirektor Philipp Lahm. Marc-André ter Stegen wäre eine Weltklasse-Alternative. „Wir sind auf der Position sehr verwöhnt und haben ein maximales Überangebot“, sagte Füllkrug zur Torwartfrage. „Manu hat aber auch eine Ausstrahlung, die hervorragend ist.“

Formschwacher Kapitän: Ilkay Gündogans Leistungen in den jüngsten Testspielen waren schwach. Auch im März bei den Coups gegen Frankreich und die Niederlande glänzte der DFB-Kapitän nicht. Er sieht sich „als jemanden, der mit seiner Erfahrung eine gewisse Ruhe und Struktur geben kann. Eine gute Balance ist wichtig. Es sollte im Spiel keine Situation entstehen, in der sich Ballverlust und Ballgewinn ständig abwechseln.“ Um dies einlösen zu können, ist eine enorme Präsenz nötig. Gündogan wirkt aber ermattet. Er muss zulegen. Musiala sagt zwar, ihn auf dem Platz zu haben sei immer gut, und Wirtz lobt Gündogan als wichtigen Verbindungsspieler. Doch dessen Klasse ist aktuell nur begrenzt sichtbar.

Schwankende Leistungskurven: „So was darf nicht noch mal passieren!“ Das war die kritische Botschaft von DFB-Sportdirektor Rudi Völler nach dem mühevollen Generalprobensieg gegen die Griechen. Viel zu fehlerhaft, leichtsinnig und träge sei das Team in der ersten Hälfte gewesen. Nun aber seien die Sinne geschärft. Ist das wirklich so? Denn auch die Schotten werden versuchen, auf Konter zu lauern und deutsche Unkonzentriertheiten gnadenlos auszunutzen. Es braucht am Freitagabend Leistungskonstanz auf hohem Niveau.

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