Fußball

Darmstadt-Kapitän Holland: „Da gehst du mit Gänsehaut raus“

Fabian Holland ist mit Außenseiter Darmstadt 98 in die Bundesliga aufgestiegen. Im Interview spricht er über den zähen Aufstiegskampf, seine neun Lilien-Jahre und die Verbundenheit zu Ex-Club Hertha BSC

Von 
Jörg Runde
Lesedauer: 
Eine Identifikationsfigur für die Fans: Fabian Holland, Kapitän des Bundesliga-Aufsteigers Darmstadt 98. © Jan Hübner/Imago

Darmstadt. Drei Niederlagen kassierte Darmstadt 98 in den letzten vier Saisonspielen: Wie groß ist bei Ihnen heute mit etwas Abstand die Erleichterung über den gerade noch so geglückten Aufstieg?

Fabian Holland: In erster Linie ist die Freude noch unfassbar groß. Ich habe immer noch die Gesichter nach dem Magdeburg-Spiel vor Augen. Alle hatten Freudentränen in den Augen. Der Moment des Schlusspfiffs war wirklich Gänsehaut pur. Da wussten wir, dass wir etwas Großes geschafft haben. Den Aufstieg hat uns doch vor der Saison kaum jemand zugetraut.

Es wurde aber doch noch mal eine ganz schöne Zitterpartie.

Holland: Wir haben den Druck am Ende schon gemerkt. Um uns herum haben gefühlt alle schon den Aufstieg gefeiert. Wir wussten aber, dass wir den einen Sieg noch brauchen. Fußballerisch war das dann nicht mehr das, was wir sonst gezeigt haben. Aber wir hatten nie Angst, waren immer klar im Kopf und wussten, das Ding lassen wir uns nicht mehr nehmen.

Ein bisschen wirkten die Lilien wie ein Marathon-Läufer, der das Rennen fast die komplette Distanz dominiert hat und am Ende von den Fans über die Ziellinie gepusht werden muss.

Holland: Die Saison hat unglaublich viel Kraft gekostet, aber wir waren körperlich immer voll auf der Höhe. Die Unterstützung der Fans war gerade gegen Magdeburg enorm hilfreich. Schon beim Warmmachen wurden wir gefeiert. Da haben wir gespürt, das ist ein besonderer Abend. Irgendwie waren alle laut. Als es dann zum Ende hin richtig schwer wurde, war das ganze Stadion unsere entscheidende Stütze.

Darmstadt kommt einem im aufgeregten Fußball-Business wie eine Oase der Ruhe vor. Wie kriegt der Verein das hin?

Holland: Es herrscht in diesem Verein und dem Umfeld einfach eine unfassbare gute Mentalität. Wir sind eine große Einheit. Jeder weiß, was er zu tun hat, niemand nimmt sich zu wichtig. Wir wissen, wir können als Mannschaft in Ruhe arbeiten und wenn wir mal verlieren, dreht hier niemand gleich durch. Das ist vielleicht der entscheidende Unterschied zu manchen anderen Vereinen. Aber eine Voraussetzung muss erfüllt sein.

Fabian Holland

  • Fabian Holland wurde am 11. Juli 1990 in Berlin geboren.
  • Sein Jugendverein ist der FSV Forst Borgdorf. 2003 wechselte er in die Nachwuchsabteilung von Hertha BSC.
  • Seit 2014 spielt der Holland für Darmstadt 98. In der abgelaufenen Saison führte der 32-Jährige die Lilien zum Bundesliga-Aufstieg.
  • Holland absolvierte 2010 ein Spiel für die deutsche U-20-Nationalmannschaft.
  • Der Linksverteidiger, der auch im defensiven Mittelfeld eingesetzt werden kann, ist Vater eines dreijährigen Sohns.

 

Die wäre?

Holland: Du musst als Spieler auf dem Platz alles raushauen. Das erwarten hier alle. Aber darum muss sich bei dem Trainer und der Mannschaft keiner Sorgen machen.

Sie sprechen den Trainer an. Welchen Anteil hat Torsten Lieberknecht am Erfolg der Lilien?

Holland: Einen riesengroßen – ganz klar. Wie er auftritt, wie er mit uns umgeht, das ist einfach stark. Er ist immer positiv und nimmt alle im Team mit. Auch die Spieler, die nicht so oft zum Einsatz kommen. Stille Helden hat er die mal genannt. Das zeugt von Respekt für jeden in der Mannschaft. Und das zahlen die Spieler dann zurück, wenn sie gebraucht werden. Das haben wir in einigen Situationen in der Saison, als es personell eng wurde, gemerkt. Genau die Jungs haben dann abgeliefert und ihren Beitrag zum Aufstieg geleistet.

Vor dem Aufstiegsfinale hat er den Aufstieg ja mit einer Traumfrau verglichen, die man unbedingt erobern will. Wie reagiert die Mannschaft auf solche Vergleiche und Geschichten?

Holland: Der Trainer weiß immer ganz genau, was er wann und wie sagen muss, um die Mannschaft zu erreichen. Mal ist es etwas zum Schmunzeln, mal sind es deutliche Worte. Das hat er wirklich drauf. Es gibt Sitzungen, da gehst du mit Gänsehaut raus. Dann aber gibt es Tage, da gehen alle mit einem Lächeln auf den Lippen aus der Kabine.

Hat er denn die Mannschaft aus Ihrer Sicht auch fußballerisch weiterentwickelt?

Holland: Auf jeden Fall. Wir sind mittlerweile viel schwerer auszurechnen. Die Gegner wissen nie genau, wie sie angelaufen werden und wie wir von hinten raus agieren. Da haben wir mittlerweile eine hohe Variabilität. Und dann ist da noch die Arbeit an Details.

Was meinen Sie?

Holland: Nicht umsonst sind wir bei Standards so stark. Das alles trainieren wir regelmäßig extrem intensiv. Selbst Einwurfsituationen werden geprobt. Diese Akribie zeichnen den Trainer und am Ende auch die Mannschaft aus.

Und Sie persönlich? Sie spielen mittlerweile regelmäßig im zentralen Mittelfeld und haben sich im Ranking des „kicker“ unter die besten fünf Feldspieler der Saison gearbeitet.

Holland: Die Position ist keine Überraschung. Der Trainer weiß, dass ich das spielen kann. Ich fühle mich im Mittelfeld und hinten links wohl. Insgesamt habe ich schon das Gefühl, eine gute Saison gespielt und mich weiterentwickelt zu haben.

Und als Persönlichkeit? Sie stehen als Kapitän ja besonders im Fokus.

Holland: Ich übernehme gerne Verantwortung, bin aber kein Lautsprecher, der vor der Mannschaft große Reden hält. Ich nehme in Einzelgesprächen Einfluss oder bringe meine Erfahrung auf dem Platz ein. Aber ich bin nicht der Einzige, der die Führungsrolle ausfüllt. Wir haben eine gute Kaderstruktur.

Jetzt kommen die Bayern und der BVB. Wie schätzen Sie denn die Chancen der Lilien in der Bundesliga ein?

Holland: Der ganze Verein hat sich seit dem Bundesliga-Abstieg 2017 weiterentwickelt. Die Trainingsbedingungen sind besser, das umgebaute Stadion ist großartig. Natürlich sind wir klarer Außenseiter und spielen gegen den Abstieg. Aber auch in der Bundesliga wollen wir mit unserer Mentalität und unserem Teamgeist bestehen. Nur um uns die schönen Bundesliga-Stadien anzuschauen, sind wir jedenfalls nicht aufgestiegen. Das werden die Gegner schon merken.

Die Reise ins Berliner Olympiastadion fällt aber jetzt aus.

Holland: Das tut mir wirklich weh. Nicht nur, weil ich immer noch Hertha-Fan bin, sondern weil ich einfach wahnsinnig gerne dort gespielt hätte. Auch den Jungs hätte ich meine alte sportliche Heimat gerne gezeigt. Für die wäre das ein großes Erlebnis gewesen.

Haben Sie denn Herthas Abstiegsentscheidung am Fernseher verfolgt?

Holland: Das Spiel gegen Bochum am 33. Spieltag konnte ich nicht sehen. Das war am Tag nach unserem Aufstieg, da habe ich vom Fußballgeschehen nicht mehr viel mitbekommen (lacht). Aber ich hatte auf unserer Mannschaftsreise nach Mallorca ein Hertha-Trikot an und habe gehofft, dass es ein bisschen Glück bringt.

Hertha ist also nach wie vor Ihr Herzensclub?

Holland: Die Lilien und Hertha – das sind meine zwei Herzensclubs. Hertha war mein Jugendverein, mit dem ich wahnsinnig viel erlebt habe. Da habe ich meine ersten Schritte im Profifußball gemacht. Das vergesse ich nie.

Und Ihre Zeit in Darmstadt?

Holland: Neun Jahre in einem Verein zu spielen ist ja heutzutage eher die Ausnahme. Das zeigt aber, wie gut der Verein zu mir passt und wie wohl ich mich vom ersten Tag an hier gefühlt habe. Sportlich und menschlich. Darmstadt ist meine zweite Heimat. Hier ist mein Sohn geboren, hier genießen wir als Familie ein tolles Leben. Ich bin dem Verein und den Menschen in der Stadt wirklich wahnsinnig dankbar.

Aber nach der Karriere zieht es Sie wieder nach Berlin oder Brandenburg.

Holland: Ja, so ist es geplant. Ich bin in Berlin geboren, in Brandenburg aufgewachsen. Dort lebt meine Familie, dort habe ich immer noch viele Freunde.

Wie beurteilen Sie denn aus der Ferne die Entwicklung bei ihrem Ex-Club?

Holland: Dass da in den vergangenen Jahren einiges falsch gelaufen ist, liegt ja auf der Hand. Ich will dazu aber gar nicht so viel sagen, ich bin Spieler des SV Darmstadt 98. Ich hoffe als Fan, dass es bei Hertha jetzt wieder aufwärts geht.

Mit Pal Dardai und Zecke Neuendorf sind zwei Hertha- Legenden in der Verantwortung. Aus Ihrer Sicht der richtige Weg?

Holland: Auf jeden Fall. Ich halte es für wichtig, dass jetzt Leute das Ruder in der Hand haben, die mit ganzem Herzen Herthaner sind. Wenn dann auch noch alle in die gleiche Richtung arbeiten, kann so ein Neuanfang in der 2. Liga eine reinigende Wirkung haben und richtig Euphorie entfachen.

Sie sprechen aus Erfahrung.

Holland: Ja klar. Die Aufstiegssaison 2013 hat richtig Spaß gemacht. Das war eine tolle Zeit. Da haben wir in der Mannschaft und im Verein eine große Begeisterung entwickelt, die sich dann auch auf das Umfeld übertragen hat. Für mich war das ein echtes Highlight.

Ihr Vertrag bei den Lilien läuft noch bis 2025. Haben Sie schon einmal über eine Rückkehr zur Hertha nachgedacht?

Holland: Wenn ich dazu jetzt etwas sage, kommen nur wieder Gerüchte und Spekulationen auf. Natürlich ist das aktuell kein Thema. Im Fußballgeschäft sollte man aber nie etwas ausschließen.

Noch einmal für Hertha zu spielen, ist für Sie also durchaus denkbar?

Holland: Nach der Profikarriere für die Alten Herren auf jeden Fall.

Copyright © 2025 Mannheimer Morgen