TV-Sport

30 Jahre DSF und Sport 1: Zwischen Kult-Kappe und Phrasenschwein

Am 1. Januar 1993 startete mit dem DSF der erste deutsche Sportsender, der mittlerweile Sport 1 heißt. Über die Jahre lieferte er so manche Höhepunkte und legendäre Momente - aber auch Flops. Eine Rückschau.

Von 
Marc Stevermüer
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Fast jeden Sonntag debattieren Journalisten und Experten im „Doppelpass“ über die Lage der Fußballnation. In der Mitte steht das Phrasenschwein. © imago(honorarfrei)

Hattrick, die 2. Liga

Für Fußballfans ist der Montagabend – gelinde gesagt – nicht unbedingt der beste Termin. Denn da fällt der Stadionbesuch schwer – vor allem bei einem Auswärtsspiel. Andererseits gibt das DSF mit seiner Sendung „Hattrick“ der 2. Liga erstmals in ihrer Geschichte eine richtige TV-Heimat. Der Wettbewerb rückt deutlicher mehr in den medialen Vordergrund. Häufig als Experte dabei: Kulttrainer Peter Neururer. Am 18. Oktober 1993 fällt der Startschuss. Der Sender überträgt die Partie FC St. Pauli gegen den VfL Bochum.

Wimbledon-Finale mit Steffi Graf

Das sind noch goldene Zeiten, als es den Tennisklassiker aus London live im frei empfangbaren TV zu sehen gibt. 1999 – und damit im Jahr ihres Rücktritts – steht die Brühlerin Steffi Graf noch einmal im Finale gegen Lindsay Davenport. Siebenmal hat Graf bis zu diesem Zeitpunkt schon an der Church Road den Titel geholt, ein achter Triumph bleibt ihr versagt.

Für das DSF ist das Finale dennoch ein Erfolg. Bis zu 3,9 Millionen Zuschauer verfolgen das Match, der Marktanteil von 26,2 Prozent bedeutet einen neuen Rekordwert seit Sendestart.

Für Barbara Schöneberger war ihre Tennissendung ein Sprungbrett. Boris Beckers TV-Format floppte. © imago

Boris Beckers Reinfall

Wie sich später herausstellt, muss Boris Becker in seinem Leben abseits des Tennisfeldes noch schlimmere Niederlagen hinnehmen als mit seiner Talkshow „Eins gegen eins“. Der Leimener begrüßt in der Sendung Topsportler und Prominente. Erster Gast ist am 27. April 2005 Fußballtrainer Ottmar Hitzfeld. Es folgen Ausgaben mit Anni Friesinger, Franz Beckenbauer, Rudi Völler und Günter Netzer.

„Eins gegen eins – das ist die klassische Match-Situation, da gibt es kein Entkommen, keine Ausflüchte“, lautet Beckers forsche Ankündigung. Seinem eigenen Anspruch wird er aber selten gerecht. So hat Gerd Niebaum, umstrittener Ex-Präsident von Borussia Dortmund, wenig Mühe, Beckers Fragen zur Finanzmisere des Fußball-Bundesligisten zu entkommen.

Mangels Interesse wird die Sendung eingestellt. Im Durchschnitt sehen 150 000 Zuschauer das Talkformat – und damit 200 000 weniger als angepeilt.

Schönebergers Sprungbrett

Na, Hand aufs Herz: Wer hätte das noch gewusst? Barbara Schöneberger startet 1999 ihre erfolgreiche TV-Karriere beim DSF. Schon als Tennisreporterin und Moderatorin des Magazins „Tie-Break“ hat es die kesse Blondine faustdick hinter den Ohren.

Eines Tages macht sie sich auf den Weg in das Trainingszentrum in Oberhaching. Dort interviewt Schöneberger den damals noch sehr jungen Philipp Kohlschreiber, der anschließend eine große Karriere hinlegt. Wie Schöneberger übrigens auch. Nur eben nicht mehr im Sportjournalismus.

Im Juni 2016 werden die Rhein-Neckar Löwen erstmals deutscher Handball-Meister. Sport 1 überträgt live aus Lübbecke. © dpa

Fußball-Stammtisch

Männer und Frauen sitzen in lockerer Runde, sie plaudern am Sonntagmorgen über Fußball. Zum Abschluss gibt es ein frisch gezapftes Pils. Wobei man hin und wieder der Meinung sein könnte, dass da manch ein Gast schon vor der Sendung an dem Gerstensaft genippt hat. Und zwar explizit nicht an der alkoholfreien Variante. Wie auch immer: Das Format funktioniert. Seit dem 3. September 1995 geht der „Doppelpass“ fast jeden Sonntag auf Sendung. Mit einer Million Zuschauer im Schnitt.

Knapp drei Jahre nach dem Start taucht erstmals das Phrasenschwein in der Stammtischrunde auf. Die Aufforderung an alle lautet: keine Phrasen mehr, sondern Klartext. Damals müssen die Gäste noch fünf D-Mark pro Phrase bezahlen, jetzt sind es drei Euro. Und wer hat bislang am meisten gelöhnt? Man weiß es nicht. Ex-Nationalspieler Mario Basler wäre aber sicherlich ein ganz heißer Tipp.

Im April wird DSF-Experte Udo Lattek noch einmal Trainer und übernimmt Borussia Dortmund. Beim BVB trägt er die Kappe mit dem Schriftzug des Senders. © Udo Baumann/IMAGO

Der polarisierende Pfälzer muss sich allerdings auch häufig etwas anhören. Zum Beispiel vom damaligen Hertha-Manager Dieter Hoeneß: „Mario hat wirklich einen fantastischen Spannstoß gehabt. Wenn sein Gehirn genauso entwickelt wäre wie sein rechter Fuß, dann wäre das großartig.“

Übrigens: Das erste Phrasenschwein ist blau, es stammt aus dem Supermarkt. Für gerade einmal 1,99 D-Mark.

Verhängnisvoller Auftritt

Am 18. August 2002 sitzt Robert Wieschemann im „Doppelpass“ und der Aufsichtsratsvorsitzende des Bundesligisten 1. FC Kaiserslautern schreibt mit seinem legendären Auftritt unfreiwillig Fernsehgeschichte. Der damalige Moderator Rudi Brückner erinnert sich: „Die Lauterer steckten in der Krise, von den Verantwortlichen war keiner außer Wieschemann bereit, etwas zu sagen. In der Sendung hat er dann so gestammelt, dass die Leute im Publikum begonnen haben, sich über ihn lustig zu machen.“

Wieschemanns verhängnisvollster aller Sätze: „Wir alle haben ein Defizit an Durchblick.“ Im Nachhinein erklärt er seinen Auftritt mit gesundheitlichen Problemen. Doch das hilft alles nichts mehr. Wenige Tage später tritt er bei den Pfälzern zurück.

Kokain und Greenkeeper

Im Oktober 2000 ruft Uli Hoeneß, damals Manager des FC Bayern, live im „Doppelpass“ an und mischt sich vehement in die Kokain-Debatte um Christoph Daum ein. Er selbst hatte die Diskussion mit einem Interview ins Rollen gebracht („Wenn das stimmt, was da kolportiert wird, das mit dem verschnupften Daum …“). An diesem Tag diskutiert die Runde über den Bundestrainerposten, den Daum 2001 übernehmen soll. Hoeneß sitzt zu Hause am Tegernsee, verfolgt die Debatte vor dem Bildschirm und lässt sich völlig aufgebracht in die Livesendung durchstellen: „Es kann nicht sein, dass die Diskussion zu der Quintessenz kommt, dass es kein Problem ist, wenn ein Bundestrainer drogenabhängig ist. Wenn diese Meinung in diesem Land vorherrscht, will ich damit nichts mehr zu tun haben.“

Häufiger ist Hoeneß aber auch leibhaftig zu Gast und nicht nur telefonisch zugeschaltet. Im November 2002 platzt ihm der Kragen, weil Lothar Matthäus den FC Bayern immer wieder kritisiert. Hoeneß poltert: „So lange ich und der Kalle Rummenigge etwas zu sagen haben, wird der nicht mal Greenkeeper im neuen Stadion.“ Bis jetzt stimmt das. Rummenigge und er haben allerdings nichts mehr zu sagen.

Live bei den Löwen-Titeln dabei

Als sich das DSF 2002 die Rechte an der Handball-Bundesliga (HBL) sichert, ist Stefan Kretzschmar noch Spieler. Nach seiner aktiven Laufbahn wird die deutsche Handball-Ikone dann TV-Experte und ist bei mehr als 400 Partien dabei. Bis 2017 zeigt der Sender mehr als 600 HBL-Spiele, überträgt also auch die deutschen Meisterschaften der Rhein-Neckar Löwen in den Jahren 2016 und 2017. Der EM-Triumph der deutschen Handball-Männer 2004 in Slowenien wird ebenfalls vom Spartensender aus München gezeigt.

Udo Latteks Kopfbedeckung

Kultfigur Udo Lattek hat seine Trainerkarriere eigentlich schon lange beendet und ist nur noch Fußballexperte beim DSF. Im April 2000 setzt er sich aber noch einmal auf die Bank und rettet Borussia Dortmund vor dem Abstieg.

Unvergessen: Der Sender „leiht“ seinen Experten nur unter einer Bedingung an den BVB aus: Lattek trägt auf der Trainerbank eine Kappe mit DSF-Aufschrift. Gesagt, getan. Auf seiner Kopfbedeckung steht der Slogan: „Mittendrin statt nur dabei.“ Was ja auch irgendwie stimmt.

Redaktion Handball-Reporter, Rhein-Neckar Löwen und Nationalmannschaft

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