Bundesliga-Serie, Teil 1

Darmstadt 98: Der Aufsteiger mit Ansage

2015 war Darmstadt 98 schon einmal der Erstliga-Aufstieg geglückt. Damals noch mit Stehplatztribünen auf Kriegsschutt und muffigen Kabinen. Heute ist vieles anders bei den Lilien, die den Auftakt zur Bundesliga-Serie machen.

Von 
Claudio Palmieri
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Darmstadts Trainer Torsten Lieberknecht stieg einst schon mit Eintracht Braunschweig in die Bundesliga auf. © Uwe Anspach/dpa

Darmstadt. Darmstadt 98 ist zurück in der Bundesliga – und will sich dort wenig überraschend auch halten. Die Chancen stehen gut: Seit dem Abstieg 2017 haben sich die Südhessen auf vielen Ebenen professionalisiert. Das umgebaute Stadion am Böllenfalltor wird manch ein Erstligist nicht mehr wiedererkennen. Die Fußball-Romantik soll aber – auch dank Lilien-Trainer Torsten Lieberknecht – nicht zu kurz kommen.

Wie sauber ist das Böllenfalltor-Stadion?

Niemand, der am 24. Mai 2015 in den engen, dunklen Kabinengängen des alten „Bölle“ neben Rüdiger Fritsch stand, wird diesen Satz je vergessen. „Wenn Pep Guardiola kommt, werden wir noch mal kurz durchwischen“, hielt Darmstadts Präsident mit kaputter Brille und biernassem Jackett fest. Der sensationelle Durchmarsch der Südhessen von der 3. Liga ins deutsche Fußball-Oberhaus war da erst wenige Minuten alt.

Auch ein regionaler Radiosender schickte Grüße nach München – mit einem Foto aus der alten Kabine. Kurz vor dem ersten Bundesliga-Heimspiel trafen sich dann knapp 40 Freiwillige zum Unkrautjäten im alten Stadion. Lang, lang ist’s her: Seit 2018 wurden die auf Kriegsschutt errichteten Stehplatztribünen nach und nach ersetzt, Ende 2022 dann die neue Haupttribüne eingeweiht. Kurzum: Das 17 810 Zuschauer fassende „Bölle“ ist in der Neuzeit angekommen. Wo bleibt Pep?

Wird Torsten Lieberknecht weiter in der Innenstadt abhängen?

Davon ist auszugehen. Der charismatische Pfälzer ist bekannt dafür, dass er gerne mal in Cafés anzutreffen ist. Selfie-Wünsche erfüllt der 49-Jährige mit demselben Selbstverständnis von Fannähe, das er im April im Interview mit der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ manifestierte: „Die Fans haben das Recht, mit uns in Kontakt zu kommen, weil wir als Trainer und Spieler in ihrem Verein erst mal Gast sind.“

Auch vor dem für den Bundesliga-Aufstieg entscheidenden Spiel gegen den 1. FC Magdeburg verbarrikadierte sich Lieberknecht nicht im Elfenbeinturm, sondern suchte bewusst die Begegnung. „Ich wollte einfach mal fühlen, wie die Leute drauf sind“, erklärte er – und riet seinen Spielern, es ihm gleichzutun. Schwer vorstellbar, dass der einstige Zimmergefährte von Jürgen Klopp diese Energiequelle einfach stilllegen wird.

Darmstadt in Liga eins – der HSV, in Liga zwei: Ist das nicht unfair?

Wie reagierte einst die Münchner Fußball-Ikone Paul Breitner auf die Kritik an der anhaltenden Dominanz des FC Bayern: „Wir können für die Unfähigkeit der anderen Clubs doch nichts.“ Damit wäre im Grunde alles gesagt. Wenn da nicht noch die Tatsache ist, dass die Lilien seit Lieberknechts Anheuern in Darmstadt im Sommer 2021 einen durchaus gepflegten, taktisch variablen Fußball zeigen.

Schon im ersten Lieberknecht-Jahr verpassten die Südhessen nur aufgrund der schlechteren Tordifferenz die Relegation. Sicher ist aber, dass jetzt im Oberhaus andere Qualitäten wieder mehr gefordert sind. Vom Kampffußball wie einst unter Dirk Schuster hat sich Darmstadt aber ohnehin emanzipiert. Kurz: Dieser Aufstieg kam – anders als 2015 – mit Ansage.

Wird Darmstadt einen neuen Sandro Wagner hervorbringen?

Viele vergessen es, aber der Stern des späteren Nationalspielers ging erst im Alter von 28 Jahren in Südhessen auf. Mit 14 Saisontoren hatte der heutige Trainer und TV-Experte einen großen Anteil am Klassenerhalt. Ein Nachfolger ist nicht in Sicht: Phillip Tietz – mit zwölf Treffern Darmstadts bester Torschütze 2022/23 – zog es zum FC Augsburg.

Michael Weilguny oder Klaus Gjasula: Wer behält recht?

Im „Kicker“ reihte sich zuletzt Floskel an Floskel. „Auch wenn es uns keiner zutraut: Wir kommen, um zu bleiben“, so Lilien-Geschäftsführer Weilguny. Routinier Gjasula rief in Erinnerung: „Der Klassenerhalt ist eine Mammutaufgabe.“ Das schreit geradezu nach einem Fazit frei nach Otto Rehhagel: Die Wahrheit liegt auf dem Platz.

Die Zu- und Abgänge

Zugänge: Fraser Hornby (Stade Reims, Ablöse unbekannt), Matej Maglica (VfB Stuttgart, Leihe), Christoph Klarer (Fortuna Düsseldorf, 2 Millionen Euro), Andreas Müller (1. FC Magdeburg, ablösefrei), Fabian Nürnberger (1. FC Nürnberg, ablösefrei), Morten Behrens (Waldhof Mannheim, Leih-Ende), Antonis Makatounakis (OFI Kreta, Leih-Ende).

Abgänge: Yassin Ben Balla (SV Sandhausen, ablösefrei), Keanan Bennetts (SV Wehen Wiesbaden, ablösefrei), Patric Pfeiffer (FC Augsburg, ablösefrei), Philipp Sonn (Wormatia Worms, ablösefrei), Philipp Tietz (FC Augsburg, 2,2 Millionen Euro), Magnus Warming (FC Turin, Leih-Ende).

Freier Autor Geboren in Viernheim, aufgewachsen in Bürstadt. Freier Mitarbeiter seit 2009

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