Mannheim. Seine Wut war ihm nicht anzusehen. Man hörte sie bei Patrick Groetzki auch keinesfalls heraus. Im Gegenteil: Der Kapitän der Rhein-Neckar Löwen wirkte nach der 35:36-Niederlage gegen die TSV Hannover-Burgdorf eher aufgeräumt und gefasst. Doch tief in seinem Innersten sah es ganz anders aus, wie der Rechtsaußen verriet. „Ich war in der Halbzeit stinksauer. Und ich bin es jetzt immer noch“, sagte Groetzki, der seine Worte ruhig und unaufgeregt aussprach, was ihre Bedeutung noch verstärkte. Denn es macht einen Unterschied, ob jemand aus der Emotion heraus einmal über das Ziel hinausschießt – oder ob jemand ganz bewusst Klartext redet. So wie Groetzki am Donnerstabend.
„Wir treten nicht als Mannschaft auf“
Gegen die Niedersachsen war bis zum 14:15-Rückstand (23.) eigentlich alles in Ordnung, ehe sich die Mannheimer mit einem selbst verschuldeten 0:5-Lauf selbst aus dem Spiel nahmen. Die Löwen reihten Ballverluste und technische Fehler in Serie aneinander. Und als das badische Katastrophenkarussell richtig Fahrt aufgenommen hatte, waren einmal mehr Jon Lindenchrone und Gustav Davidsson mittendrin. Es hat eben auch seine Gründe, dass beide im Sommer den Verein verlassen müssen.
Groetzki wiederum missfiel das große Ganze. Anlass seiner Kritik war zwar einerseits, was sein Team leistete – vor allem aber auch, was es in diesen Minuten ausstrahlte: „Wir zeigen eine schlechte Körpersprache, treten nicht als Mannschaft auf. Das war der Tiefpunkt.“ Und mit Blick auf die 21 Gegentore vor dem Seitenwechsel legte er schonungslos nach: „Die Räume sind riesig. Wir helfen uns schlecht. Es gehört aber dazu, dass man füreinander da ist.“ Das habe seine Mannschaft aber Ende des ersten Durchgangs „sehr, sehr vermissen lassen“.
In der Tat spielten die Löwen Handball, als sei das eine Individualsportart ohne Körperkontakt. So wie Bogenschießen. Gepaart mit einem ganzen Katalog an Unzulänglichkeiten, die Groetzki klar ansprach. Er suchte die Fehler bei den Löwen – anders als etwa Hallensprecher Kevin Gerwin, der zum wiederholten Male für jeden gut hörbar in Richtung der Schiedsrichter pöbelte.
Praktisch mit dem Pausenpfiff verkürzte Juri Knorr noch auf 16:21 für die Badener, um sich dann noch auf dem Feld Mitspieler Steven Plucnar zur Brust zu nehmen und ihn für jeden sichtbar zusammenzufalten. Nun wäre es zweifelsohne nicht nur übertrieben, sondern falsch, daraus grundsätzliche Rückschlüsse hinsichtlich des Binnenklimas zu ziehen. Solch eine Szene hat aber eben auch eine gewisse Außenwirkung. Und zur Wahrheit gehört ebenfalls, dass zuletzt beim Heimspiel gegen Frisch Auf Göppingen auch schon David Späth und Jon Lindenchrone aneinandergeraten waren.
„So etwas sehe ich nicht gerne da draußen“, bezog Groetzki auch dazu klar Stellung: „Wir können uns hier in der Kabine die Meinung sagen, das gehört dazu – und das finde ich sehr wichtig. Aber sobald wir hier die Halle betreten, sollten wir als Mannschaft auftreten. Und da gehört sowas nicht dazu.“
Knorr erschrocken über sich selbst
Der stets reflektierte Knorr wusste das natürlich selbst, weshalb er sich noch in der Halbzeitpause bei seinem Mitspieler entschuldigte. „Das darf mir natürlich nicht passieren. Die Emotionen sind mit mir durchgegangen, das war so ein bisschen sinnbildlich für unsere Situation. Es tut mir einfach leid“, versicherte der Mittelmann, der ein wenig erschrocken über sich selbst wirkte: „Ich habe ein schlechtes Bild abgegeben.“
Dass sich die Löwen wiederum von einem zwischenzeitlichen Sechs-Tore-Rückstand erholten und in der zweiten Halbzeit drauf und dran waren, die Partie gegen die durch zwei Rote Karten dezimierten Hannoveraner (Rot für Marian Michalczik/11. und Lukas Stutzke/41.) noch zu drehen, spricht wiederum für sie. Ausgerechnet der ansonsten gute Knorr verdaddelte aber im letzten Angriff und Sekunden vor dem Abpfiff den Ball, zuvor hatten die Mannheimer zwei Mal nicht das leere Hannoveraner Tor getroffen. Doch sie verloren nicht deshalb das Spiel, sondern wegen der Phase vor dem Seitenwechsel. Bei besagtem 0:5-Lauf kassierten die Löwen allein vier Treffer innerhalb von etwas mehr als zwei Minuten und trotteten als in Gelb gekleidete Strichmännchen über das Feld. Jeweils ausgestattet mit der Ausstrahlung eines Phantoms. „Wir haben als Mannschaft unser Gesicht verloren“, wurde auch Knorr sehr deutlich.
„Nicht akzeptabel, wenn man dieses Trikot trägt“
Groetzki hat „das Gefühl, dass sich manch einer schlicht zu schnell runterziehen lässt, dass man seine eigene Leistung ein bisschen zu viel in den Vordergrund stellt und die Fehler zu leicht bei anderen sucht“. Er sprach die ungefilterte Wahrheit aus, setzte seine Kritik fort – und jeder seiner Zuhörer konnte ihn verstehen. Mal ganz abgesehen davon, dass der Rechtsaußen als Kapitän in der Position ist, derart deutlich zu werden und er als Rekordspieler des Vereins die erfolgreichsten Zeiten des Clubs mit zwei Meisterschaften (2016, 2017), einem Pokalsieg (2018) und einem Erfolg im EHF-Pokal (2013) entscheidend geprägt hat. Er weiß, was es bedeutet, immer ans Maximum zu gehen und dem Teamerfolg alles unterzuordnen. Und das ist auch weiterhin sein Anspruch. Groetzki gnadenlos: „So geht es nicht noch einmal. Das ist nicht akzeptabel, wenn man dieses Trikot trägt – und das macht mich traurig.“
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