Bergstraße. Zuletzt haben Jörg und Cristian Ballweg am vergangenen Wochenende gemeinsam in einem Team gestanden. Ein Zufall. Es herrschte personelle Not im Schiedsrichterlager, so dass Vater (Jörg) und Sohn (Cristian) in einem kurzfristig zusammengestellten Gespann am Start waren. Cristian leitete die Partie der Fußball-Gruppenliga Wiesbaden zwischen Mesopotamien SC Wiesbaden und Germania Weilbach, Jörg assistierte an der Außenlinie. In dieser Konstellation war das eine Premiere für die Ballwegs. "Er ist ein sehr guter Assistent", sagt Cristian (20) über Jörg. "Er hat das sehr gut gemacht", sagt Jörg (50) über Cristian.
Ist es ein merkwürdiges Gefühl, beim Pfeifen jemand aus der Familie an der Seite zu haben? Nein, antworten beide. Während einer laufenden Begegnung habe das keine Bedeutung, erklärt Jörg. "Da denkt man überhaupt nicht dran", ergänzt Cristian. Allzu häufig wird diese Kooperation zukünftig wohl nicht mehr zustande kommen, vermutet Cristian. Etwas Neues war der Auftritt im Familienbund dagegen nicht für die beiden Referees. Vor einigen Jahren waren Jörg und Cristian Ballweg eine Verbandsliga-Spielzeit lang zusammen unterwegs. Damals war Jörg (der für den SV Zwingenberg pfeift und in Zwingenberg wohnt) der Mann auf dem Feld und Cristian (lebt in Bickenbach und pfeift für die dortige SKG) wirkte an der Außenlinie. "Eine schöne Zeit", blickt Jörg zurück.
Während Jörg Ballweg, der bisher über 3500 Fußballspiele geleitet hat, aus Altersgründen inzwischen in der Gruppenliga antritt und sich darüber hinaus im Kreisfußballausschuss engagiert (Ehrenamtsbeauftragter und stellvertretender Jugendleiter), steht Cristian am Anfang seiner Karriere. Der angehende Physiotherapeut bestreitet aktuell seine erste Runde in der Hessenliga, ist in dieser Klasse der jüngste Schiedsrichter. Geht da was Richtung Profiligen? "Ich mache mir keinen Druck", sagt Cristian. Er konzentriert sich auf seine Saison in der Hessenliga, die für ihn nach eigener Einschätzung gut läuft, alles andere lässt er auf sich zukommen. "Man braucht auch ein Quäntchen Glück, um weiterzukommen."
Glück, das Jörg Ballweg einst fehlte. Als Unparteiischer war er in der Oberliga Hessen - zu jener Zeit die dritthöchste Liga in Deutschland - am Start und stand kurz vor dem Sprung in die 2. Bundesliga. Wegen mangelnder Perspektive aus Altersgründen, er war damals 29 Jahre alt, wurde ihm der Weg nach weiter oben allerdings verwehrt. Der Steuerfachangestellte trauert dieser Gelegenheit nicht nach. Er ist stolz darauf, insgesamt über 20 Jahre in Verbands- und Hessenliga aufgeschlagen zu haben.
Außerdem war er als Linienrichter in der Regionalliga bei einigen echten Highlights dabei: SSV Ulm gegen den 1. FC Nürnberg vor 20 000 Zuschauern oder das brisante Münchener Derby zwischen 1860 II und Bayern II. "Das waren besondere Erlebnisse." Dazu zählt auch die Erstrundenpartie im DFB-Pokal 1994 zwischen der SG Egelsbach (damals Regionalliga) und dem 1. FC Kaiserslautern (damals 1. Bundesliga). Cristian Ballweg hat gleichfalls "schon einige schöne Spiele" auf seiner Liste. Bei einer Regionalliga-Heimpartie des SV Waldhof Mannheim vor 8000 Zuschauern assistierte er, ebenso wie beim A-Jugend-Bundesliga-Duell zwischen Bayer Leverkusen und Schalke 04.
Was steht vor einem Schiedsrichterleben? Die aktive Fußballer-Laufbahn. Jörg und Cristian waren Stürmer bei der TSG Darmstadt beziehungsweise beim FC Alsbach. Es sah bei beiden eigentlich ganz gut aus: Jörg kickte in der Jugend-Regionalauswahl Darmstadt, gemeinsam mit dem heutigen HSV-Trainer Bruno Labbadia, und Cristian erzielte für Alsbach viele Tore. Beim Übergang vom Jugend- in den Seniorenbereich mussten sich beide, nachdem zuvor Spielen und Pfeifen parallel gelaufen war, für eine Disziplin entscheiden. Der besseren Karriere-Aussichten wegen fiel die Wahl auf das Schiedsrichterwesen.
Jörg und Christian Ballweg bevorzugen einen kommunikativen Stil beim schiedsrichten, reden viel mit den Spielern. "Wenn man mit den Leuten spricht, kann man viele Situationen entschärfen", berichtet Jörg. Für beide ist das Pfeifen eine Art Lebensschule. "Man lernt, mit Widerstand umzugehen", sagt Cristian Ballweg. "Man lernt, Leute gut einzuschätzen", beschreibt Jörg Ballweg eine weitere positive Erfahrung aus dem Leben eines Unparteiischen.
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