Sportgericht

Rekordverdächtiges Urteil: 11 Fußballer für 88 Spiele gesperrt

Ein harmloser Einwurf, bei dem der Gegner den Ball nicht herausgeben wollte, führte Im Spiel des SV Schwanheim zu Tumulten, einem Spielabbruch - und nun zu einer Sportgerichtsverhandlung, bei der alleine die Beweisaufnahme viereinhalb Stunden dauerte.

Von 
Markus Karrasch
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Bergstraße. Mit rekordverdächtigen 88 Spielen Sperre für insgesamt elf Spieler bestrafte das Bergsträßer Kreissportgericht die Tumulte bei der Partie der Fußball-Kreisliga D-I zwischen dem SV Schwanheim und dem VfR Bürstadt II. Die Partie war am 4. Mai in der 87. Minute abgebrochen worden. Zudem verhängte die Kammer Geldstrafen in jeweils dreistelliger Höhe gegen beide Vereine wegen unsportlichen Verhaltens. Wegen Umfang und Komplexität des Verfahrens – alleine die Beweisaufnahme am Dienstagabend dauerte viereinhalb Stunden – hatte die Kammer unter Vorsitz von Jan Turinski das Urteil schriftlich nachgereicht.

Immerhin in einem Punkt waren sich alle Beteiligten einig. Ausgangspunkt von Schläger-, Schubser- und Tretereien inklusive Verbalbeleidigungen war ein Einwurf für Gastgeber Schwanheim. Als ein Bürstädter den Ball nicht sofort hergab, bildete sich eine Menschentraube, Zuschauer beider Vereine liefen aufs Spielfeld. Es sei eine „unübersichtliche“ Situation gewesen, sagte Bürstadts Spielführer Ferhat Basilgan, und SV-Trainer Wolfgang Jäger bekannte: „Ich habe den Überblick verloren, was ablief.“ Diesen Überblick verschaffte sich das Sportgericht mit Hilfe von fast 20 Aussagen der Vereinsvertreter und Spieler sowie der Stellungnahme des Schiedsrichters, aber auch dank zweier Videos, die ein Teil des Geschehens auf dem Schwanheimer Rasen dokumentierten.

Die Einlassungen der elf Beschuldigten hatten, bis auf wenige Ausnahmen, eines gemein: Fast alle wollten schlichten, nicht schlagen, und wer getroffen wurde, war nicht in Erinnerung geblieben. Die Angaben des Schiedsrichters („Alles, was ich geschrieben habe, habe ich gesehen. Ich bin mir ganz sicher“) bestritten beide Parteien großteils. Der Unparteiische hatte die Nummern von elf Spielern notiert, die sich aus seiner Sicht an dem Tumult aktiv beteiligten. Immerhin ein Bürstädter gab im Laufe der Befragung zu, die Fäuste benutzt zu haben.

20, 30 Sekunden, höchstens eine Minute, sollen die Auseinandersetzungen gedauert haben. Der Unparteiische schickte schließlich beide Mannschaften in die Strafräume. Er habe zu diesem Zeitpunkt noch Hoffnung gehabt, wieder anpfeifen zu können, auch, um die persönlichen Strafen gegen elf Spieler auszusprechen. Dazu kam es aber nicht. Nach weiteren Beleidigungen, ausgehend von VfR-Seite und der Drohung eines Gästespielers (Er soll „Jetzt geht‘s in die zweite Runde“ gesagt haben), brach der Schiedsrichter die Partie ab: „Die Lage war sehr unruhig. Ich habe so etwas zum ersten Mal erlebt und mich nicht wohl gefühlt.“

Das Sportgericht sah die Lage anders, wertete in seinem Urteil den Abbruch als „nicht gerechtfertigt“. Der Schiedsrichter, der nach eigener Aussage nicht körperlich angegriffen wurde, habe nicht alle Möglichkeiten zur Fortsetzung ausgeschöpft. Neu angesetzt werden müsse die Partie allerdings nicht. Denn der VfR Bürstadt II hatte zwei nicht einsatzberechtige Spieler aufgeboten, so dass die Begegnung schon vor der Verhandlung mit 3:0 für Schwanheim gewertet worden war. Dieses Urteil bleibt bestehen – und hat Auswirkungen auf die anstehende Relegation um den freien Platz in der C-Liga Bergstraße.

Der SV Schwanheim bleibt Tabellenzweiter der D-Liga I und hat sich somit für die Aufstiegsspiele qualifiziert. Hätte es einen Punktabzug für den SV gegeben, wäre die FSG Bensheim II zum Zuge gekommen. Die Schwanheimer hatten bereits am Abend der Verhandlung versichert, jedwedes Urteil zu akzeptieren und auf die Einlegung von Rechtsmitteln zu verzichten,

So startet die Relegation wie geplant am Sonntag (1. Juni) mit dem Spiel des FC Starkenburgia Heppenheim II gegen den SV Schwanheim. Anstoß auf dem Sportplatz am Zentgericht ist um 19 Uhr. Die weiteren Termine sind Donnerstag, 5. Juni, und Sonntag, 8. Juni.

Die Verhandlung am Dienstagabend in Bensheim nahm schließlich ein versöhnliches Ende: Der zu 24 Spielen Sperre verurteilte Haupttäter der Bürstädter entschuldigte sich bei den Schwanheimern, die sich ihrerseits beim Schiedsrichter entschuldigten. Und alle bekundeten gegenseitig gesten- und wortreich Respekt voreinander: „Wir sind doch Sportsmänner.“

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