Bensheim. Für Sebastian Breuer war 2021 ein Jahr mit Höhen und Tiefen. Sportlich verlief es für den 32-Jährigen erfolgreich mit den Altersklassen-Siegen bei den Europa- und Deutschen Meisterschaften im Mountainbike Ultra-Marathon (EM) und im MTB-Marathon (DM). Privat erschütterte ihn der Tod eines engen Freundes, den er im Hospiz begleitet hatte. Während dieser Zeit rückte Radsport für Breuer weit in den Hintergrund. „Ich wollte schon hinschmeißen.“
Die Intervention jenes kranken Freundes brachte ihn zurück in den Sattel. „Ich habe ihm versprochen, bei der Europameisterschaft zu starten und zu gewinnen.“ Den EM-Titel in Val D’Aran in den spanischen Pyrenäen sicherte sich der Wahl-Bensheimer nach 213 Kilometern und 6500 Höhenmetern in einer Zeit von 10:38,27 Stunden. Der Vorsprung auf den Zweitplatzierten betrug über 23 Minuten.
Anfang des Jahres sah es nicht danach aus, als könnte Sebastian Breuer sportlich derart durchstarten. Beim Krafttraining fiel ihm eine 15-Kilo-Hantel auf den rechten Fuß. Der Heilungsprozess der Fraktur verzögerte sich und brachte seinen Trainingsplan durcheinander. Trotz des Handicaps schaffte er es noch rechtzeitig, sich in EM-Form zu bringen. Der Sieg bei den vom Europäischen Radsportverband (UEC) ausgerichteten kontinentalen Meisterschaften war sein großes Ziel, darauf hatte er sich bei allen Schwierigkeiten und emotionalen Tälern akribisch vorbereitet.
Zwei Wochen vor dem Rennen wurde Breuer, der bereits bei mehreren MTB-Ultra-Marathon-Weltmeisterschaften für Deutschland im Einsatz war, vom Bund Deutscher Radfahrer aus dem EM-Kader gestrichen. „Ohne Angaben von Gründen.“ Eine Wildcard des Veranstalters ermöglichte ihm dennoch den Start. Ohne logistische und finanzielle Unterstützung durch den Verband machte er sich als Einzelkämpfer im eigenen Auto auf den Weg nach Spanien und holte in der Master-Klasse (30 bis 34 Jahre) die Goldmedaille. „Ich bin es gewohnt, als One-Man-Show unterwegs zu sein.“
Die Zeiten der One-Man-Show sind für Sebastian Breuer jedoch vorerst vorbei. Seine nationalen und internationalen Erfolge haben das Interesse von Sponsoren geweckt. Zukünftig wird er vom Fahrradhersteller Rose unterstützt. Teil der Kooperation mit der Firma aus Bocholt ist eine Neuausrichtung der sportlichen Schwerpunkte. Zukünftig wird er überwiegend bei sogenannten Backpacking-Rennen aufschlagen. Bei diesen mehrtägigen Formaten sind die Sportler teils auf vorgegebenen, teils auf selbstgewählten Routen unterwegs und müssen sich selbst versorgen. Zwei dieser Touren hat der Mountainbiker im Terminplan für 2022 stehen: Transcontinental Race und Badlands.
Das Transcontinental Race geht in diesem Jahr über circa 4500 Kilometer vom belgischen Geraardsbergen bis nach Burgas an die bulgarische Schwarzmeerküste. Der Start erfolgt am 24. Juli. Rund eine Woche hat Breuer für die Strecke veranschlagt. Die Badlands führen über 750 Kilometer durch den heißen Süden Spaniens. Pässe der Sierra Nevada müssen erklommen, die Gorafe-Wüste durchquert werden. Ein etwa dreitägiges Radabenteuer, dem er entgegenfiebert. „Ich freue mich sehr darauf.“
Ultralange Distanzen mit ausgiebigen Kletterpassagen kommen den körperlichen Voraussetzungen (1,94 Meter, 72 Kilogramm) und sportlichen Fähigkeiten Breuers entgegen. „Ich bin ein Diesel auf dem Rad, je länger desto besser.“ eh
Zur Person
Sebastian Breuer stammt aus Kassel und ist in Krefeld aufgewachsen. Er arbeitet als Produktmanager bei einem E-Bike-Hersteller in Heidelberg.
Zweites berufliches Standbein ist eine Kaffeerösterei, die er gemeinsam mit seiner Freundin Christina betreibt: Lena’s Coffee Brand.
Breuer mischt für seine Produkte Robusta- und Arabica-Kaffee, wobei der höhere Robusta-Anteil zu einer besonderen Crema führt. Die Kaffeesorten können online bestellt oder bei Edeka Jakobi in Bensheim erworben werden. eh
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