Persönlich

Der Champion hat den Krebs besiegt

Der für den TTC Heppenheim spielende Lindenfelser Jan Reinig ist nach einer Tumorerkrankung Deutscher Meister im Para-Tischtennis

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dj/ü
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Jan Reinig aus Lindenfels hat nach überwundener Krebserkrankung ein erfolgreiches Comeback im Tischtennis-Sport geschafft, hat einen Titel und weitere Medaillen bei den deutschen Para-Meisterschaften geholt. © Jährling

Heppenheim. Jan Reinig, Tischtennisspieler des TTC Heppenheim, ist Deutscher Meister im Para-Tischtennis in der Wettkampfklasse 9. Bei den deutschen Einzelmeisterschaften in Düsseldorf sicherte er sich den Titel. „Dass er seiner Favoritenrolle gerecht wurde, zeigt unter anderem der deutliche 3:0-Sieg im Finale gegen Jannik Schneider vom BSA SV Hoffeld. Insgesamt gab Jan keinen Satz im gesamten Turnierverlauf ab“, schreibt der TTC in einer Würdigung des Erfolges.

Zur Goldmedaille im Einzel kamen noch eine Silbermedaille in der Wettkampfklasse 10 im Doppel und eine Bronzemedaille in der offenen Klasse im Einzel. In der offenen Klasse wurde Reinig erst im Halbfinale vom späteren Sieger Joshua Wagner (BSG St. Ingbert) gestoppt. Gemeinsam mit Mio Wagner (Krummesser SV) erreichte er den zweiten Platz in der WK 10 und machte damit den Medaillensatz voll.

Noch in Arbeitskleidung kommt Jan Reinig zum Interviewtermin in die Sporthalle der Konrad-Adenauer-Schule. Von einem Handicap ist auf den ersten Blick nichts zu sehen. Freundlich grüßt der frisch gebackene Meister und lacht. Man könnte meinen, es handele sich um einen ganz normalen jungen Tischtennisspieler. Umso mehr der 24-Jährige von seiner Tumorerkrankung vor einem Jahr erzählt, desto offensichtlicher wird die Tragweite des Gewinns der Deutschen Meisterschaft, auf den der junge Mann zu Recht stolz sein darf.

Unterstützung durch Arbeitgeber

Gerade zwei Monate hatte Reinig die Weiterbildung zum Maschinenbautechniker hinter sich und bei der „Fahrzeugbau GmbH Gleich“ in Biebesheim begonnen zu arbeiten, als im September 2020 der Befund einer Tumorerkrankung in der rechten Wade kam. Sorgen um einen eventuellen Jobverlust? „Ich war noch in der Probezeit. Sie hätten mich einfach kündigen können“, sagte Reinig. Stattdessen sagte ihm die Firma ihre Unterstützung zu. „Du hast jetzt andere Sorgen. Komme wieder, wenn Du wieder auf den Beinen bist“, habe es geheißen, wofür Reinig sehr dankbar ist.

Über Tischtennis brauchte er sich erst einmal keine Gedanken mehr machen. „Es ging sofort los mit Untersuchungen, Operationen, Chemotherapie und Bestrahlung“, sagte Reinig, der bis dahin beim TTV Weinheim in der Badenliga aufschlug. Schon mit sechs Jahren hatte der Lindenfelser aus dem Ortsteil Schlierbach beim TSV Lindenfels mit dem Tischtennis begonnen.

Und nach den Operationen? „Zum Glück habe ich zu diesem Zeitpunkt noch zu Hause gewohnt und von meiner Familie viel Unterstützung bekommen“, blickt Reinig zurück. Denn durch die Chemotherapie war er körperlich so geschwächt, dass er Mühe hatte, in sein Zimmer im ersten Stock zu kommen. Hinzu kam die Corona-Pandemie. „Ich musste sehr aufpassen, dass ich mich mit dem Virus nicht infiziere“, sagt Reinig. Einzige Kommunikationsmöglichkeit mit Freunden waren Internet und Telefon.

Wie hat sich die Erkrankung bemerkbar gemacht? Der damals 22-Jährige bekam plötzlich Schmerzen im rechten Bein beim Laufen und konnte nicht mehr schlafen. Als er einen Knoten bemerkte, ging er zum Arzt. Auf den Tag genau ein Jahr später, im September 2021, hat er die medizinischen Maßnahmen überstanden. Der 7. September wird sich deshalb bei ihm im Gedächtnis einbrennen.

Ein Drittel des Wadenbeines und die Nerven vom Fußheber wurden entfernt, was zur Folge hatte, dass er seinen rechten Fuß zwar senken, aber nicht mehr anheben konnte. Außerdem hat er in der Fußsohle kaum noch Gefühl und der Fußrücken ist taub. Auch das linke Bein ist vernarbt. Hier wurde ihm aus dem Unterschenkel ein Hautnerv entnommen und im rechten Unterschenkel in der Hoffnung implantiert, dass dieser das Gefühl im Fuß wieder zurückbringen könnte. Bisher hat sich jedoch nichts getan. Reinig trägt seitdem eine Orthese, die Gelenke, Muskeln oder Knochen entlasten, stabilisieren oder richtigstellen soll.

„Kurze Zeit habe ich überlegt, mit dem Tischtennisspielen aufzuhören“, sagt der Schlierbacher, der mittlerweile in Mörlenbach wohnt. Zum Glück fing er aber im November 2021 wieder bei seinem alten Verein in Weinheim an. „Bei Null“, wie er sagt.

Trainer ist geschockt

Von Benedikt Müller erfuhr er, dass Torsten Elbert beim TTC Heppenheim unter anderem für den Parasport zuständig ist. „Da ich im Kreisvorstand aktiv bin, kenne ich Jan schon von klein auf. Kinder mit so einem Talent merkt man sich“, sagt Elbert. Als der Tischtennisspieler aber abgemagert mit schwarzem Mundschutz und Mütze auf dem Kopf in der Heppenheimer Halle saß, erkannte er ihn erst mal nicht. „Klar, war ich erst einmal geschockt, als ich von seiner Krebsbehandlung erfuhr“, sagt Elbert. Mittlerweile hat sich Reinig sichtlich von den Strapazen der Krebstherapie erholt, holte auch den Sieg bei der Hessenmeisterschaft und gehört zum Nationalkader-Nachwuchs im Parasport. dj/ü

Neue Aufgabe für Torsten Elbert

Während das Talent Jan Reinig kürzlich in Düsseldorf um DM-Gold kämpfte, ließ sich sein Trainer Torsten Elbert vom TTC Heppenheim als Klassifizierer für den Behindertensport ausbilden. Er stuft die Tischtennisspieler mit Behinderung in die Wettkampfklassen ein. Beim TTC sind dies zurzeit acht Spieler mit Teilparesen oder Behinderung nach Krebserkrankung.

Schon mit einer zwanzigprozentigen Behinderung darf man im Para-Tischtennis aufschlagen. Elbert würde sich über mehr Menschen mit Behinderung freuen, die den Weg in die Sporthalle der Konrad-Adenauer-Schule finden. dj/ü

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