Bergstraße. Ein Rind rennt durch den Sand, hinter ihm ein schwarz-braunes Pferd mit Reiter: keine Szene aus einem Western, sondern für Lilli Jäger aus Fürth-Krumbach Turnieralltag. Denn die 14-Jährige tritt in der Reitsportdisziplin „Working Equitation“ an.
Lilli ist auf dem Pferderücken aufgewachsen, ihrer Mutter Tina Jäger gehört der Lusitanohof in Krumbach. Da scheint es wenig abwegig, dass die Tochter bereits im Alter von zwei Jahren zum ersten Mal im Sattel saß. „Ich liebe einfach Pferde und die Arbeit mit ihnen“, sagt Lilli. Seit drei Jahren reitet sie ihren erfahrenen Hengst Primoroso: „Den habe ich Mama gestibitzt“, fügt sie grinsend hinzu.
Mama Tina ist "megastolz auf die Leistung" ihrer Tochter
Nachdem sie im vergangenen Jahr bei der Jugend-Europameisterschaft angetreten war, erreichte sie nun bei der Deutschen Meisterschaft 2023 den zweiten Platz unter den „Jungen Reitern“. Dabei startetet sie in der zweithöchsten Leistungskategorie M, in der normalerweise Reiter zwischen 19 und 21 Jahren antreten. Und so verwundert es auch nicht, dass Lilli seit 2021 Teil des deutschen Jugendnationalkaders in der „Working Equitation“ ist. „Ich bin megastolz, das ist schon eine Leistung – aber auch viel Arbeit, Zeit und Disziplin“, sagt Mama Tina.
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Hinter der Bezeichnung „Working Equitation“ verberge sich eine vierteilige Reitdisziplin, inspiriert von der südeuropäischen Arbeitsreitweise, erklärt Tina Jäger, die selbst ebenfalls in der „Working Equitation“ antritt.
Vielseitigkeit ist gefragt
Zunächst müssen die Reiter dabei eine gewöhnliche Dressurprüfung absolvieren, danach folgt der sogenannte Trail – eine Art Hindernisparcours, bei dem es zum Beispiel einen Wassergraben zu überqueren oder ein Gatter zu öffnen gilt. Dieser Parcours muss zweimal absolviert werden – erst wird die Geschwindigkeit bewertet, anschließend der Stil. Zum Abschluss wartet dann die Rinderprüfung: Dabei gilt es, ein Tier aus der Herde heraus in ein Gatter zu treiben. Reiter können bei allen vier Disziplinen Punkte sammeln. Wer die meisten Zähler einheimst, gewinnt.
„Das Pferd muss einem wirklich vertrauen, besonders auf dem Trail und bei den Rindern. Sie müssen ihre Angst überwinden“, erklärt Lilli. Die größte Herausforderung: der Stiltrail. „Da muss alles auf den Punkt sein. Das ist eine Dressurprüfung mit Hindernissen.“
Da helfe es auch nicht, die jüngste Reiterin zu sein, die in der nächsthöheren Leistungsklasse antritt. „Ich habe das Gefühl, die Augen sind auf einen gerichtet, wenn man als jüngster Teilnehmer des Turniers angesagt wird“, erzählt sie. Ihr Alter sei im Miteinander mit den anderen Reitern derweil kein Problem – es sei lediglich in manchen Fällen schwierig, überhaupt für die Turnierteilnahme in der höheren Leistungsklasse zugelassen zu werden. Bei der Europameisterschaft 2022 in den Niederlanden habe sie nur deswegen starten dürfen, weil sie kurz darauf 14 Jahre alt geworden sei.
„Im Gedächtnis bleiben natürlich die Turniererfolge“, sagt Lilli. Ein besonderer Moment sei der Münsterlandcup gewesen, bei dem sie mit zwölf Jahren angetreten sei. Der habe einen besonders schweren Trailparcours gehabt, den knapp die Hälfte der Reiter nicht absolvieren konnten. „Ich habe den zweiten Platz belegt, worauf ich sehr stolz bin“, erzählt sie. Besonders bitter war jedoch der folgende Speedtrail, bei dem ihr ein Fehler nicht aufgefallen sei, weswegen sie aus der Runde ausschied.
Auch 2024 bei der Jugend-DM und -EM antreten als Ziel
Ganz nebenbei geht Lilli noch zur Schule, gibt in ihrer Freizeit Reitstunden, hilft auf dem Hof – und trainiert natürlich. Nach ihrem Abschluss möchte sie einen Beruf erlernen, bei dem sie mit Kindern arbeiten kann – und irgendwann den Hof übernehmen.
Zunächst will sie aber auch 2024 bei der Jugend-DM und -EM antreten. Und bei der Weltmeisterschaft, sollte es, anders als in diesem Jahr, dann ein volles Team geben.
Der 17-jährige Primoroso wird sie auf diesem Weg noch ein bisschen begleiten, ehe er in den wohlverdienten Pferderuhestand gehen darf. Gerade ist Lilli schon dabei, zwei weitere Pferde als Nachfolger zu trainieren. Einen von ihnen möchte sie im kommenden Jahr bei einem Turnier vorstellen. mk/ü
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