Fußball

„Wir sind extrem traurig“: DFB-Elf scheitert an Spanien

Mikel Merinos Tor in der 119. Minute sorgt ganz spät für unglückliche 1:2-Niederlage der deutschen Auswahl im EM-Viertelfinale. Bundestrainer Nagelsmann suchte aber schnell wieder das Positive

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Alexander Müller
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Spaniens Dani Olmo (vorne) jubelt nach seinem Tor zum 1:0 mit Alvaro Morata. Der Profi von RB Leipzig hatte die Iberer in Führung gebracht. © Federico Gambarini/dpa

Stuttgart. Stuttgart. DFB-Sportdirektor Rudi Völler eilte sofort hinunter auf den Rasen, um den am Boden zerstörten deutschen Nationalspielern Trost zu spenden. Das war auch bitter nötig. Antonio Rüdiger lag völlig enttäuscht am Boden, Toni Kroos wirkte nach dem letzten Spiel seiner Karriere wie paralysiert, Bundestrainer Julian Nagelsmann starrte ins Leere.

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Liveblog zur EM: Aus im Viertelfinale - Fußball-Deutschland trauert

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Ein Tor des Spaniers Mikel Merino in der 119. Minute beendete am Freitagabend den deutschen EM-Traum. Nach einem aufopferungsvollen Kampf, in dem das DFB-Team in der Verlängerung nach dem späten Ausgleich durch Florian Wirtz (89.) näher am Sieg schien als die „Furia Roja“, die durch Leipzig-Legionär Dani Olmo (51.) in Führung gegangen war. Mit aufmunternden „Deutschland, Deutschland“-Rufen und Applaus verabschiedeten die deutschen Fans in Stuttgart noch Minuten nach dem Abpfiff ihre Mannschaft, die beim Heim-Turnier mit ihren Auftritten viele Sympathien zurückgewonnen hatte.

„Wir sind extrem traurig. Es war ein Spiel, in das wir alles reingelegt haben, um es nicht zu verlieren. Wir waren sehr nah dran, umso bitterer ist der Ausgang“, sagte Kroos, der trotz des Frusts ein versöhnliches Fazit seines kurzzeitigen DFB-Comebacks zog. „Wir wollten alle gemeinsam ein großes Ziel erreichen, dieser Traum ist leider geplatzt. Auch wenn wir in den nächsten Tagen realisieren werden, dass wir ein gutes Turnier gespielt haben.“

Auch Florian Wirtz (Mitte) und seinem Teamkollegen Joshua Kimmich war die brutale Enttäuschung anzusehen. © Christian Charisius/dpa

Kroos und Joshua Kimmich hielten nach dem K.o. in der Kabine zwei emotionale Ansprachen. „Es sind Tränen geflossen“, berichtete der Bundestrainer, der schwer enttäuscht wirkte. „Heute war es nicht verdient, wir hatten die klareren Chancen, der Schiedsrichter hat auch ein bisschen mehr für den Gegner gepfiffen. In der Verlängerung waren wir dem Sieg näher“, sagte Nagelsmann.

Vor dem Anpfiff wurde die deutsche Nationalhymne so laut gesungen, wie man sie sehr lange nicht mehr gehört hat, die Stimmung in Stuttgart war finalreif. Dann entwickelte sich allerdings eine taktisch geprägte, bisweilen hektische und ruppige Partie, welche die Vorschusslorbeeren im ersten Durchgang nicht einlösen konnte. Wer im Duell der beiden torgefährlichsten Teams im Turnier auf ein Offensivspektakel erhofft hatte, wurde zunächst enttäuscht. Der Klassiker bot Intensität und viel Rasen-Schach - echte Großchancen gab es in den ersten 45 Minuten aber keine.

Die DFB-Elf fand überhaupt nicht gut in dieses Spiel und geriet schnell unter Druck: Pedris Schuss aus 16 Metern hielt Manuel Neuer im Nachfassen (1.). Toni Kroos hätte nach einem rustikalen Einsteigen gegen Pedri früh mit Gelb bestraft werden müssen, kam aber mit viel Glück ohne Karte davon (4.). Der Spanier musste hingegen kurz danach verletzt runter (8.). Erst nach rund 20 Minuten arbeitete sich die deutsche Auswahl langsam in dieses Viertelfinale hinein, neutralisierte das Offensivspiel der Spanier besser und kam über mehr Ballbesitz zu ersten Torannäherungen. Es waren aber Szenen aus der Kategorie Halbchancen, in einem weitgehend ausgeglichenen Spiel stand es zur Pause deshalb folgerichtig 0:0.

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Mit Beginn des zweiten Abschnitts kamen Florian Wirtz (für Leroy Sane) und Robert Andrich (für Can). Nagelsmanns Eingeständnis, dass sein Plan mit Emre Can für Andrich in der Startelf nicht richtig aufgegangen war? „Das hat nicht so gut geklappt. Emre wirkte müde“, gab der Bundestrainer zu.

Nagelsmanns Unmut über Elfmeter-Entscheidung

Beim spanischen 1:0 hatte Jamal zu viel Platz, seinen Pass nach innen verwertete der für RB Leipzig spielende Olmo flach mit rechts zur spanischen Führung (51.). Das Gegentor löste aber einen unerwarteten Effekt aus: Die DFB-Elf erhöhte sofort das Risiko und spielte plötzlich viel energischer auf das gegnerische Tor.

Aus dem kontrollierten Spiel der ersten Halbzeit war längst eine wilde, Angelegenheit geworden - weil Nagelsmanns Team den schnellen Iberern auch Räume zum Kontern gewährte. Mit Niclas Füllkrug im Sturmzentrum besaß das DFB-Team viel mehr Wucht im Strafraum. Und dann das: Wirtz kam auf Zuspiel von Kimmich einmal hinter die spanische Kette, bediente sofort Füllkrug, der - heftig von Nacho am Trikot gezogen - im Fallen nur den Pfosten traf (77.). Mit dem Wechsel von Tah gegen Thomas Müller gab Nagelsmann das Signal für eine bedingungslose Schlussoffensive (80.). Nach einem missratenen Abstoß von Spaniens Torhüter Simon wollte Havertz ins verwaiste Tor lupfen - es fehlten vielleicht zehn Zentimeter (83.). In der 89. Minute fiel der längst überfällige Ausgleich - und die Stuttgarter Arena erzitterte in ihren Grundfesten. Eine Mittelstädt-Flanke legte Kimmich mit dem Kopf zurück auf Wirtz, der mit rechts ins lange Eck traf.

Mit dem Beginn der Verlängerung reduzierte Nagelsmann vernünftigerweise wieder das Risiko und wechselte Verteidiger Waldemar Anton für Stürmer Havertz ein. Das Geschehen auf dem Rasen beruhigte sich, die Spannung blieb immens. Wirtz hatte seinen zweiten Treffer des Abends auf dem Fuß, doch sein Schuss ging hauchzart am linken Pfosten vorbei (105.+1).

Der intensive Abnutzungskampf zweier körperlich taumelnder Teams ging noch 15 Minuten weiter. Ein Musiala-Schuss sprang Marc Cucurella aus kurzer Distanz an den Arm, Schiedsrichter Anthony Taylor entschied auf natürliche Handbewegung und keinen Elfmeter (106.). Das fand Nagelsmann falsch. „Wenn der Ball aufs Tor geht, ist es ein klarer Elfmeter“, meinte der Bundestrainer. Füllkrug hatte noch einmal eine Kopfballchance, die Simon stark parierte (117.). Die Entscheidung fiel kurz danach allerdings auf der anderen Seite, als ein über links vorgetragener Angriff der Spanier vom eingewechselten Merino per Kopf verwandelt wurde (119.) Ein Stich ins deutsche Fußball-Herz. Zumal Füllkrugs letzter Kopfball auch noch daneben ging (120.+3).

Als die erste Enttäuschung verarbeitet war, suchte der Bundestrainer schon wieder das Positive. „Was uns trösten kann, ist, dass wir gemeinsam bei der EM wieder schöne Momente auf Nationalmannschaftsniveau erlebt haben. Wir haben ein Land geweckt, das ein bisschen dazu neigt, in Tristesse zu versinken“, bilanzierte Nagelsmann drei tolle Wochen.

Redaktion Fußball-Reporter: Nationalmannschaft, SV Waldhof, Eintracht Frankfurt, DFB

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