Gladbach. Vierter Platz, 65 Punkte, 66:40 Tore. Mit Trainer Marco Rose qualifizierte sich Borussia Mönchengladbach in der Saison 2019/20 für die Champions League, seitdem ging es stetig bergab. In der vergangenen Saison schrammten die „Fohlen“ mit einem Punkt Vorsprung sogar nur haarscharf an den Relegationsspielen gegen Fortuna Düsseldorf vorbei. Ein Punkt, der skurrilerweise beim 0:0 in Leverkusen geholt wurde. Es war die einzige Bundesliga-Partie, in der der neue deutsche Meister keinen Treffer erzielte und das ausgerechnet gegen die drittschlechteste Defensive der Spielklasse. Abstruser hätte der Gladbacher Klassenerhalt kaum daherkommen können.
Warum ist die Borussia so böse ins Trudeln geraten?
Am Angriff lag es nicht, 56 Treffer bedeuteten die siebtbeste Offensive der Liga. Die Zugänge Robin Hack (zehn Treffer, zwei Tor-Vorlagen) und Franck Honorat (3/11) erwiesen sich als prima Verpflichtungen, doch mit diesen Fakten sind die positiven Punkte dann schon abgehakt. Die Defensive bekam auch Gerardo Seoane als vierter Trainer in den vergangenen fünf Jahren nicht dicht – im Gegenteil. Nach Marco Rose (56 Gegentreffer), Adi Hütter (61) sowie Daniel Farke (55) wurden es unter Seoane 67 – nur Bochum und Darmstadt kassierten mehr. Hinzu kam eine unerklärliche Passivität nach Führungen. In 20 der 34 Spiele lag die Borussia vorne, es sprangen jedoch lediglich sieben Siege heraus. Mit anderen Worten: Gladbach verspielte satte 31 Zähler, seit Einführung der Drei-Punkte-Wertung zur Saison 1995/96 übertrafen dies nur Schalke (1999/00, 34) und Hoffenheim (2010/11, 32).
Wie lange haben die Verantwortlichen Geduld mit Trainer Gerardo Seoane?
Eigentlich hatten viele Experten die Trennung von Seoane erwartet. Doch die Blöße, zum vierten Mal in Folge mit einem neuen Trainer in die Saison zu starten, wollte sich der Verein nicht geben. Zumal der 45-Jährige in der Endphase der vergangenen Saison den Spielern die biedersten handwerklichen Mittel an die Hand geben konnte, um den GAU abzuwenden. Jetzt aber muss Seoane eine schnelle Schubumkehr gelingen. Denn nach Rose (49 Punkte), Hütter (45) und Farke (43) fiel die Ausbeute unter dem Schweizer mit 34 Zählern auf den viertschlechtesten Wert seit 28 Jahren. Er muss nun zeigen, dass er Mittel und Wege kennt, um zumindest eine sorgenfreie Saison im Tabellen-Nirvana absolvieren zu können. Ansonsten droht dem Luzerner schon im Herbst das Aus.
Reichen die bisherigen Zugänge für eine Verbesserung?
Jein. In Kevin Stöger, Tim Kleindienst und Philip Sander konnte der oft zu Unrecht gescholtene Sport-Geschäftsführer Roland Virkus drei – für die Borussia des Jahres 2024 – starke Transfers tätigen. Kleindienst und Stöger haben in Heidenheim bzw. Bochum nicht nur Treffer erzielt und vorbereitet, sondern sich als Führungspersönlichkeiten präsentiert. Hier plagte Gladbach nach den Abgängen von Stindl, Hofmann und Bensebaini ein Vakuum auf und neben dem Platz. Doch stopfen beide natürlich nicht die Löcher in der Defensive, dort benötigen die „Fohlen“ neues Personal. Schließlich wird Elvedi nie ein Lautsprecher sein und Friedrich kein Rennpferd mehr werden. Die Position des linken Verteidigers gilt ohnehin als größte Baustelle im Kader.
Wo lauern eventuelle „Nebenkriegsschauplätze“?
Natürlich muss der Trainer die Entscheidungshoheit besitzen, doch mit einigen Akteuren droht Zoff. So musste Torhüter Moritz Nicolas trotz konstant guter Leistungen seinen Platz zwischen den Pfosten räumen, als Stammkeeper Jonas Omlin qua Kapitäns-Status nach 213 Tagen verletzungsbedingtem Ausfall wieder einsatzfähig war. Christoph Kramer spielt für Seoane nicht ganz nachvollziehbar überhaupt keine Rolle mehr, dem Weltmeister wird eine Vertragsauflösung nahegelegt. Florian Neuhaus wiederum muss sich steigern, Seoane für den im Vorjahr zum Ankerspieler erklärten Mittelfeldakteur allerdings auch eine Rolle finden.
Welches Saisonziel ruft die Borussia aus?
Besser als Platz 14 ist ein Muss. Wie weit es dabei nach oben gehen könnte, lässt sich allerdings erst final beurteilen, wenn der Gladbacher Kader nach Transferschluss am 1. September endgültig steht. Früher wurde Sportdirektor Max Eberl als Tiefstapler kritisiert, weil er das Erreichen eines einstelligen Tabellenplatzes als erfolgreiche Saison bezeichnet hat – nun würden die Galdbacher Fans einen neunten Rang wohl sofort unterschreiben. Vor allem aber wollen sie von den „Fohlen“ endlich wieder Fußball mit Herz und Leidenschaft sehen und kein pomadiges Gekicke.
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