Dortmund/Essen. Ich gebe unumwunden zu. Meine Sympathien für Ralf Rangnick hielten sich bisher in sehr engen Grenzen. Als Taktik-Oberlehrer im ZDF-Sportstudio die Viererkette erklärt, in der ersten Bundesliga-Saison mit der TSG Hoffenheim den Mund nach einer starken Hinrunde arg vollgenommen, mit RB Leipzig ein Kommerzprodukt nach oben geführt, das ein Affront für jeden echten Fußball-Fan ist. Puh.
Das heißt im Umkehrschluss aber nicht, dass ich Rangnick nicht immer für eine absolute Kapazität gehalten hätte. Ein ausgewiesener Fachmann auf dem Gebiet des Fußballs, ein Vordenker, der Weltklasse-Trainer wie Thomas Tuchel beeinflusst hat.
Aber meinen tief empfundenen Respekt hat sich Ralf Rangnick erst mit einem denkwürdigen Interview im österreichischen Fernsehen verdient.
Rund um das Deutschland-Achtelfinale gegen Dänemark war ich in Essen untergebracht. Die Hotels im Spielort Dortmund hatten Mondpreise von 300 Euro und mehr pro Nacht aufgerufen.
Dumm nur, dass sich am Spieltag die Rechtsaußen der AfD zu ihrem Bundesparteitag in Essen trafen. Klingt sehr unangenehm, war auch so. Gesperrte Straßen, eine sehr angespannte Atmosphäre, verletzte Polizisten.
In all der wunderbaren internationalen EM-Euphorie musste ich morgens beim Frühstück durch Gespräche am Nachbartisch erfahren, dass es bei uns leider weiterhin Gestalten gibt, die ein anderes Land wollen. Das nicht mehr weltoffen, gastfreundlich, tolerant und liberal ist. Menschen, die die deutsche Nationalmannschaft ablehnen, weil in ihr dunkelhäutige Spieler und solche mit Migrationshintergrund vertreten sind. Traurig, aber wahr.
Zum Glück sah ich da das TV-Interview mit Ralf Rangnick. Österreichs Erfolgstrainer aus dem schwäbischen Backnang sagte, gefragt nach seiner Einschätzung zum Erstarken der Rechtsextremen in Europa: „Ich glaube, gerade die Geschichte unserer beiden Länder, Österreich und Deutschland, in den letzten 100 Jahren sollte uns Lehre genug sein. Wenn man nach diesen 100 Jahren immer noch nicht verstanden hat, was uns regelmäßig ins Verderben und zu den schlimmsten Verwerfungen geführt hat, die man sich nur vorstellen kann, dem kann man wirklich nicht helfen. Ich bleibe dabei: Gerade auf dem rechten Auge müssen wir sehr wachsam sein und sehr aufpassen.“
Ich war beeindruckt. Danke, Rangnick. Für deine klare Kante. Für deine mutigen und notwendigen Worte. Auf dass künftig noch mehr im Fußball-Business für unsere gemeinsamen Werte und eine offene Demokratie einstehen. Du bist einer von den Guten.
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