EM-Kolumne "Trinkpause"

Das erste Turnier: die Saat der Leidenschaft

Wenn sich das eigene Kind erstmals für ein großes Turnier begeistet, macht das auch etwas mit dem Vater. Jan Zurheide fühlt sich angesichts der EM-Euphorie seines Sohnes nach Schweden zurückversetzt

Von 
Jan Zurheide
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Flankiert von Stürmer Brian Laudrup (l) und Torhüter Peter Schmeichel (r) hebt Abwehrspieler Kim Christofte (M) am 26.06.1992 den eroberten EM-Pokal hoch. Dänemark gewinnt vor 38.000 Zuschauern im Göteborger Ullevi-Stadion das Endspiel der Fußball-Europameisterschaft gegen Weltmeister Deutschland mit 2:0. © Bernd Weissbrod

Mannheim. Ich hab es schon mehrfach gesehen - dieses oft zitierte Leuchten in den Kinderaugen. Bei meinem Sohn etwa beim Kauf eines Lego-Ninjago-Heftes, beim angekündigten Schwimmbadbesuch - und nun auch beim Thema Fußball. Da haben meine Augen direkt zurückgeleuchtet.

Die eigene Leidenschaft auf die Kinder zu übertragen, ist ja so eine Sache. Ich wollte das möglichst wenig forcieren. Und doch ist es so gekommen: Mein Fünfjähriger begeistert sich für Fußball - zumindest während dieser EM-Wochen. Dass Spanien jeden Gegner aus dem Weg räumt, fasziniert ihn. Dass die Deutschen und dann seine nächsten Favoriten, die Schweizer, und dann seine nächsten Favoriten, die Türken, und dann seine nächsten Favoriten, die Niederländer, ausgeschieden sind, ärgerte ihn. Und dass für Spanien ein halbes Kind bei der EM brilliert, beeindruckt ihn.

Gedanken an das Panini-Album von Schweden 1992

Auch wenn die ganz große Leidenschaft mit dem Ausscheiden der deutschen Mannschaft etwas nachgelassen hat: Der Zauber des ersten großen Turniers hat meinen Sohn erfasst. Was mich sogleich ins Schwelgen bringt.

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Die Gedanken reisen 32 Jahre zurück - nach Schweden. Die EM 1992, mein erstes Turnier. Wie bei vielen - übrigens auch bei meinem Sohn - fing alles mit einem Sammelalbum für Fußballsticker an. Früher Panini, heute Topps. Die Kaderlisten der damals nur acht EM-Teilnehmer versetzen mich heute noch auf den blauen Teppichboden meines Kinderzimmers zurück, auf dem ich wieder und wieder dieses Album durchgeblättert habe. Dass Jugoslawien noch als EM-Teilnehmer in dem Heft zu finden war, Dänemark aber nicht, und dass ein Land namens GUS mitspielen durfte, verwirrte mich damals etwas, tat der Faszination aber keinen Abbruch.

Es bleiben die Gefühe dieses ersten großen Turnieres

An die Spiele habe ich weniger klare Erinnerungen, aber so ist das wohl meistens bei den ersten Turnieren. Das Sportliche bleibt eben ein wenig im Hintergrund. Icke Häßlers Traumfreistoß gegen die besagte GUS, das entsetzte Gesicht des Dänen Henrik Andersen beim Anblick seiner gebrochenen Kniescheibe und Dänemarks Sensationssieg gegen Deutschland im Finale kommen mir dann aber doch gleich wieder vor Augen.

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Woran sich mein Sohn in 32 Jahren - also rund um die EM 2056 - erinnern wird, wenn er an sein erstes Turnier zurückdenkt? Schwer zu sagen. Vielleicht an die pinken Trikots, die er liebt. Oder an das Gewitter von Dortmund (wieder was mit einem Dänemark-Spiel) und auch an den kollektiven Jubel im Garten unserer Freunde bei Wirtz’ Ausgleichstreffer gegen Spanien.

Das Gefühl in diesen Wochen des ersten Turniers ist die Saat für eine Leidenschaft, die einen ein Leben lang begleiten kann. Und die dafür sorgt, dass man alle zwei Jahre noch einmal kollektiv in kindliche Begeisterung verfällt. Ich liebe es.

Redaktion Editor der Sportredaktion

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