Einer Versuchung unterliegen

Von 
Markus Bissinger
Lesedauer: 
Die Versuchung Jesu, wie sie volkstümlich betrachtet wurde: Der Satan mit seinen dunklen Flügeln und der gelben Schlange um seinen Körper versucht Jesus Christus zu überlisten – hier mit einem Stein in der Hand, den Jesus zu Brot wandeln soll. Jesus widersteht. Unser Bild zeigt das aus dem 18. Jahrhundert stammende Gemälde auf eine Emporentafel der Evangelischen Kirche in Rimbach. © Markus Bissinger

Unternimmt ein Mensch einen erneuten Versuch, so wird das – auch wenn er bisher an der entsprechenden Aufgabe immer wieder gescheitert ist – von den meisten positiv betrachtet. Unterliegt ein Mensch allerdings einer Versuchung, so wird das als Schwäche bewertet und in der Regel sehr kritisch gesehen. „Ver-suchen“ und „Ver-suchung“ haben dabei dieselbe Wortherkunft. Beide beinhalten das Verb „Suchen“. Die Silbe „Ver“ verweist in Wörtern grundsätzlich darauf, dass sich etwas verändert.

Menschen unterliegen immer wieder Versuchungen, mal werden sie als süß, mal als zart, dann wieder als klein oder mächtig bezeichnet. Die einen werden versucht, die andern unterliegen eigenen Schwächen.

Versuchungen üben grundsätzlich einen Reiz aus. Der Mensch wird dazu verleitet, etwas zu tun, das für ihn zunächst sehr attraktiv erscheint. Der süßen Versuchung erst einmal verfallen, wartet meist ein bitteres Ende: Das Ganze ist langfristig gesehen unzweckmäßig, tut dem Menschen nicht gut, es widerspricht gängigen Normen oder ist gar verboten. Es kommen Reue und Schuldgefühle auf. Man kann das Falsche tun, manchmal liegt die Versuchung auch darin, etwas Wichtiges zu unterlassen.

Christen sehen in der Versuchung den Anreiz, eine Sünde zu begehen, also das Anliegen Gottes nicht zu beachten. Die Bibel bringt die Versuchung grundsätzlich mit dem Bösen in Verbindung. Adam und Eva unterliegen der Versuchung im Paradies, Ijob der des Teufels. Jesus wird in die Wüste geführt, wo er ebenfalls in Versuchung geführt wird. Er widersteht den Versuchungen und macht später deutlich, dass es sein Anspruch ist, die großen Versuchungen zu bestehen, die die Menschen von Gott wegführen und immer wieder neu trennen. Das Gebet Vaterunser beinhaltet die Bitte „Und führe uns nicht in Versuchung!“

Psychologen führen hier den Begriff „Selbstregulation“ an. Es beschreibt die Fähigkeit, nicht allen Anreizen nachzugeben, sondern Kontrolle über sich zu gewinnen. Aufmerksamkeit, Emotionen, Impulse und Handeln können und sollen eigenverantwortlich gesteuert werden. Kurzfristige Wünsche, etwas zu befriedigen, können dann längerfristigen Zielen untergeordnet werden. Selbstdisziplin, Gewissenhaftigkeit und Ausdauer, so zeigen inzwischen mehrere wissenschaftliche Studien, haben starken Einfluss auf Erfolg, Gesundheit und Zufriedenheit.

Freier Autor Rubrik "Wegzeichen" in der Wochenendbeilage. Berichte zu den Themen Soziales, Gesellschaft und Kirche.

Copyright © 2025 Bergsträßer Anzeiger