Nachgefragt - BA-Gespräch mit Felix Finkbeiner / Der Gründer der weltweiten Initiative Plant-for-the-Planet zu seiner Vision und wie er andere dafür begeistern will

"Wer den Mund aufmacht, wird gehört"

Von 
Karl-Heinz Schlitt
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Bensheim. Alle reden vom Klima. Aber das allein hilft nicht. Pflanzen statt reden, lautet denn auch das Motto von Felix Finkbeiner, der als neunjähriger Junge eine Lawine losgetreten hat. Wir sprachen mit dem inzwischen 20 Jahre alten Studenten über seine weltweite Initiative "Plant-for-the-Planet". Frei übersetzt: Bäume pflanzen für eine bessere Welt. Am 4. November wird dieses Motto auch in Bensheim umgesetzt, und zwar ganz im Sinne der Finkbeinerschen Vision von Schülerinnen und Schülern.

Herr Finkbeiner, was erwarten Sie von der Plant-for-the-Planet-Akademie in Bensheim? Kann sie mehr sein als der berühmte Tropfen auf den heißen Stein?

Felix Finkbeiner: So würde ich das nicht bezeichnen. Viele der Kinder kehren begeistert von den Akademien heim - und starten dann ihre eigenen Aktionen. Louis aus Stuttgart hat eine Rede vor Wissenschaftlern und Unternehmern gehalten. Linus aus Aschaffenburg war in der Sendung von Thomas Gottschalk. Miku aus Japan hat kürzlich mit dem Umweltminister ihres Landes gesprochen: All diese großartigen Initiativen kommen zustande, weil die Kinder auf unseren Akademien lernen, dass es um ihre Zukunft geht im Kampf gegen die Klimakrise.

Als Sie die Initiative Plant-for-the-Planet aus der Taufe gehoben haben, waren Sie neun Jahre alt, ein Wunderkind sozusagen. Hätten Sie diese Resonanz auch erzielen können, wenn Sie diesen Bonus nicht gehabt hätten? Oder anders gefragt: Wären Sie gerne noch mal so jung wie damals?

Finkbeiner: Das ist gar nicht nötig, denn wir haben ja so viele Kinder, die nachkommen und sich einsetzen. Aber Sie haben schon recht, einen gewissen Bonus brachte mein junges Alter mit sich: Wir Kinder und Jugendliche sprechen vor den Erwachsenen und sagen, es geht um unsere Zukunft, um unser Überleben.

Und das zeigt Wirkung?

Finkbeiner: Ja, unbedingt! Das ist eine authentische und dringliche Botschaft, die die Erwachsenen nicht einfach ignorieren können. Wenn 2007 ein paar Erwachsene gesagt hätten, dass sie in jedem Land der Welt eine Million Bäume pflanzen wollen, dann hätte das wahrscheinlich niemanden interessiert. Wir dagegen hatten nach unserer ersten Pressekonferenz 500 Medienergebnisse und konnten dadurch eine weltweite Bewegung starten.

Sie haben als Kind vor der UN-Vollversammlung gesprochen und dem Topmodel Gisele Bündchen und anderen Promis den Mund zugehalten, um das Motto Ihrer Bewegung - Stop Talking, start Planting - zu symbolisieren. Und Sie saßen als 14-Jähriger Thomas Gottschalk in einer Talkshow gegenüber: Braucht eine Bewegung wie Plant-for-the-Planet eine Galionsfigur, ein bekanntes Gesicht?

Finkbeiner: Klar, wir Kinder und Jugendlichen brauchen immer die Unterstützung von Erwachsenen. Von bekannten Gesichtern, von Promis und Journalisten, von Unternehmern und Politikern. Unsere eigentlichen Stars sind aber die Kinder und Jugendlichen selbst. So funktioniert auch die Kampagne "Stop talking. Start planting": Die Kinder halten den Promis den Mund zu. Das ist frech - und es wirkt. Die Medien werden dadurch aufmerksam auf uns und was wir machen. Wer den Mund aufmacht, wird auch gehört.

Wo steht Ihre Initiative heute? Sind Sie damit zufrieden? Oder was muss noch passieren?

Finkbeiner: Wir haben schon viel erreicht: mehr als tausend Akademien in 58 Ländern. 63 000 ausgebildete Kinder und Jugendliche, die als Botschafter für Klimagerechtigkeit eigene Vorträge halten können und Baumpflanzaktionen planen. Und im Rahmen der Billion Tree Campaign mehr als 14,2 Milliarden Bäume.

Und was ist das Ziel?

Finkbeiner: Wir peilen tausend Milliarden Bäume an. Für die wollen wir bis 2020 Versprechen sammeln. Sie würden 25 bis 50 Prozent des menschengemachten CO2-Ausstoßes binden und uns so den Zeitjoker verschaffen, um die Treibhausgas-Emissionen auf Null zu senken. Was also das Bäumepflanzen angeht, fehlen uns noch mehr als 98 Prozent zum Ziel!

Sie leben einen Traum: dass jeder Mensch auf der Welt 150 Bäume pflanzt. Sind Sie ein Utopist oder ein unverbesserlicher Optimist?

Finkbeiner: Sind 150 Bäume pro Mensch so viel? Den Platz dafür haben wir. Das ist wissenschaftlich belegt in einer viel beachteten Studie. Auf unserer eigenen Pflanzfläche in Campeche, Mexiko, können wir 150 Bäume für nur 150 Euro pflanzen und pflegen. So effizient geht das! Nicht jeder hat das Geld, 150 Euro für Bäume zu zahlen. Aber Unternehmen, sehr wohlhabende Menschen oder Organisationen können ungleich mehr aufbringen oder in eigenen Pflanzprojekten Bäume pflanzen.

Was haben wir in Zukunft vom Umwelt-Aktivisten Felix Finkbeiner zu erwarten?

Finkbeiner: Ich studiere gerade noch Internationale Beziehungen in London. Was dann kommt, weiß ich noch nicht. Auf jeden Fall bin ich weiterhin ehrenamtlich für Plant-for-the-Planet aktiv, halte Reden, bin Mitglied des Vorstands unseres Vereins, plane gemeinsam mit Jugendlichen aus aller Welt Aktionen und so weiter. Da gibt es sicher auch in Zukunft noch viel zu hören und lesen.

. . . und was von Ihrer mit Ihnen erwachsen gewordenen Initiative?

Finkbeiner: Wie gesagt, fehlen uns noch mehr als 98 Prozent Bäume, und wir wollen eine Million Botschafter für Klimagerechtigkeit werden. Gemeinsam mit unserem Schirmherren Fürst Albert II. von Monaco werden wir im kommenden Jahr die Trillion Tree Campaign auf den Weg bringen. Es kommt also bald etwas ganz Großes.

Sagen Sie uns in drei Sätzen, was Sie den Teilnehmern der Jugend-Akademie und den Bensheimern insgesamt für den 4. November und die Zeit danach als Botschaft auf den Weg geben wollen.

Finkbeiner: Habt keine Scheu, die Erwachsenen aufzufordern, sich um eure Zukunft zu kümmern! Seid mutig und sprecht mit Bürgermeistern, Unternehmen und anderen wichtigen Leuten! Denn eine Mücke kann nichts gegen ein Nashorn ausrichten, aber tausend Mücken können ein Nashorn dazu bringen, die Richtung zu ändern.

Was könnte Sie dazu bewegen, nach Bensheim zu kommen und sich vor Ort ein Bild davon zu machen, inwieweit die Saat aufgegangen ist?

Finkbeiner: Mein Terminplan ist auch wegen des Studiums leider ziemlich voll. Aber ich komme immer wieder und immer gerne, um eine Rede auf einer Veranstaltung zu halten. Am ehesten natürlich, wenn wir damit Menschen erreichen, die auch locker mehr als 150 Bäume pflanzen können. Aber - ganz ehrlich: Ich bin sicher, dass es dann auch in Bensheim selbst Botschafter für Klimagerechtigkeit gibt, die ihre Mitbürger noch viel besser begeistern als ich.

Plant-for-the-Planet: Der Traum eines neunjährigen Jungen

Es liest sich wie ein Märchen: Ein neunjähriger Junge will die Welt verändern und das Klima retten. Der Junge war damals neun Jahre alt und träumte am Ende eines Schulreferats einen Traum, der ihn seitdem nicht mehr losließ.

Der Junge ist inzwischen erwachsen. An seiner Vision hält er fest: Wenn Kinder in jedem Land der Erde eine Million Bäume pflanzen, schaffen sie einen Ausgleich für die CO2-Belastung.

Bis dahin ist es noch ein weiter Weg. Aber die Bewegung, die der neunjährige Felix Finkbeiner vor gut zehn Jahren ins Leben gerufen hat, nimmt immer mehr Fahrt auf. Ihr Name ist Programm: Plant-for-the-Planet.

Über 100 000 Kinder in mehr als hundert Ländern handeln inzwischen danach. Sie besuchen Akademien, geben ihr Wissen weiter, begeistern andere und - pflanzen Bäume, weltweit schon über 14 Milliarden an der Zahl. In Deutschland ist die Millionen-Marke überschritten. Jeder Baum ist ein CO2-Speicher und ein Symbol für mehr Klimagerechtigkeit. sl

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