Traditionsveranstaltung

Weinlagenwanderung: Grauburgunder, Roter Riesling und ein Hauch Hawaii

Paradiesisches Wetter, spritziger Wein und traumhafte Landschaften. Nur die neue Route über den Asphalt trübte das Bild.

Von 
Marvin Zubrod
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Bestes Wetter und beste Stimmung auf der Weinlagenwanderung - wie hier in Heppenheim. © Thomas Zelinger

Bergstraße. Ein sanftes Prickeln entfaltet sich am Gaumen des Genießers. Die Bergsträßer Weine zählen zu den säurebetonten des Landes. Ihre Charakteristik ist, besonders im Zusammenspiel mit den fruchtigen Noten des Grauburgunders, unverkennbar. Auf rund 20 Kilometern konnten die Besucher am ersten Maifeiertag diese vielfältigen Aromen kennenlernen. Es war die 36. Auflage der Weinlagenwanderung, die in diesem Jahr eine Neuerung hatte: Wegen der Schweinepest und Sicherheitsbedenken gab es eine Änderung der Route.

So blieb der Weg durch den Wald zwischen dem Kirchberghäuschen und dem Schönberger Sportplatz gesperrt. In den vergangenen Jahren war der Treffpunkt am Wambolder Sand besonders unter jungen Leuten begehrt. Stattdessen ging es dieses Mal in die Bensheimer Innenstadt. Kein naturnahes Ziel, eher eines, das von Dönerläden und Brillengeschäften umgeben ist. Beliebt war der Treffpunkt am Nachmittag trotzdem.

Weiter oben im Stadtpark gab es eine weitere Premiere. Dort war der Stand des Kirchberghauses aufgebaut. Daher mussten langjährige Fans immerhin nicht ganz auf ihre geliebten Stände verzichten, wenngleich das typische Flair der Weinlagenwanderung im Bensheimer Abschnitt manchmal fehlte. Doch bevor die Wanderer im Stadtpark ankamen, ging es für sie zunächst durch die Weinberge. Die meisten starteten traditionell in Zwingenberg, der ältesten Stadt an der Bergstraße, wo sie sich am Restaurant „Bunter Löwe“ trafen. Wobei bereits die ersten Meter mehr geschnauft als gewandert wurde. Denn die steile Passage zum offiziellen Startpunkt an der „langen Schneise“ hatte es in sich. Oben in den Weinbergen angekommen, wartete dann zunächst, als Belohnung, ein Panoramablick. Bis in die Pfalz konnten Besucher an diesem fast wolkenfreien Tag schauen, wenngleich es etwas diesig war.

Weiter ging es zum ersten Stand am Steingeröll. Am beliebtesten dort seien die Burgundersorten, sagte Dagmar Simon vom Zwingenberger Weingut Simon-Bürkle. Denn diese haben weniger Säure als der Riesling und kommen daher bei den meisten Leuten gut an. Die Beliebtheit der Burgundersorten wie Grau- und Weißburgunder bestätigte Charlotte Freiberger vom Heppenheimer Weingut Freiberger. Doch auch der Rote Riesling gehe gut, eine „alte Rebsorte, die wieder neu entdeckt wird“. Denn was manchen Weinliebhabern bis vor einigen Jahren wohl kaum bewusst war: Der Riesling hat einen „roten Bruder“. Trotzdem ist der Rote Riesling ein Weißwein, nur die Beerenhaut trägt eine andere Farbe. Im Geschmack ist die kulinarische Innovation der Bergstraße ein wenig milder, weil sie etwas weniger Säure hat. Zugleich besticht der Rote Riesling mit einem Hauch Hawaii. Sanfte Noten von Mango und Maracuja lassen sich ebenfalls erahnen.

Klassischer ist da der Sauvignon Blanc, der ebenfalls bei den Besuchern beliebt sei, sagte Freiberger. Bereits seit Beginn des 18. Jahrhunderts soll es diese Rebsorte geben, die erstmals im Südwesten Frankreichs erwähnt wurde. Mittlerweile zählt der Sauvignon zur zweitwichtigsten weißen Rebsorte der Welt, gleich hinter dem Chardonnay. Manche dürften den Geschmack des Sauvignons als frisch und pikant beschreiben, bei anderen könnte die Säurestruktur überwiegen.

Neben solch exquisiten Weinen gab es Sekt und Secco zu verkosten. Letzterer ist ein leichter, fruchtiger Perlwein, der im Gegensatz zu Sekt (drei bis sechs Bar Kohlensäuredruck) nur bis zu 2,5 Bar Druck hat. Wer an einem der sechs Stände solche Bergsträßer Perlen verkosten wollte, kaufte bei der ersten Bestellung ein Stielglas. Das blieb als Souvenir erhalten und konnte für jedes weitere gekaufte Getränk auf der Strecke verwendet werden.

Wer nach dem ersten Stand am Steingeröll weiter wanderte, kam zum Auerbacher Höllberg. Dort am Eingang war ein Schild am Ast eines Baumes befestigt, auf dem in Großbuchstaben stand: Beverly Bergstraße. Amerikanisch war jedoch kaum etwas auf der Weinlagenwanderung, nur unter den Gästen wurde bisweilen Englisch gesprochen. Es kamen wieder viele Besucher außerhalb der Region, darunter Austauschstudenten. Ein junger Mann mit schwarzem, lockigem Haar trug ein Banner, auf dem „Erasmus Student Network“ stand, die Organisation für Austauschstudenten in Europa.

Wer aus Südeuropa an die Bergstraße reiste, dürfte mit dem Wetter wohl kaum Probleme gehabt haben. Für eine Weinlagenwanderung war es jedoch fast zu warm. Die Sonne brannte auf der Haut, etwa 27 Grad waren es zur Spitzenzeit am Nachmittag. Ein kleiner Vierbeiner machte es sich im Schatten gemütlich. Von seinem Liegeplatz auf der Wiese beobachtete er, wie die Besucher zum dritten Stand am Auerbacher Fürstenlager vorbeizogen. Dieser war in diesem Jahr weiter unten am Rastplatz am Weinberg und nicht, wie gewohnt, an der Lions Hütte.

Ungewöhnlich war auch der weitere Weg, der aus den Weinlagen hinausführte und bis zum Bensheimer Stadtpark nur über Asphalt ging. Dadurch kam es immerhin zu weniger Gedränge als auf den schmalen Pfaden der Weinberge, doch die Straßen in Auerbach konnten den Weg durch den Wald und vorbei an Reben nicht ersetzen. Es ging vor allem durch Wohngebiete und die Kinder in den Bollerwagen fanden das gar nicht so schlecht und hatten sichtlich Spaß. Auch die Besucherzahl war erfreulich. Etwa 30.000 Gäste, so die erste Schätzung am Nachmittag, zog die Maiwanderung an, wie Lisa Jung, die Geschäftsführerin des Weinbauverbandes Hessische Bergstraße, sagte.

Die Planung sei in diesem Jahr besonders aufwendig gewesen, besonders wegen der geänderten Route und Sicherheitsbedenken. „Wir hoffen, dass wir nächstes Mal wieder zurück auf die alte Strecke können“, sagte Jung, auch wenn man ein erstes Fazit erst in den kommenden Tagen ziehen könne. Bislang sei „alles friedlich“ verlaufen. Der organisatorische Aufwand scheint sich also gelohnt zu haben. Ohne die Unterstützung der Städte Zwingenberg und Heppenheim sowie die Hilfe einiger Privatpersonen hätte man das alles nicht stemmen können, sagte Winzerin Freiberger.

Offiziell bilden die beiden Städte im Norden und Süden den Start und das Ende der Route. Doch für viele ist Bensheim in der Mitte der Strecke der heimliche Schlusspunkt. Dort, in der Innenstadt, trafen sich viele Leute aus der Region und ließen sich bei einem kühlen Glas Weißwein die Sonne ins Gesicht strahlen. Zugleich kamen in diesen Stunden viele Auswärtige an die Bergstraße, um sich auf eine Reise durch die Welt des Weins zu begeben. Und wenn sich diese Besucher am späten Nachmittag zurück auf den Weg in ihre Heimat machten, behielten sie von diesem Tag vielleicht eines in Erinnerung: das sanfte Prickeln des Bergsträßer Weins.

© Thomas Zelinger
© Thomas Zelinger
© Thomas Zelinger
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© Thomas Zelinger

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