Bergstraße. Das Wasserwerk Jägersburg darf auch weiterhin jährlich bis zu 21,5 Millionen Kubikmeter Grundwasser aus 13 Brunnen im Jägersburger Wald und sechs Brunnen im Lorscher Wald fördern. Der Verwaltungsgerichtshof in Kassel hat – wie berichtet – in einem Berufungsverfahren am Mittwoch die Klage des Umweltverbandes BUND gegen die durch das Regierungspräsidium Darmstadt bereits im Jahr 2013 wasserrechtlich genehmigte Erhöhung der Fördermenge um 3,1 Millionen Kubikmeter endgültig abgewiesen. Eine Berufung gegen das Urteil ist nicht mehr zugelassen. Lediglich gegen diesen Ausschluss weiterer Rechtsmittel könnte der BUND noch einmal Beschwerde einlegen.
Newsletter "Guten Morgen Bergstraße"
Als einen „großen Sieg für die Wasserversorgung“ bewertete Armin Kromer am Mittwochmorgen das Urteil. Der Direktor des Wasserbeschaffungsverbandes Riedgruppe Ost war zusammen Verbandsvorsteher Patrick Freudenberger bei dem Berufungsverfahren in Nordhessen vor Ort. Ebenso wie der für die Rheinwasserinfiltration in Biebes–heim verantwortliche Wasserverband Hessisches Ried (WHR) und die unter anderem für die Trinkwasserversorgung im Rhein-Main Gebiet zuständige Hessenwasser GmbH & Co. KG war die Riedgruppe Ost mit Sitz in Einhausen-Jägersburg lediglich als Beigeladene bei dem Verfahren vor Ort.
Denn die eigentliche Klage des Umweltverbandes richtet sich gegen das Land Hessen, das für die wasserrechtliche Genehmigung zuständig ist. Dass bei der Klage des Umweltverbandes jetzt ausgerechnet die Förderung durch die Riedgruppe Ost im Mittelpunkt stand, war aus Sicht von Armin Kromer eine eher zufällige Entwicklung: „Das Werk Jägersburg wurde instrumentalisiert. Es geht hier meines Erachtens ohnehin nicht um das Wasserrecht, sondern eigentlich um eine Klimaschutz-Klage.“
Wälder im Ried brauchen Grundwasseranschluss zum Überleben
Beim BUND bedauert man laut einer am Mittwoch versandten Pressemitteilung die Entscheidung des Gerichts. Das Urteil entbinde die Landesregierung nicht von der Pflicht, die Wälder im Hessischen Ried zu retten„Umweltminister Ingmar Jung muss nun endlich die Rechtsvorgaben erfüllen und die nötigen Erhaltungsmaßnahmen für die vom Land Hessen ausgewiesenen Schutzgebiete festlegen“, fordert Jörg Nitsch, der Vorsitzende des BUND Hessen. Ohne die Wiederherstellung des Grundwasseranschlusses würden die Wälder weiter absterben. Die im Koalitionsvertrag von CDU und SPD vereinbarten waldbaulichen Maßnahmen seien in den zurückliegenden Jahren hingegen bereits gescheitert. Die neu gepflanzten Laubbäume, insbesondere die gepflanzten Stieleichen seien, wie vom BUND vorhergesagt, vertrocknet.
Solaranlage auf dem Wasserwerk
Im Wasserwerk Jägersburg als Sitz des Wasserbeschaffungsverbandes Riedgruppe Ost laufen Erneuerungs- und Modernisierungsarbeiten. Die Sanierung der Außenfassade der Pumpenhalle habe man nach zwei Jahren endlich abschließen können, berichtet Verbandsdirektor Armin Kromer. Derzeit werde das Dach des Gebäudekomplexes erneuert, da dort im dritten Quartal dieses Jahres eine Photovoltaikanlage installiert werden soll. In der Pumpenhalle werden derzeit 400 Quadratmeter Fläche neu gefliest.
Einen Eindruck verschaffen können sich Interessierte beim „Tag der offenen Tür“ im Wasserwerk Jägersburg, der nach einem Jahr Pause für den 7. Juli geplant ist. kel
Die zentrale Erhaltungsmaßnahme für die Wälder besteht in der Wiederherstellung der Wasserversorgung der Bäume aus dem Grundwasser. Ohne diesen Grundwasseranschluss können viele Wälder im schon immer niederschlagsarmen, aber sehr warmen Hessischen Ried nicht überleben. „Auf rund 10 000 Hektar Waldfläche wurde dieser überlebensnotwendige Grundwasseranschluss aber seit den 1960er Jahren durch Grundwasserabsenkungen um mehrere Meter gekappt“, argumentiert der BUND.
Unterer Wasserstand wurde seit über zwanzig Jahren nicht unterschritten
Letztlich führt jedoch die aktuelle Grundwasserentnahme gerade im Einzugsbereich der Riedgruppe Ost seit Jahren nicht mehr automatisch zu einer Absenkung des Pegels. Bereits seit 1989 gibt es im mittleren und südlichen Teil des Hessischen Rieds eine künstliche Anreicherung des Grundwassers durch Infiltration von aufbereitetem Rheinwasser. Die entnommene Grundwassermenge wird – vereinfacht gesagt – wieder nachgefüllt. Im Wasserwerk Biebes–heim aufbereitetes Rheinwasser wird dabei über sogenannte Schluckbrunnen oder Gräben wieder in den Untergrund versickert. Somit kann der Grundwasserpegel relativ stabil auf einem festgelegten Niveau gehalten werden. „Die Brunnen in der Südgalerie im Lorscher Wald wurden überhaupt nur unter Auflage der Infiltration genehmigt“, erläutert dazu Armin Kromer.
Im 1999 in Kraft getretenen Grundwasserbewirtschaftungsplan Hessisches Ried ist ein unterer Grenzgrundwasserstand festgelegt, der an der Messstelle Lorsch beispielsweise fünf Meter unter der Geländeoberkante liegt. Seit 1999 wurde dieser Wert nie unterschritten. Das ist einer Übersicht auf der Webseite grundwasser-online.de zu entnehmen. Seit 2010 schwankt der Pegel eng um eine Tiefe von vier Metern unter der Erde.
Trockenheitsschäden oder nasse Keller und Felder
Grundsätzlich wäre es also möglich, durch die Festlegung einer höheren Untergrenze und – in Folge – eine ausgeweitete Infiltration den Grundwasserpegel im südhessischen Ried dauerhaft anzuheben. Doch was die Naturschützer freuen würde, könnte an anderer Stelle zu Problemen führen. Dargestellt wird dies in der Abhandlung „Das Hessische Ried zwischen Vernässung und Trockenheit: eine komplexe wasserwirtschaftliche Problematik“ des Regierungspräsidiums Darmstadt. Angeführt werden dabei in den 1970er und zu Beginn der 1990er Jahre durch sehr niedrige Grundwasserstände aufgetretene Trockenheitsschäden an Vegetation und Gebäuden. Als im Herbst 1998 im Hessischen Ried wieder flächig steigende Grundwasserstände verzeichnet wurden, habe dies nasse Keller sowie feuchte Äcker und Wiesen zur Folge gehabt.
Der BUND erinnert in seiner Presseerklärung daran, dass bereits 2015 der „Runde Tisch Grundwassersanierung Hessisches Ried“ eine einstimmige Empfehlung zur Rettung des Waldes abgegeben habe. Anlass für die Einberufung des Runden Tisches sei die im Jahr 2011 im Auftrag des Landes Hessens fertiggestellte „Machbarkeitsstudie“ gewesen. „Mit der Machbarkeitsstudie wurde aufgezeigt, dass die Aufspiegelung des Grundwassers zur Rettung der Wälder bei gleichzeitigem Bau eventuell nötiger Schutzbrunnen gegen die Vernässung von Kellern möglich ist. Der Runde Tisch hatte diesem Konzept zugestimmt,“, schreibt der Umweltverband.
Neun Jahre nach der Empfehlung des Runden Tisches müsse nun endlich die Umsetzung erfolgen, so der BUND. Die Entscheidung zur Waldrettung dränge sich aktuell auch auf, weil die verschiedenen Wasserversorger im Rhein-Main-Gebiet eine Studie zur Erweiterung der Rheinwasser-Aufbereitungsanlage in Biebesheim fertiggestellt und Umweltminister Ingmar Jung im Januar übergeben haben. Bestandteil der Studie ist auch die Kalkulation des Wasserbedarfs zur Rettung der Wälder.
URL dieses Artikels:
https://www.bergstraesser-anzeiger.de/region-bergstrasse_artikel,-bergstrasse-wasserversorgung-jaegersburg-bund-_arid,2197187.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.bergstraesser-anzeiger.de/orte/lorsch.html
[2] https://www.grundwasser-online.de