Bevölkerungsschutz

Bergsträßer Bürger sollen bei Starkregen schnell vor Gefahren gewarnt werden

Der Kreis Bergstraße erhält aus einem Förderprogramm des Landes 657.000 Euro. In Zusammenarbeit mit dem Gewässerverband Bergstraße soll ein Frühwarnsystem eingerichtet werden

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Jörg Keller
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Nach einem Unwetter wurden im Mai 2024 die Straße Vier Morgen und die Hohensteiner Straße in Reichenbach überflutet. © Walter Gehbauer

Bergstraße. „An der Bergstraße hatten wir in den vergangenen Jahren Glück gehabt. Wir sind von verheerenden Starkregenereignissen verschont worden“, sagt Ulrich Androsch, der Vorsitzende des Gewässerverbandes Bergstraße. Einzelne Vorkommnisse zeigten dennoch, was passieren kann, wenn Bäche und Flüsse über die Ufer treten. So sorgte 2024 das auf das ehemalige Kraftwerksgelände bei Biblis eindringende Rhein-Hochwasser für Schlagzeilen. Der Neckar in Hirschhorn schwoll im Juni 2024 innerhalb eines Tages um mehr als vier Meter an und setzte damit weite Teile der Altstadt unter Wasser. In Lautertal gab es nach starken Regenfällen Anfang Mai 2024 vollgelaufene Keller und verschlammte Straßen. Noch am darauffolgenden Tag waren die Folgen des Unwetters vor allem in Reichenbach deutlich zu sehen. Schotter und Schlammmassen mussten beseitigt werden.

Risikobewertungen

Schon aktuell können Bürger im Kreis Bergstraße einen Überblick erhalten, wie groß das Gefahrenpotenzial an ihrem Wohnstandort bei Starkregen ist.

Einen groben Überblick liefert der Starkregenviewer auf der Webseite des Hessischen Landesamtes für Umwelt, Naturschutz und Geologie (www.hlnug.de). Verschiedenfarbige Kästchen auf einer Landkarte des Bundeslandes geben an, wo das Risiko, gering, mittel oder hoch einzustufen ist. In den allermeisten direkten Ortslagen im Kreis Bergstraße wird das Risiko dabei als hoch eingestuft. Einen detaillierteren Überblick bietet der Zweckverband Kommunalwirtschaft Mittlere Bergstraße (KMB) für seine Mitgliedskommunen. Auf der Webseite des KMB (www.kmb-bensheim.de) werden unter anderem Risikobewertungen durch Starkregen (nicht durch Hochwasser aus über die Ufer tretenden Gewässern) für einzelne Gebäude und Straße angezeigt. kel

Menschen kamen bei all dem glücklicherweise nicht zu Schaden. Anders als im Jahr 2021 bei der Ahrtalflut in Rheinland-Pfalz.135 Menschen sind dabei gestorben. In Hessen sollen nun – wie berichtet – Frühalarmsysteme in 14 Landkreisen sowie zwei kreisfreien Städten vor Starkregen und Überflutungen – warnen. Insgesamt fließen über 10 Millionen Euro Steuermittel aus dem Landesprogramm „Starke Heimat Hessen“ in die Implementierung dieser Technologie, die vor Überflutungen warnen soll. Digitalministerin Kristina Sinemus (CDU) übergab Anfang der Woche in Wiesbaden sieben Förderbescheide an Vertreter von insgesamt 13 Kommunen. Zu diesen gehört auch der Kreis Bergstraße, der zur Umsetzung des Warnsystems rund 657.000 Euro erhält. „Mit unserem Projekt schaffen wir gemeinsam mit dem Gewässerverband Bergstraße ein intelligentes Starkregen-Frühwarnsystem, das die Menschen schützt und die Besonderheiten unserer Landschaft berücksichtigt“, sagt Landrat Christian Engelhardt. Schließlich sei der Kreis „durchzogen von kleinen Bächen, die in Rhein, Weschnitz und Neckar münden“. Diese Vielfalt mache den Landkreis besonders, aber auch verletzlich.

Zum Aufbau des Frühwarnsystems mit ins Boot geholt hat der Kreis den Gewässerverband Bergstraße. Schließlich gehört zu dessen Kernaufgaben traditionell der Hochwasserschutz, unter anderem durch die Instandhaltung von ca. 120 Kilometern Flussdeichen, acht Talsperren im Odenwald und drei großen Rückhalteanlagen (Flachlandpolder) im Ried.

Bis zu 20 weitere Wasserstandsensoren

Noch ausbaufähig ist das Monitoring. „Bislang haben wir rund zehn Wasserstandsensoren ausschließlich für die Weschnitz und den Winkelbach“, sagt Ulrich Androsch auf Nachfrage dieser Zeitung. Mit dem Aufbau des Frühalarmsystems soll sich das ändern. Bis zu 20 weitere Pegelmessstellen sollen kurzfristig hinzukommen, insbesondere auch an kleineren Gewässern und im kompletten Kreisgebiet, also auch im Bereich der am Neckar gelegenen Kommunen Neckarsteinach und Hirschhorn. Die aktuellen Wasserstände sollen mit weiteren gesammelten Daten – etwa von vorhandenen oder noch zu installierenden Wetterstationen, Bodenfeuchte- und Abflusssensoren –digital beim Verband zusammenlaufen und ausgewertet werden. Die Planung sei durchaus eine Herausforderung, sagt Ulrich Androsch. Noch müsse für die konkrete Umsetzung einiges geklärt werden. Dennoch ist er zuversichtlich, dass bereits 2026 erste auswertbare Ergebnisse vorliegen werden. Noch im laufenden Jahr werde man mit Blick auf die Förderzeiträume neue Wasserstandmesssysteme installieren. „Das alles ist ein sich entwickelnder Prozess“, sagt er.

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dpa/lhe
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Zudem kann man auf bereits bestehende Erfahrungswerte aus anderen Teilen Hessens zurückgreifen. Um Kommunen frühzeitig zu warnen und besser auf Extremwetterereignisse vorbereitet zu sein, wurde 2021 das Pilotprojekt „e-Risikomanagement Starkregen-Frühalarmsystem“ im Landkreis Fulda ins Leben gerufen. Inzwischen ist es dort nach Angaben des Landes flächendeckend in Betrieb und „praxiserprobt“. Das System misst in Echtzeit Niederschlag, Pegelstände und Abflussverhalten und kombiniert diese Daten mit den Werten des Deutschen Wetterdienstes. Im Bedarfsfall löst das System in Sekundenschnelle einen Alarm bei Bürgerinnen und Bürgern, Rettungskräften und Verwaltung aus. Die Bevölkerung muss dazu eine kostenlose App installieren, die dann per Push-Nachricht und Push-Anruf warnt, vorausgesetzt „Kritische Hinweise“ ist am Smartphone aktiviert.

Messdaten werden in eine Cloud übertragen und mit Daten des Wetterdienstes kombiniert

Für Rettungskräfte und Verwaltung gibt es einen zusätzlichen Alarmweg per SMS und VoiceCall. Bei der Auswertung der Daten kommt laut Pressemitteilung Künstliche Intelligenz zum Einsatz: Die Messergebnisse werden automatisiert analysiert, um den Alarmierungsprozess selbstlernend zu optimieren. Um die Pegeldaten und Niederschlagswerte sowie die Warnungen auch auf dem Smartphone zu erhalten, kann die „Starkregen App“ in den App Stores für Android und Apple heruntergeladen werden. „Das System hat seit Beginn der Installation auch schon mehrfach den Praxistest bestanden und einen Alarm ausgelöst“, sagt Digitalministerin Kristina Sinemus.

Das Hochwaser 2013

Das größte Hochwasserereignis im Kreis Bergstraße seit der Jahrtausendwende gab es 2013. Starke Regenfälle hatten Anfang Juni aus einem kleinen Hochwasser ein großes werden lassen. Fast überall im Kreisgebiet sah man Einsatzkräfte von Feuerwehr und THW durch Wassermassen waten.

Die Weschnitz ging wegen des starken Regens auf Tuchfühlung mit der Oberkante. In Lorsch wurde der Polder geöffnet und ein Teil des Weschnitz-Wasser konnte sich auf die Felder ergießen. Das Hochwasser löste dennoch einen Großeinsatz der Feuerwehr aus, wie es ihn im Kreis Bergstraße so noch nicht gegeben hat. Mehr als 650 Einsatzkräfte stapelten mehr als 50 000 Sandsäcke entlang der Baustelle am Bibliser Weschnitz-Damm. 500 Tonnen Sand wurden so binnen 36 Stunden verarbeitet.

An der Bensheimer West-Tangente war durch die starken Regenfälle ein Hang abgerutscht. Die Straße musste einseitig in Richtung Schwanheim gesperrt werden.

In Lindenfels waren vor allem die Ortsteile Schlierbach und Eulsbach vom Hochwasser betroffen. So stand in Schlierbach die Kirchstraße unter Wasser, dort wurde eine Sperrung eingerichtet.kel

Im Landkreis Fulda wurden dazu rund 200 Sensoren in Abwasserkanälen, an Brücken, öffentlichen Gebäuden und an Gewässern betriebssicher installiert, die vor allem die Niederschlagsmengen, die Gewässerpegel und das Abflussverhalten in Echtzeit messen. Die Messdaten werden in eine Cloud übertragen, analysiert, mit Daten des Deutschen Wetterdienstes kombiniert und im Bedarfsfall löst das System in Sekundenschnelle einen Alarm bei Bürgerinnen und Bürgern, Rettungskräften und Verwaltung per SMS, E-Mail oder VoiceCall aus. KI kommt bei der Auswertung der Daten zum Einsatz: Die Messergebnisse werden automatisiert analysiert, um den Alarmierungsprozess selbstlernend zu optimieren.

Redaktion Redakteur, Ressorts Lorsch, Einhausen und Region

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