Bergstraße. Bergstraße. Es ist ein herrlicher Sommertag: 24 Grad, blauer Himmel. Seit Wochen hat es nicht mehr geregnet. Viele Spaziergänger sind unterwegs im Odenwald. Auch zwischen Mittershausen, Scheuerberg, Erlenbach und Igelsbach. Doch irgendetwas stimmt nicht. Beißender Geruch liegt in der Luft. Auf einmal ist es vom Mittershäuser Friedhof ganz deutlich zu sehen: Hoch oben im Wald, im Osten des Heppenheimer Stadtteils, mitten auf dem Grätenberg brennt es. In Windeseile erreicht die Rauchsäule eine stattliche Höhe. Fast zeitgleich gehen bei der Leitstelle mehrere Notrufe ein. Ein Wettlauf gegen die Zeit beginnt.
Was so dramatisch klingt, war am Wochenende freilich nur ein erdachtes Szenario für eine gemeinsame Waldbrandübung der Freiwilligen Feuerwehren aus Heppenheim und Fürth. Ein Szenario, das angesichts immer trockener werdender Sommer jedoch sehr realistisch ist.
Ein Stichwort und viele Helfer
„F Wald 2“ lautet das Einsatzstichwort um 10 Uhr. Aufgrund der unklaren Ortsangabe und der Ausdehnung des Brandes erfolgt eine parallele Alarmierung aller Feuerwehren aus Heppenheim und Fürth.
Es dauert nicht lange und die ersten Einheiten rücken aus. Während erste Fahrzeuge auf der Suche nach dem genauen Brandort durch enge Waldwege fahren, bereitet das THW auf dem Parkplatz am Mittershäuser Sportplatz den Einsatz der Drohne vor. Heppenheims Stadtbrandinspektor Christian Stadler, sein Stellvertreter Leo Einberger und der Fürther Gemeindebrandinspektor Dominik Bormuth sind vor Ort, ebenso der Fürther Bürgermeister Volker Oehlenschläger und, als Vertreterin Heppenheims, die Erste Stadträtin Christine Bender und Heppenheims Revierförster Thomas Schumacher.
Eine Drohne kommt zum Einsatz
Die Kamera der Drohne übermittelt gestochen scharfe Bilder auf den großen, inzwischen aufgebauten Bildschirm. Es ist gut zu erkennen: Oben auf dem Berg ist ein fast kreisrundes Feld, das ebenso wie der Waldrand drumherum in Flammen steht. Der Brand frisst sich durch das Unterholz weiter Richtung Westen. Doch was ist das? Am Feldrand sind Bewegungen auszumachen.
Die Kamera zoomt heran: Vier Jugendliche zelten am Feldrand, sind nun desorientiert durch Rauch und Feuer, schweben in Lebensgefahr. Einer der Jugendlichen ist zudem vom Baum gestürzt und verletzt. Per Lautsprecher werden die Personen – es sind natürlich freiwillige Statisten – über die Drohne aufgerufen, an Ort und Stelle zu bleiben und auf Rettung zu warten. Im Notfall verfügt die Drohne übrigens auch über eine Wärmebildkamera. „Oben raucht der Berg, hier rauchen die Köpfe“, scherzt ein am Friedhof vorbeigehender Spaziergänger. Hier laufen die Fäden zusammen, wird überlegt, wie am effektivsten vorzugehen ist.
Liegende Pylone liegen lassen
Von Anfang an ist klar: Größtes Problem ist die Löschwasserversorgung. Wasser muss in Tanklöschfahrzeugen (TLF) herbeigeschafft werden, darüber hinaus wird in Mittershausen im Pfalzbach eine Staustufe errichtet und Wasser von dort über 500 Meter durch den Wald nach oben gefördert. Mit Hilfe eines faltbaren Wasserbehälters wird an der Einsatzstelle zudem ein Wasserdepot errichtet. Hier lassen die Tanklöschfahrzeuge ihr Wasser ab.
Dank umgestürzter Pylonen, die der Vortrupp ausgelegt hat, haben die ersten Feuerwehrleute schnell ihren Weg zum Einsatzort gefunden. Die Spitze der Pylonen zeigt den Nachkommenden die Fahrtrichtung an. Irgendwo auf dem Spazierweg zwischen Mittershausen und Erlenbach, dort wo es hoch geht in den Wald, hat ein Wanderer so ein Hütchen wieder aufgerichtet. Im Notfall wäre jetzt nicht klar, wo die Einsatzkräfte hinmüssen. Es gilt die Regel: Pylonen unbedingt liegen lassen, insofern sie nicht gerade eine Baustelle abgrenzen.
Mit Sprühstößen gegen das Feuer
Derweil oben im Wald: „Feuer“, „starke Verrauchung“ oder „leichte Verrauchung“ steht auf Schildern, die an Bäumen aufgehängt sind. Überall weit verteilt um den Brandherd sind Feuerwehrleute im Einsatz. Es fällt auf, dass sie das „Feuer“ mit Sprühstößen bekämpfen und nicht aus vollen Rohren schießen. Oehlenschläger erklärt warum: „Aus einem Liter Wasser werden 1.700 Liter Wasserdampf. Wenn es irgendwo richtig heiß ist und man spritzt Wasser darauf, dann verdrängt der Wasserdampf den Sauerstoff. Deswegen macht man dann Sprühstöße, damit möglichst viel Wasserdampf erzeugt wird.“ Aus diesem Grund funktioniert auch eine andere Maßnahme: Einige Feuerwehrleute tragen Rucksäcke voller Wasser auf dem Rücken und besprühen mit einer Spritze den Brand. Selbst wenn nur wenige Liter Wasser in einen solchen Behälter passen, ist das eine sehr erfolgreiche Maßnahme bei einer Wald- oder Flächenbrandbekämpfung. Auch das Stellen einer Wasserwand ist eine Möglichkeit: Der Wasserstrahl wird aus dem Schlauch steil schräg in die Luft gehalten und das Wasser regnet dann auf die Flammen herab.
Immer wieder kommen Tanklöschfahrzeuge am Einsatzort an. Einige fahren durch einen Hohlweg. Es ist eng, links und rechts stapeln sich Reste vom Holzeinschlag. Millimeterarbeit. Andere biegen von der Straße zwischen Mittershausen und Scheuerberg in den Wald ab. Ziel aller ist das große, aufgestellte Wasserbecken. Nicht alles klappt wie am Schnürchen. Ein TLF wird nicht richtig eingewiesen, fährt am Becken vorbei und muss die ganze Runde noch einmal fahren, weil hinter ihm bereits die nächsten Fahrzeuge kommen. Nicht schlimm. Übungen sind dazu da, zu lernen.
Einer, der ganz viel Erfahrung hat, ist an diesem Tag unter den aktiven Brandschützern; er hat nach vielen Jahren wieder die Seiten gewechselt: Werner Trares, langjähriger Heppenheimer Stadtbrandinspektor und stellvertretender Kreisbrandinspektor. Mittlerweile ist er im Ruhestand und übernimmt nun wieder Aufgaben als Aktiver. Wie sich das anfühlt? „Sehr gut“, sagt Trares strahlend.
Alles geht Hand in Hand
Am Ende dürfen auch die Mädchen und Jungen der Fürther Jugendfeuerwehr die Schläuche auf das Feld richten. Auch sie haben, wie die anderen Beobachter, viel gelernt bei dieser Übung. Es ist die erste gemeinsame Waldbrandübung der Heppenheimer und der Fürther Wehren. Die Übungsleitung hat Sebastian May, Marcel Krebs ist Abschnittsleiter Fürth. Der beobachtende Laie ist zufrieden: Am Einsatzort geht alles Hand in Hand, die Kommunikation stimmt – das Vertrauen in die Arbeit der freiwilligen Brandschützer ist da. Das ist auch der Eindruck der Verantwortlichen.
In der Zwischenzeit konnten auch die Jugendlichen gerettet werden. Einer wurde mit der Trage aus seiner misslichen Lage befreit. Nach zweien, die sich vom Ursprungsort entfernt und verirrt hatten, musste ein bisschen länger gesucht werden. Doch auch sie waren bald in Sicherheit.
Nach gut drei Stunden ist die Übung beendet. Es gilt abzubauen und aufzuräumen im Wald. Danach treffen sich alle 140 Einsatzkräfte bei der Feuerwehr in Wald-Erlenbach zum gemeinsamen Mittagessen und zur Manöverkritik. awa
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