Politik

Debatte um erste Waldbestattung im Kreis

Rimbacher Ausschuss für Soziales, Sport und Kultur diskutiert über neue Bestattungsform

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stk/ü
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Im rheinland-pfälzischen Dudenhofen gibt es seit 2008 einen Friedwald. © Sascha Nuhn

Bergstraße. „Wir sind überzeugt, dass viele Menschen eine solche Art der Bestattung wollen“, sagt Rolf Ihrig. Der SPD-Fraktionssprecher meint Beerdigungen im Wald; die Fraktion hat beantragt, prüfen zu lassen, ob sie für Rimbach infrage kämen, und die Sitzung im Ausschuss für Soziales, Sport und Kultur zeigt vor allem eins: dass Redebedarf besteht und längst noch nicht alle Argumente ausgetauscht sind. So jedenfalls lässt sich das Votum am Ende interpretieren: Es gibt eine Gegenstimme, zwei Enthaltungen und zwei Ja-Stimmen von den Antragstellern – Andrea Dudszus ist bei der Abstimmung nicht mehr da. Unterm Strich ist das alles andere als ein klares Meinungsbild.

Die Gemeinde ist indes erst am Anfang: Noch ist auf der 400 Hektar großen Waldfläche kein Gebiet ausgewählt, noch gibt es keine Willenserklärung der Gemeindevertretung und schon gar keinen Vertrag mit einem Anbieter. Ein solcher ist aber zur Sitzung eingeladen: Michael Erni vertritt FriedWald, ein seit 24 Jahren bestehendes Unternehmen, das sich auf Waldbestattungen spezialisiert hat. Er argumentiert mit der tröstlichen Umgebung eines Walds, in dem es zwar eine forstliche Bewirtschaftung gibt, aber eher „mit der Nagelschere“. Der Vorteil sei, dass im Gegensatz zum Wirtschaftswald auch Bäume stehen dürften, die schon längst die „Hiebsreife“ erreicht hätten.

Eichen und Buchen mit 120 Jahren seien keine Seltenheit: „Die Wertschöpfung wird sogar noch erhöht.“ Denn auch Betriebe im Ort könnten profitieren, wenn Trauergesellschaften einkehren, sagt er und berichtet auch von einem Verein, dessen Gelände an einen Bestattungswald grenzt: Dort habe man ein Trauercafé eingerichtet und übernehme regelmäßig die Bewirtung der Angehörigen.

Was die Kooperation mit den jeweiligen Kommunen angeht, so gebe es verschiedene Module: „Das geht bis zur Pacht für 99 Jahre.“ Als einziges Bundesland habe Hessen festgelegt, dass für einen Bestattungswald ein Bebauungsplan aufgestellt werden müsse. Erni listet die Schritte auf dem Weg zur Waldbestattung auf: Es muss ein geeigneter Standort gesucht werden – auch Steillagen sind möglich, es muss allerdings ein vorgeschriebener Abstand zum Grundwasser eingehalten werden –, es schließen sich Beratungen, Besichtigungen, Gremiensitzungen, Beschlussfassungen an, dann fasst die Gemeinde den Aufstellungsbeschluss, parallel zum Verfahren finden Vertragsverhandlungen statt; nach der Rechtskraft des Plans wird eine Satzung verabschiedet und der Wald schließlich in Betrieb genommen. „Manchmal findet die erste Beerdigung schon am Tag nach der Eröffnung statt“, berichtet Erni.

Kritik wegen der Kosten, Parkplätze und Arbeitsaufwand

Er gibt den Startschuss zu einer Grundsatzdebatte, die sich um Wasserrecht, Wege, Unterhaltungskosten und anderes dreht. Norbert Wegener (FWG) fragt sich, ob der Wald eine ähnlich kommunikative Funktion wie ein Friedhof erfülle, und denkt an die Gespräche, die Hinterbliebene dort oft führen. Thomas Walter (FDP) ist skeptisch, was die Kosten angeht. Und Dudszus will wissen, wie viele Urnen um einen Baum gruppiert werden könnten. Zwölf bis 16, ist die Antwort, und Erni erklärt, dass das vom Standort abhänge: Neben einem Weg seien es zwangsläufig weniger. Was, wenn die Ruhezeit endet? Dann gibt es keine Abräumung, sagt Erni. Bürgermeister Holger Schmitt macht weiter mit einer langen Liste von Gegenargumenten: Da sind die Belange von Jagdpächtern, Landwirten, da sind die umliegenden Parkplätze – Tränke, Kreuz, am Sendemast und am Sportplatz Mitlechtern –, die überlastet würden, da ist das erhöhte Arbeitsaufkommen für die Verwaltung, und da ist die Topografie des Trommhangs, die eine Stellungnahme von HessenForst als ungünstig einstuft.

Außerdem: „Auf unseren Friedhöfen ist noch genug Platz.“ Gerade wurden in Zotzenbach neue Stelen errichtet, und auch in Rimbach „läuft die Urnenwand zu“ und bekommt eine Erweiterung. Man kann eine anonyme oder eine Wiesenbestattung wählen, fährt er fort und gibt zu bedenken, dass der Haupt- und Finanzausschuss kommende Woche über eine Erhöhung der Friedhofsgebühren berät, weil die Kostendeckung zu niedrig ist. Außerdem hat er auch persönliche Bedenken: „Ich finde, dass der Wald für uns schon genug Funktionen bieten muss.“ Und er sei dagegen, „auch nur einen Quadratmeter von unserem Wald zu verpachten“. stk/ü

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„Die Grabpflege übernimmt die Natur“

1999 fanden erstmals Beisetzungen im Wald statt. Die Schweiz machte den Anfang, 2001 wurde der erste Bestattungswald in Deutschland eröffnet.

Die Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg spricht von einem Wandel der Begräbniskultur; in einem 2018 veröffentlichten Papier schätzte sie den Anteil der Baumbestattungen auf fünf Prozent, „mit steigender Tendenz“. Als Ursache wird ein gesellschaftlicher Wandel sowie ein veränderter Umgang mit Tod und Trauer genannt.

Ein verstärkter Bezug zur Natur und ein kritischer Standpunkt Konventionen gegenüber könnten Motive sein, es werden aber auch praktische Gründe genannt wie fehlende Möglichkeiten, sich um ein Grab zu kümmern. „Die Grabpflege übernimmt die Natur“, ist ein Leitspruch für Bestattungswälder.

Bestattet werden Urnen, die aus kompostierbarem Material bestehen. Sie werden um Bäume gruppiert, zufällig, für Freundeskreise oder Familien.

Kleine Plaketten verraten, wer rings um den jeweiligen Baum beerdigt ist; Ruhezeiten können mit dem Anbieter festgelegt werden.

Für Besucher werden Parkplätze in der Nähe gebraucht, möglicherweise ein Andachtsplatz sowie Wege.

In Deutschland gibt es mehrere Anbieter für naturnahe Bestattungen, FriedWald, RuheForst und andere.

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