Bergstraße. Als die „Hessen 3“ die Schiffsgarage im Gernsheimer Hafen tuckernd verlässt, liegt schwüle Hitze über Südhessen. Doch es hilft nichts – um für Sicherheit auf dem Rhein zu sorgen, müssen die Beamten der Wasserschutzpolizei täglich auf den Strom.
Obwohl der Pegel bei Worms in den vergangenen Tagen wieder leicht angestiegen ist, führt einer der weltweit am stärksten befahrenen Flüsse noch immer weniger Wasser als normalerweise. Während Polizeioberkommissarin Yvonne Hartmann das mehr als 15 Meter lange Boot in Richtung Lampertheim steuert, nimmt Dirk Engelmann mit dem Fernglas die Ufer in Augenschein. Spaziergänger winken, der Hauptkommissar grüßt zurück.
„Je niedriger der Wasserstand ist, desto mehr kommen bisher verborgene Gegenstände zum Vorschein“, sagt er. Etwa Autowracks, Einkaufswagen oder Fahrräder. Manchmal aber auch Munition und Waffen.
Granaten im Fluss
Schilf und Gras beider Uferseiten sind dort braun, wohin normalerweise das Rheinwasser reicht. Steine, die sonst nicht zu sehen sind, ragen an manchen Stellen deutlich hervor. Erst Anfang der Woche hatten Spaziergänger den Fund eines Sprengkörpers gemeldet, der dann von Beamten gesichert und später vom Kampfmittelräumdienst des Regierungspräsidiums Darmstadt (RP) untersucht wurde.
Wie Polizeihauptkommissar Frank Habich von der Ermittlungsgruppe der Wasserschutzpolizei sagt, müssen die RP-Experten bei Niedrigwasser öfter ausrücken als normalerweise. „Das Phänomen beobachten wir zurzeit regelmäßig. Oft stammen Waffen und Munition aus den Weltkriegen. Es werden auch Granaten oder sonstige Sprengkörper aus dem Balkankrieg der 1990er Jahre entdeckt“, berichtet der 56 Jahre alte Beamte.
Das kann auch am Lampertheimer Altrhein der Fall sein, wo es momentan an Wasser fehlt. Doch es gibt hier auch andere Aufgaben für die Polizei. Vor allem das Tempo, mit dem etwa Sportboote hier gelegentlich unterwegs sind, ist den Beamten ein Dorn im Auge. Während es auf der Wasserstraße selbst kein Tempolimit gibt, darf die Geschwindigkeit von fünf Kilometern auf dem Altrheinarm nicht überschritten werden.
Außerdem dürfen – außer in Ausnahmen – nur Schiffe oder Verbände mit maximal 115 Metern und einer Breite von 11,45 Metern das Gewässer befahren. Verboten ist es jedoch, Boote in Schilf- und Weidengürtel zu steuern, die wiederum den Altrheinufern vorgelagert sind. Ebenso dürfen Schiffer nicht in das Heegwasser, das Welsche Loch oder in das Kleine Loch sowie in deren Verbindungen zum Altrhein fahren.
Auch wenn es normalerweise nicht zu wilden Verfolgungsfahren auf dem Rhein kommt – wenn es sein muss, können die Beamten ihr Boot auf etwa 50 Stundenkilometer beschleunigen. Das fühlt sich auf dem Fluss relativ schnell an und wird nötig, wenn Gefahr besteht. So sollte es etwa rasch gehen, als vor Jahren ein Schiff auf dem Lampertheimer Altrhein in Flammen stand.
Auch an Land aktiv
Um Fracht oder Papiere zu kontrollieren, müssen die Frauen und Männer der Polizei ihr Boot direkt an die Backbord- oder Steuerbordseite eines großen Schiffs manövrieren, um während der Fahrt auf die andere Seite zu wechseln. Wie knifflig das ist, demonstriert Dirk Engelmann, als er auf einen niederländischen Frachter steigt.
„Sich auf Routine zu verlassen, ist gefährlich. In jeder Situation muss man voll bei der Sache sein“, sagt der 40 Jahre alte Beamte. Gleichwohl unterscheidet sich nicht nur die Praxis bei den Kontrollen von der Polizeiarbeit an Land. „Auch die Begegnungen selbst sind anders als auf der Straße“, sagt Yvonne Hartmann. So kämen die Beamten bei ihrer Arbeit oftmals in Steuerhäuser, die gemütlich wie Wohnungen mit Teppich und Wandschmuck eingerichtet sind.
„Wenn es gewünscht wird, ziehen wir die Schuhe aus“, fügt Engelmann hinzu. Schließlich gehe es um ein gütliches Miteinander. Überhaupt: Der Kontakt zwischen Ordnungshütern und Bürgern sei entspannter als im Straßenverkehr. Das liege auch daran, dass Rheinschiffer heutzutage strenge Auflagen und Kontrollen von den Reedereien auferlegt bekämen. Daher gebe es normalerweise wenig Probleme mit Alkohol oder gefährlichen Fahrmanövern.
Die Frauen und Männer der Gernsheimer Station sind indes nicht nur auf der Wasserstraße unterwegs, sie fahren auch regelmäßig mit Dienstfahrzeugen die Gegenden rund um die Uferbereiche ab. „Es ist natürlich nicht immer möglich, mit dem Boot an die Uferstellen zu gelangen“, stellt Hauptkommissar Engelmann klar. Ohne Auto gehe es daher auch bei der Wasserschutzpolizei nicht. Tatsächlich haben die Beamten viele Aufgaben zu bewältigen, bei denen sie an Land gehen müssen. So ist weder das Zelten am Ufer gestattet, noch dürfen Hundebesitzer in Naturschutzgebieten ihre Tiere ohne Leine laufen lassen.
Jeder Wasserstand hat Tücken
Um Straftaten zu ahnden oder zu vereiteln, kooperieren die Beamten auch eng mit den Kollegen an Land. Während sie im Sommer gemeinsam darauf achten, dass niemand ohne Genehmigung Fische aus dem Rhein angelt oder giftige Stoffe in den Strom kippt, nimmt im Herbst üblicherweise der Diebstahl von Außenbordmotoren zu.
Ob der Rhein Niedrigwasser führt, eine durchschnittliche Wassermenge oder womöglich Hochwasser – es geht auf dem Strom auch stets um Gefahrenabwehr. „Jeder Wasserstand hat seine Tücken“, sagt Frank Habich mit Nachdruck. Das Baden sei im Rhein zwar nicht grundsätzlich verboten. Der Hauptkommissar rät aber wegen der Risiken dringend davon ab – vor allem für Kinder sei es gefährlich. Selbst Erwachsene unterschätzten Strömungen und die Wellen der großen Schiffe immer wieder. Der daraus entstehende Sog könne so stark sein, dass er die Menschen in den Strom ziehe. /sm
Risiken beim Baden
In den ersten sieben Monaten des Jahres ist die Zahl der Badetoten in Hessen leicht gesunken. Insgesamt elf Menschen seien von Januar bis Juli ertrunken, berichtete die Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) Anfang August.
Die Behörden warnen vor Risiken beim Baden in Flüssen. So gilt etwa die Strömungsgeschwindigkeit im Rhein als sehr hoch. Vor allem an engen Stellen und Wasserbauwerken wie Brücken lauert Gefahr. Wirbel und Strudel im Bereich von Brückenpfeilern, Wehren, Schleusen oder an Hafeneinfahrten verstärken die Gefahr.
Ein fahrendes Schiff verdrängt nach Angaben der Wasserschutzpolizei etwa zwei Millionen Liter Wasser. Der Sog kann Schwimmer unter das Schiff ziehen. Auch Sprünge ins flache Wasser führen oftmals zu schwersten Verletzungen. wo/sm
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