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Von der Cannabis-Blüte aus Portugal bis zum Medikament aus Bensheim

Bergstraße. Die erste Ernte ist eingebracht. Gut 50 Kilogramm Blüten aus einem Gewächshaus in Portugal sind die Ausgangsbasis für medizinisches Cannabis der Firma Avextra, an dem das Bensheimer Pharma-Unternehmen Dr. Reckeweg beteiligt ist. Was nach der Ernte in dieser Woche folgt, gleicht einem Bürokratie- und Genehmigungs-Marathon. David Reckeweg-Lecompte, Geschäftsführer bei Avextra und Dr. Reckeweg, zählt die Etappen auf.

Von 
Michael Roth
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Bergstraße. Die erste Ernte ist eingebracht. Gut 50 Kilogramm Blüten aus einem Gewächshaus in Portugal sind die Ausgangsbasis für medizinisches Cannabis der Firma Avextra, an der das Bensheimer Pharma-Unternehmen Dr. Reckeweg beteiligt ist. Was nach der Ernte in dieser Woche folgt, gleicht einem Bürokratie- und Genehmigungs-Marathon. David Reckeweg-Lecompte, Geschäftsführer bei Avextra und Dr. Reckeweg, zählt die Etappen auf.

Zunächst müssen die Blüten für zwei Wochen in Portugal getrocknet werden. Dann werden Muster in ein zertifiziertes Labor im Land geliefert, das Inhaltsstoffe eingehend analysiert. Anschließend muss das Laborergebnis von einer portugiesischen Behörde überprüft werden. Erst bei drei validieren Ernten in Pharmaqualität gibt es eine Exportlizenz, das heißt, das Cannabis darf zur Weiterverarbeitung an die Bergstraße geliefert werden. Aber nur, wenn zuvor noch die Bundes-Opiumstelle, die deutsche Genehmigungsbehörde, ihr Okay gegeben hat. Das könnte nach Schätzung von Reckeweg-Lecompte im zweiten Quartal nächsten Jahres der Fall sein.

Bisher Blüten aus Kanada

Die Pharmazeutische Fabrik Dr. Reckeweg & Co. GmbH, so der vollständige Name, ist der sogenannte Lohnhersteller für Avextra. Das heißt die Produktion findet in Bensheim statt. Die Herstellungsanlagen sind von den deutschen Arzneimittelbehörden lizenziert und reguliert. Andere Wertschöpfungsstufen wie Anbau, medizinische Studien, Entwicklung und Vertrieb unterliegen der Federführung von Avextra, die ihren Sitz in Berlin hat.

Bislang werden die Cannabis-Blüten für die Produktion von medizinischem Cannabis in Bensheim aus Kanada bezogen. Ziel ist aber die gesamte Wertschöpfungskette in eine Hand, die von Avextra, zu bekommen, macht Reckeweg-Lecompte klar.

Der Marathon geht auch am anderen Ende der Wertschöpfungskette weiter. Derzeit werden Anknüpfungspunkte für erfolgreiche medizinische Studien für Verträglichkeit und Wirksamkeit gesucht, die jedes künftige Medikament nachweisen muss. Ziel von Avextra ist es, mit Cannabis-Medikamenten im hochregulierten Pharma-Markt mitzuspielen. „Das wird eine Fünf-Jahres-Reise“, sagt Reckeweg-Lecompte zum zeitlichen Horizont.

Genügend Platz für den Anbau

Und was wird, wenn Cannabis demnächst allgemein freigegeben wird, wie es die Bundesregierung plant? „Wir untersuchen auch diesen Business-Case und warten, bis die detaillieren rechtlichen Regelungen vorliegen“, so Reckeweg-Lecompte. Platz zum Wachstum für den Anbau in Portugal ist jedenfalls reichlich da. 240 Hektar Land stehen zur Verfügung. Zum Vergleich: Das erste Gewächshaus, aus dem die aktuelle Ernte stammt, ist 0,5 Hektar groß und hat eine Kapazität von 500 Kilogramm. Die Anbaumöglichkeiten können modular, sprich einfach und schnell ausgebaut werden.

Cannabisarznei Made in Germany

„Derzeit konzentrieren wir uns aber zu 100 Prozent auf medizinisches Cannabis“, so Reckeweg-Lecompte. Ziel ist: Ein therapeutisches Arzneimittel Made in Germany in höchster Qualität, dessen Wirksamkeit mit gesetzlich vorgeschriebenen Studien belegt ist, hieß es bei früherer Gelegenheit. Cannabis-Medikamente aus Bensheim sollen beispielsweise eine Alternative zu Opiaten werden. Schmerzpatienten sind hier derzeit die größte Zielgruppe. Im Gegensatz zu Opiaten hat Cannabis keine großen Nebenwirkungen.

Bisher darf Cannabis nur als sogenanntes Rezepturarzneimittel verwendet werden. Das heißt der Arzt verschreibt es und er Apotheker dosiert und mischt es zu einem fertigen Arzneimittel. Zuvor muss die Krankenversicherung die Therapie noch genehmigen.

Seit der Verabschiedung des Cannabis-als-Medizin-Gesetzes in Deutschland im Jahr 2017 haben Patienten, die an einer schwerwiegenden Erkrankung leiden und die bereits andere Therapieoptionen angewendet haben, grundsätzlich Zugang zur Therapie mit cannabisbasierten Arzneimitteln.

Auch wenn solche Arzneimittel bereits heute vielfach angewendet werden, ist das therapeutische Potenzial der Cannabispflanze noch lange nicht erforscht, heißt es bei Avextra. Sprich der künftige Markt kann noch sehr groß werden. Und die künftigen Ernten entsprechend auch.

Cannabisblüte. © P. Calheiros/Dr. Reckeweg

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