Bergstraße. Die Pegelstände im Kreis Bergstraße und in der Region sinken, die Lage hat sich - im Gegensatz zu anderen Teilen Deutschlands - entspannt. Zeit für einen ersten Rückblick auf den 72 Stunden dauernden Einsatz - und für ein großes Dankeschön an alle Helfer von Thomas Metz, Dezernent für Gefahrenabwehr im Kreis. "Das war der größte Einsatz von Feuerwehr, Technischem Hilfswerk und anderen Hilfsorganisationen im Kreis seit über 35 Jahren", fasst Metz zusammen. "Und alle haben großartige Arbeit geleistet." Verletzte gab es im Kreis Bergstraße nicht zu beklagen - abgesehen von den Insassen eines THW-Lkw, der beim Einsatz im Ried umstürzte.
In seiner Bilanz macht der Dezernent und Erste Kreisbeigeordnete zugleich klar: "Wir waren vorbereitet." Im Kreis lagen bereits vor dem Hochwasser Sandsäcke bereit, die sofort verwendet werden konnten, und auch jetzt wurden die Lager direkt wieder befüllt. "Hochwasserschutz ist ein Thema, um das wir uns weiter kümmern müssen", sagt Metz. Schon 2011 habe es ein Hochwasser gegeben, zwar nicht im gleichen Ausmaß, dafür aber in zeitlich geringem Abstand. "Auch aus Sicht der Politik muss das Thema Gefahrenabwehr Priorität haben", erklärt der Dezernent. "Und zwar auch bei der Finanzierung."
Kosten in sechsstelliger Höhe
Welche Kosten ein solcher Großeinsatz mit rund 750 Helfern allein in Biblis und über 1000 im gesamten Kreis mit sich bringt, verdeutlicht Kreisbrandinspektor und Einsatzleiter Wolfgang Müller mit einer ersten, wie er betont, "vorsichtigen" Schätzung: 200 000 Euro sind in Sand, Treibstoff, Gerätschaften und Verpflegung geflossen. Dennoch, so berichtet der Brandschützer, habe es mit dem Geld während des Einsatzes keine Engpässe gegeben. "Was wir brauchten, wurde besorgt", erzählt er.
Besonders freut sich der Brandinspektor über die Unterstützung aus der Bevölkerung. "Die Bürger haben gefragt, wie sie mithelfen können", berichtet er. "Nicht zu vergessen ist auch, dass viele uns Verpflegung gebracht haben, auch in der Nacht." Selbst viele Arbeitgeber, die ihre Mitarbeiter für den Einsatz freigestellt haben, hätten auf eine Vergütung für die verlorene Arbeitszeit verzichtet. "Daran sieht man, dass unsere Strukturen funktionieren", resümiert Müller.
So habe zu keiner Zeit das Risiko bestanden, dass es zu einer Katastrophe kommt, dass etwa der Damm in Biblis reißt. "Es hat uns sehr geholfen, dass die Weschnitz-Polder bei Lorsch geflutet wurden." Das sei zwar zum Leidwesen der Landwirte geschehen, die nun auf Teile ihrer Ernte verzichten müssen. "Aber wäre das nicht geschehen, dann wäre es brenzlig geworden." Viel weniger dramatisch wäre es allerdings auch zugegangen, wenn der Deich in Biblis nicht gerade saniert worden wäre, wie Müller einräumt. Insgesamt wurde er auf einer Länge von 650 Metern durch Sandsäcke erst um 30, dann auf 50, schließlich auf 80 Zentimeter extra Höhe aufgestockt.
Während Biblis mit 60 000 dort verbauten Sandsäcken im Mittelpunkt des Einsatzes stand, war die Lage gerade zu Anfang - am vergangenen Freitag - auch in anderen Teilen des Kreises angespannt. Bei Hirschhorn und Neckarsteinach mussten Straßen gesperrt werden, im Weschnitztal, bei Mörlenbach, Fürth und Birkenau, war der Fluss gefährlich angeschwollen. In Bensheim behielt man den Meerbach im Auge.
Neben der Deichsicherung an verschiedenen Stellen im Kreis gab es immer wieder Einsätze wegen vollgelaufener Keller, umgestürzter Bäume, die im aufgeweichten Grund keinen Halt mehr hatten, und abgerutschter oder abrutschgefährdeter Hänge - wie zuletzt im Bensheimer Stadtteil Schönberg.
Ehrenamt wurde bestärkt
Insgesamt sind Metz und Müller mit dem Ablauf des Einsatzes zufrieden: Die interkommunale Zusammenarbeit mit den Rettungskräften aus anderen Kommunen und die Zusammenarbeit zwischen den Helfern unterschiedlicher Organisationen habe reibungslos funktioniert - und auch der überregionale Austausch von Helfern und Gerät in der Metropolregion sei gelungen. "Die ehrenamtlichen Strukturen wurden bei diesem Einsatz bestärkt", zieht Metz Bilanz.
Nach dem Regen kommen die Mücken
Bergstraße. Vielen Überschwemmungsgebieten in Deutschland droht in den kommenden Wochen eine Mückenplage. Ob es dazu komme, hänge aber vom Wetter ab, sagt der Biologe Norbert Becker. "Wenn es zum Beispiel jetzt nach wie vor sehr kalt bleibt, dann sind die nicht stechlustig und auch nicht fluglustig." Werde es hingegen warm, "dann kann man schon sagen, dass die sich sehr stark bemerkbar machen" - und in manchen Bereichen zur Plage würden. Die Gefahr geht von sogenannten Überschwemmungsmücken aus. Die Weibchen der Plagegeister legen ihre Eier in den feuchten Senken der Auen ab. Werden sie bei einem Hochwasser überspült, schlüpfen die Larven, aus denen sich in einigen Tagen die Mücken entwickeln.
Paarung und Brutzeit
"Man kann davon ausgehen, dass es überall dort, wo es zu massiven Überschwemmungen gekommen ist und wo Auenbereiche da sind, oder auch Wiesen, die überschwemmt sind, dass es da zu Mückenplagen kommt", sagte Becker, wissenschaftlicher Direktor der Kommunalen Aktionsgemeinschaft zur Bekämpfung der Schnakenplage (KABS), die auch im Kreis Bergstraße im Einsatz ist.
Innerhalb der nächsten ein bis zwei Wochen werde es so weit sein. Zuvor müssten sich die Mücken paaren und die Weibchen eine "Blutmahlzeit" zu sich nehmen. "Ohne Blut können sie keine Eier entwickeln", sagte Becker über die Tiere, die fälschlicherweise oft als Schnaken bezeichnet werden. Denn die langbeinigen Schnaken können nicht stechen. "Die Entwicklung der Larven im Wasser ist temperaturabhängig", sagte Becker. Bei Wärme dauere sie etwa eine Woche, bei Kälte etwa zwei Wochen oder länger.
Die Mückenbekämpfer der KABS bekämpfen die Tiere vom Hubschrauber oder Boden aus mit einer Eiweißmischung. Diese wird von den Larven gefressen und zersetzt ihren Darm - und sie sterben.
Am Rhein sind die Mückenbekämpfer längst stark im Einsatz. Andernorts - etwa an der Elbe - sei das noch kein Thema, sagte Becker. Dort fehlten Erfahrung und Mitarbeiter für solche Einsätze, weil Hochwasser - im Gegensatz zum Rheingebiet - vergleichsweise selten sei. dpa
Der Einsatz in Zahlen
Wegen des Hochwassers gab es zwischen Freitag, 31. Mai, und Montag, 3. Juni, im Kreis Bergstraße insgesamt 140 Einsatzstellen - 52 davon in der Region Odenwald-Neckartal, 60 im Gebiet Bergstraße und 28 im Ried.
In Lampertheim wurden im Technischen Zentrum rund 60 000 Sandsäcke befüllt. Dafür wurden 600 Tonnen Sand verbraucht.
Zusätzlich wurden aus der Katastrophenschutzzentrale in Wetzlar in zwei Fuhren weitere 200 000 Säcke geordert, von denen noch etwa 80 000 übrig sind, die als Reserve für künftige Fälle eingelagert werden sollen.
Die Helfer im Kreis bekamen Unterstützung aus den Kreisen Darmstadt-Dieburg, Groß-Gerau, Odenwald, Hochtaunus und aus den Städten Mannheim und Darmstadt.
Die Weschnitz erreichte ihren höchsten Pegelstand von 3,81 Metern (Lorsch) am 31. Mai. Am Montag wurden noch 2,99 Meter gemessen.
Bei dem Einsatz im Kreis wurde die neue Digitalfunktechnik der Feuerwehr ohne Probleme eingesetzt. cel
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