Gorxheimertal. Nachdem die Weinheimer Feuerwehr vor zwei Wochen zu einem Dachstuhlbrand in Gorxheimertal gerufen worden war, musste sie bei ihrer Rückkehr erschreckenderweise feststellen, dass sich Anwohner über den Einsatz beschwert hatten. Die Kritik: Die Sirenen seien zu laut gewesen, weshalb sie sich in ihrem Schlaf gestört gefühlt hätten. Nun berichtete das ARD-Magazin Brisant (verfügbar noch bis zum Montag in der Mediathek) über diesen Fall und über einen Facebook-Post, der viele Reaktionen hervorrief.
Rückblick: Als Reaktion auf die Beschwerden der Anwohner verfasste der Pressesprecher der Weinheimer Feuerwehr, Ralf Mittelbach, den Facebook-Post und schilderte seine Sicht auf die Dinge (siehe nebenstehenden Text).
„Blickwinkel eines frühen Sonntagmorgens, wenn die Nachtruhe abrupt endet. Gedanken, die einem durch den Kopf gehen, wenn man die Beschwerdemails nach einem Feuerwehreinsatz zur Kenntnis bekommt“, startet Mittelbach den Einblick in seine Gedankenwelt, nachdem er von den Klagen der Bürger nach dem Dachstuhlbrand am Sonntagmorgen erfahren hat.
Demotivierende Rechtfertigungen
Was den Weinheimer Sprecher der Feuerwehr so stört, dass es „früher eine Selbstverständlichkeit war, mit anzupacken“. Heute gehe es nur noch darum, was die Feuerwehr tun muss. Es sei demotivierend, sich immer wieder rechtfertigen zu müssen.
„Was viele Bürger zum Beispiel unterschätzen: Wenn wir durch Tempolimit-Bereiche fahren, müssen wir trotzdem zügig zum Einsatzort kommen. In einer Tempo-30-Zone kann man natürlich als Verkehrsteilnehmer nicht damit rechnen, dass ein Feuerwehrfahrzeug angeschossen kommt. Deshalb sind Blaulicht und Martinshorn auch so wichtig.“
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Würde die Feuerwehr dies aus Lärmschutzgründen unterlassen, müsste sie sich an die Straßenverkehrsordnung halten. „Im Notfall kann das niemand wollen. Wir möchten Menschen in Notlagen helfen und haben auch unsere Anforderungen, wie schnell wir am Einsatzort ankommen müssen, zu erfüllen“, so Mittelbach. Sein Statement erzeugte große Resonanz. Sowohl die Kommentare unter seinem Post zum Thema zeigen, dass die Empörung über das Verhalten der Beschwerer groß ist. So groß, dass sogar überregional in der ARD über den Vorfall berichtet wurde.
Aus allen Blickwinkeln beleuchten
Im Gespräch mit unserer Redaktion über die überregionale Aufmerksamkeit berichtet Mittelbach, er habe zwar damit gerechnet, dass sein Beitrag auf Facebook für Gespräche und Diskussionen sorgen würde. Eine überregionale Aufmerksamkeit der Art habe er aber nicht kommen sehen.
Er betont, dass sein Post bewusst kein emotionales Statement seiner Person sein sollte. Er wollte sich nicht über die Beschwerdeführer auslassen, sondern das Thema aus allen Blickwinkeln beleuchten und dabei klarstellen, welche Positionen Betroffene, Anwohner und die Feuerwehr selbst einnehmen. So solle sich jeder im Text wiederfinden können und mehr Verständnis für die Gesamtsituation entwickeln, führt er weiter aus.
Mittelbach fügt hinzu, dass es bei seinem Post nicht darum gegangen sei, die Personen, die sich beschwert haben, in Misskredit zu bringen. Selbstverständlich sei die Feuerwehr weiter offen für Kritik und nehme diese gerne an. Allerdings müsse jede Kritik immer sachlich und fair bleiben.
Mittelbach erklärt sich die überregionale Aufmerksamkeit maßgeblich damit, dass das Thema bundesweit einen Nerv treffe. Nicht nur die Weinheimer Feuerwehr sei regelmäßig mit dem Thema konfrontiert, sondern viele mehr. Zudem sei dieses Problem kein einmaliges, sondern ein ständiges. Feuerwehren aus weiter entfernten Regionen hätten ihn kontaktiert und darum gebeten, ihnen den Text seines Statements zur Verfügung zu stellen, so dass auch sie auf ihren Webseiten oder in den Sozialen Medien über die Arbeit der Feuerwehr aufklären können.
Gleichgültigkeit entsteht
Auch Dankesworte anderer Feuerwehren wurden ausgesprochen. Denn es sei wichtig, dass das Thema mehr Aufmerksamkeit erfahre. Mittelbach hofft, dass die regionale und überregionale Resonanz zum Nachdenken anregt. Es sei wichtig, zu verstehen, warum die Feuerwehr ihre Arbeit überhaupt leiste.
„Wir gucken aufeinander“, betont Mittelbach. Die Bereitschaft zu helfen und mit anzupacken, müsse wieder steigen. Gerade heutzutage, da sich Brände aufgrund präventiver Bauweisen nicht mehr so leicht ausbreiten wie früher, entstehe manchmal eine Gleichgültigkeit gegenüber Betroffenen eines Brandes. Zusätzlich sei wichtig zu reflektieren, dass ein großer Teil der Feuerwehr seine Arbeit freiwillig und ehrenamtlich leiste.
Rauch drückt sich ins Tal
Die Lautstärke eines Martinshorns mag vielleicht stören, zeigt er sich weiter diplomatisch. Schlussendlich sei es aber auch ein Warnsignal in der Nacht, das ebenfalls für die Anwohner relevant werden kann - beispielsweise wenn sich der Rauch ins Tal drückt und das Schließen der Fenster notwendig wird.
Im Endeffekt gehe es darum, sachliche Aufklärungsarbeit zu leisten, so dass alle Beteiligten nachvollziehen können, wie die Feuerwehr im Einsatz zu ihren Entscheidungen kommt. /ü
Berührender Post in Auszügen
„Stell dir vor, es ist circa 4:50 Uhr in der Nacht, du schläfst und träumst vor dich hin. In deinem Traum knallt es plötzlich, immer und immer wieder bis du realisierst es ist kein Feuerwerk, sondern es ist real und es kommt von draußen. Du gehst ans Fenster und traust deinen Augen nicht, die Nacht ist taghell und im Haus gegenüber brennt der Dachstuhl in voller Ausdehnung. Flammen schlagen in den Himmel und dicker schwarzer Brandrauch macht sich breit. Wirklich realisiert hast du es nicht, aber du funktionierst und wählst die 112 – rufst die Feuerwehr.“
„Stell dir vor, es ist circa 4:52 Uhr in der Nacht, du schläfst und träumst vor dich hin. In deinem Traum nimmst du einen piependen Ton wahr, immer und immer wieder hämmert er sich in deinen Traum, bis zu du realisierst du wirst gerufen. Die Feuerwehrleitstelle hat deinen Funkmelder alarmiert und dir ist klar, jetzt muss es schnell gehen. Deine Familie wird auch geweckt, auch sie werden aus ihren Träumen gerissen und bekommen mit wie du gehst. Auch wenn die dich kennen und wissen, dass du zur Freiwilligen Feuerwehr gehst, ist es auch für sie immer wieder ein schlafloser Moment. Für Abschiedsgrüße ist keine Zeit und so bleibt für die Familie ungewiss was ist und auch die Sorge das alles gut geht. Allen ist klar, auch wenn jede Feuerwehrfrau und jeder Feuerwehrmann regelmäßig für den Ernstfall übt und gut vorbereitet ist, dass immer ein Restrisiko bleibt. Wo andere rausrennen, rennen wir rein.“
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