Bensheim. Wer behauptet, Tiere hätten kein Charisma und keine Seele, der hat garantiert noch keine Bekanntschaft mit den starken Viechern von Karin Hellert-Knappe gemacht. Die Künstlerin, die aus Halle/Saale kommt und mit ihrer Familie seit einigen Jahren in Einhausen lebt, lässt nämlich ihre Lieblingstiere ganz und gar Mensch sein - mit allen Vorzügen und Nachteilen.
Die Diplom-Buchkünstlerin, Illustratorin und Grafikerin zeichnet die Tiere mit spitzer Feder, mit viel Witz und Humor - und einer bewusst so gewählten Portion Gehässigkeit und Schlitzohrigkeit. Einige sind schlecht gelaunt und missmutig, andere rauchen wie ein Schlot, schauen zu tief ins Glas oder regen sich tierisch über den kreischenden Nachwuchs auf. Sie haben die unterschiedlichsten Marotten und Schrullen, aber auch ungeahnte Talente. So wie ein moppeliges Schweinchen, das graziös und im duftigen Ballettröckchen eine Pirouette nach der anderen dreht. Ein Traumtänzer eben. Seit Sonntag sind rund 40 Originale der 32-Jährigen in der Bensheimer Rathausgalerie im zweiten und dritten Obergeschoss zu sehen. Der Titel der Ausstellung lautet natürlich "Tierisch". Und tierisch gut sind die Bilder der Wahl-Bergsträßerin, die unwillkürlich und fast magisch ein Lächeln ins Gesicht der Besucher zaubern.
Schräge Vögel vor Magistratssaal
Dass "wir die Kunst ins Rathaus geholt haben", das freute insbesondere Bürgermeister Rolf Richter - und mit Sicherheit freut es auch die Bürger, die in den unterschiedlichsten Angelegenheiten hierher kommen und sich die Wartezeit jetzt auf angenehme Weise vertreiben können. Dass allerdings die Serie der "schrägen Vögel" von Karin Hellert-Knappe ausgerechnet vor dem Magistratssaal ihren Platz gefunden hat, bezeichnete Richter augenzwinkernd als "reinen Zufall" - und sorgte damit für Amüsement bei den zahlreichen Besuchern der Vernissage.
Da mochte Berthold Mäurer, seit vielen Jahren ein Fan der Kunst von Hellert-Knappe, hinter dem Bürgermeister nicht zurückstehen und behauptete frank und frei, dass "diese Ausstellung das Lachen ins Rathaus gebracht hat." Auch er, so gestand er ein, sei geradezu "verknallt in die Gesichtsausdrücke" der Schnapsdrosseln, der fiebrigen Pinguine und vor allem der Orchestermäuse aus dem gleichnamigen Musik-Kinderbuch.
Dem Wesenhaften auf der Spur
Die Künstlerin, die von sich selbst sagt, dass sie "nichts Niedliches und Süßes mag und ein bisschen bösartig und neckisch ist", sei stets dem "Wesenhaften auf der Spur" und verstehe ihr Handwerk aus dem Effeff: "Sie ist herzig boshaft", fasst Mäurer zusammen.
In einer kurzen Laudatio stellte er die 32-Jährige den Besuchern der Ausstellung vor, beschrieb ihren Werdegang, streifte ihre Jugend in Frankfurt/Oder, ihr Philosophiestudium in Leipzig, ihren Wechsel an die Hochschule für Kunst und Design und ihren Diplomabschluss. Überregional ist Karin Heller-Knappe, die auch Vorsitzende der Darmstädter Illustratoren ist, ebenfalls keine Unbekannte. So wurde beispielsweise ihr Buch "Hexe und Maestro" mit dem Jugendbuchpreis ausgezeichnet. Von den "Orchestermäusen" gibt es eine Hör-CD mit Einspielungen des Staatsorchesters Brandenburg.
Kurios und außergewöhnlich
Ihrer neuen Heimat an der Bergstraße zeigt sich die Künstlerin, die Mäurer überschwänglich als "Ringelnatz der Illustratoren" bezeichnete, ebenfalls verbunden. Ihr Nibelungen-Skatspiel ist seit langem vergriffen. Derzeit arbeitet an sie an einem Comic, der Lorsch und sein Weltkulturerbe zum Thema hat. Einige der neueren Arbeiten von Karin Hellert-Knappe, wie der Wimmelbaum und die vier Helden, hängen im Flur im zweiten Obergeschoss des Rathauses in direkter Nachbarschaft zu den kuriosen und außergewöhnlichen Insekten aus einer früheren Buchveröffentlichung.
Die Ausstellung ist zu den üblichen Öffnungszeiten des Rathauses bis zum 31. Dezember geöffnet. Die Originale von Hellert-Knappe sind unverkäuflich. Drucke können bei der Künstlerin bestellt werden.
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