Bergstraße. Der Countdown ist bei null. Langsam steigt der Ballon mit etwa fünf Metern pro Sekunde in die Höhe. Der Wind treibt ihn wie einen großen weißen Tropfen Richtung Nordosten. Nach rund drei Stunden sollte die mit Helium gefüllte Latexhülle in etwa 36 000 Metern Höhe platzen und die Messstation per Fallschirm Richtung Erde sinken. Wahrscheinlich irgendwo bei Fulda, knapp 200 Kilometer vom Starkenburg-Gymnasium entfernt.
In Heppenheim fand am Mittwoch ein leiser, aber dennoch recht spektakulärer Versuch statt: Anlässlich des „Wissenschaftsjahres 2023 - Unser Universum“ hat sich das Gymnasium an einer bundesweiten Schulaktion beteiligt, die Schülern einen praxisnahen Einblick in das Gebiet der Erdbeobachtung vermittelt.
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Ein Gemeinschaftsprojekt des Kreisausschusses mit den Schülerlabors DLR-School-Lab unter dem Dach des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR), das in Kooperation mit der Technischen Universität Darmstadt junge Menschen für die Welt des Forschens und Experimentierens begeistern will.
Vor Ort wurden die 25 Zehntklässler aus dem Wahlpflichtunterricht Naturwissenschaften von Jan Fuchs (Leiter des digi-space in Heppenheim) betreut.
Ideen junger Menschen umsetzen
Das Digital-Labor ist ein außerschulisches Kreisangebot, das im Rahmen von „Vision Bergstraße“ im Kontext einer regionalen Entwicklungsstrategie erarbeitet wurde. Eine Art Transferzentrum, entstanden, das junge Menschen dabei unterstützen soll, ihre Ideen umzusetzen. „Das Wetter ist gut, nur etwas zu windig“, so Fuchs, der auch als Referent für digitale Bildung im Kreis Bergstraße tätig ist.
Neben Corinna Simeth, Leiterin der Abteilung Kreisentwicklung und Grundsatz, und der Klimaschutzbeauftragte Reiner Pfuhl beobachteten auch Ralf Schlosser (DLR-School-Lab) vom MINT-Zentrum Darmstadt sowie zahlreiche Schüler die letzten Minuten vor dem Start auf der hinteren Wiese der Schule.
Die Aktion hatte etwas von einem Wissenschaftsfest: es gab Essen und Getränke, man spielte Musik (passend zum Start: Pink Floyd) und genoss das Finale eines gut halbjährigen Vorbereitungsprozesses, bei dem laut Schulleiterin Katja Eicke alle Beteiligten sehr gut und zielführend zusammengearbeitet hatten.
Das Experiment begann im Februar. Das Team verfolgte eine klare Mission: die Beobachtung der Erde mithilfe von zwei Kameras aus einer Flughöhe von über 30 Kilometern. Zu diesem Zweck hatten die Schüler vom DLR ein Set zum Bau einer eigenen Stratosphärensonde erhalten.
Auch zwei Kartoffeln waren an Bord
Zusätzlich zu den Kameras, die nach oben und horizontal filmten, hatten sie eine eigene individuelle Forschungsmission entwickelt und die nötigen Instrumente in die Sonde integriert.
Die Messwerte bezüglich Luftdruck, Temperatur und Feuchtigkeit sowie zu Aufstiegs-, Sink- und Bewegungsgeschwindigkeit wurden in einem Datenlogger mit 32 GB Speicherplatz aufgezeichnet.
Außerdem an Bord waren zwei Kartoffeln, durch deren Stärke man hinterher in einer Analyse mit Jod und Wasser quantitative Informationen über die Ozonwerte in der unteren Stratosphäre (dort befindet sich die Ozonschicht der Erde) erhalten kann.
In Heppenheim waren kurz nach 13 Uhr alle Augen nach oben gerichtet. Je weiter der Wetterballon aufstieg, desto stärker dehnt sich das Helium (rund 4000 Liter) im inneren durch den immer geringer werdenden atmosphärischen Druck aus. Auf gut 35 000 Metern Höhe erreicht ein Wetterballon dann eine Ausdehnung von gut elf Metern.
In dieser Höhe herrscht nur noch ein Umgebungsdruck von 0,01 Bar. Das ist gerade einmal ein Prozent von dem Wert auf Höhe des Meeresspiegels. Kurz vor dem Start hatte die Sonde samt Fallschirm ein Gewicht von 1200 Gramm. Das war leicht genug, um die Radiosonde in einer Styroporbox nach oben zu befördern. Darin war auch ein GPS-Gerät, um das kostbare Paket aufspüren zu können. Nach der Aktion werden die Ergebnisse in Projektberichten dokumentiert.
Die Bilder sind im Herbst zu sehen
Hinzu kommen kurze Videos mit eindrucksvollen Bildern der Erde aus der Stratosphäre. Eine Auswahl der beeindruckendsten Aufnahmen wird nach Abschluss der Missionen im Herbst auf einer Projektseite veröffentlicht.
Eine nahezu simultane Startkampagne mit bundesweit 20 beteiligten Schulen hat es noch nie gegeben, heißt es vom DLR. Das vermittle den Schülern über fachliche Aspekte hinaus ein übergreifendes Team-Gefühl: Alle engagieren sich gemeinsam in diesem wichtigen Forschungsgebiet, bei dem es letztendlich um den Gesundheitszustand unseres Planeten geht, so die Organisatoren, die vor Ort auch die Kosten übernehmen.
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