Corona

Steiler Anstieg für die Fahrrad-Branche

Von 
Felix Wolf
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Ob für den Alltag, den Ausflug oder als Gefährt für den Sport: Das Fahrrad erlebt in Pandemie-Zeiten einen wahren Boom. Das herkömmliche Trekking- oder Citybike gilt allerdings fast schon als Auslaufmodell: Im Trend liegt die Motorisierung. © Neu

Bergstraße. Die Pandemie schränkt Urlauber und Reisende ein. Wem zu Hause die Decke auf den Kopf fällt, den zieht es nach draußen. Der Spaziergang hat sich bei vielen als ein Ritual in dieser unsicheren Zeit etabliert. Die Verbindung aus Routine, frischer Luft und Bewegung sorgt für die nötige Abwechslung und das nähere Kennenlernen der eigenen Umgebung. Alle, die den Radius ihrer Expeditionen erweitern und einen Schritt weiter gehen wollen, greifen zum Fahrrad.

Werkstatt arbeitet am Anschlag

Dabei ist es egal, ob es sich um ein älteres Model handelt, das aus den Tiefen der Garage geborgen wird, oder um die Anschaffung eines nagelneuen Fahrrades. „Unsere Werkstatt arbeitet seit Beginn der Pandemie am Anschlag. Alles, was sich noch irgendwo im Keller findet, wird repariert. Zusätzlich werden sehr viele Räder trotz der schwierigen Umstände verkauft“, sagt Christoph Markwart von „Rad und Tat“ in Zwingenberg über die aktuelle Nachfragesituation auf dem Fahrradmarkt.

Auch in Lorsch und Einhausen macht sich die gestiegene Nachfrage bei den Radhändlern bemerkbar. So wurden bei „Olek’s Radsport“ in Einhausen 2020 mehr Räder verkauft als 2019. Auch Tord Steinbrock von „Odenwaldbikes Lorsch“ hat eine starke Zunahme des Interesses an Rädern bemerkt: „Mehr Menschen wollen dem Alltag und Corona entfliehen und Freiheit auf dem Rad genießen. Vor allem auch jüngere Menschen sind wieder auf Räder gestiegen. Auch wollen sich viele sportlich bewegen und haben Gravelbikes, Rennräder und Mountainbikes nachgefragt.“

Der Trend zum Pedelec zeichnet sich bei allen lokalen Radhändlern ab. Auch Christoph Markwart verzeichnet einen steilen Anstieg verkaufter Pedelecs: „Die gehen weg wie warme Semmeln.“ Als Pedelecs werden alle Fahrräder bezeichnet, die über eine Motorunterstützung verfügen, die aktiv wird, sobald in die Pedale getreten wird. Pedelec steht für „Pedal Electric Cycle“, als „Pedal elektrisches Rad“. Fährt das Rad auf Knopfdruck ohne Pedalunterstützung, spricht man von einem E-Bike. Erreichen diese eine Geschwindigkeit von mehr als 6 km/h, werden sie nicht mehr als Fahrrad, sondern als Kraftfahrzeug eingestuft. Diese benötigen mindestens ein Versicherungskennzeichen und eine entsprechende Fahrerlaubnis. Auch Tord Steinbrock bestätigt diese Entwicklung: „Das normale Trekking- oder Citybike ist quasi ein Auslaufmodell. Motorisierung liegt voll im Trend.“

„Wir haben überdurchschnittlich viele Pedelecs verkauft. Im Verhältnis zum konventionellen Fahrrad waren es sicher 90 Prozent“, merkt man bei „Olek’s Radsport“ an. Zudem seien durch die regionalen Gegebenheiten mehr Mountainbikes verkauft worden als beispielsweise in urbaneren Regionen wie Darmstadt, in denen vorrangig Lastenräder verkauft werden.

Preise ziehen an

Die gestiegene Nachfrage nach neuen Fahrrädern, aber auch nach Reparaturen und zugehörigen Teilen sorgen für Probleme bei der Warenbeschaffung, weil die Pandemie auch Lieferengpässe hervorruft. Christoph Markwart schätzt sich glücklich, die Krisenzeit gut überstehen zu können, und sieht der Zeit entgegen, in der ein reguläres Öffnen der Geschäfte wieder möglich wird. Zusätzlich sorgen die gestiegene Nachfrage und das dezimierte Angebot für einen Anstieg der Preise. Bei „Odenwaldbike“ in Lorsch geht man nicht so bald von einer Normalisierung des Marktes aus. „Aufgrund der weltweiten Lieferverzögerung wird es nicht einfach, neue Räder zu bekommen. Der Kunde muss kompromissbereit und schnell sein.“

Prognosen über den Erhalt oder Zerfall des Fahrrad-Hypes lassen sich nicht absehen. Zu ungewiss sei die Antwort auf die Frage, was passiert, wenn die Möglichkeit von Urlaub zu Hause nicht mehr die einzige ist und die Bewohner der Bergstraße und des Odenwaldes wieder die Möglichkeit bekommen, in andere Länder zu verreisen.

Mehr Mitglieder beim RTC

Doch nicht nur im Fahrradhandel macht sich das gestiegene Interesse am Radsport bemerkbar. Auch Meik Schäfer vom Radtouristikcenter Bergstraße (RTC) spricht von einem enormen Mitglieder-Anstieg, vor allem im Bereich Mountainbiking. „Aufgrund des höheren Verkehrsaufkommens auf unseren Mountainbike-Strecken am Fuchstrail benötigen diese mehr Pflege.“ Durch die hohen Verkaufszahlen von Mountainbikes im vergangenen Jahr geht man beim RTC von einer weiteren Trendzunahme im Bereich Mountainbike an der Bergstraße aus.

Um der gestiegenen Nachfrage gerecht zu werden, plant der RTC bereits die Ausweitung des Mountainbike-Angebotes an der Bergstraße. Wann es zu diesem kommen wird, ist aufgrund des Planungsprozesses und des dazugehörigen Aufwandes noch ungewiss. Der steile Anstieg des Interesses innerhalb der Radbranche lässt sich auch an der Bergstraße nicht von der Hand weisen. Christoph Markwart sieht der weiteren Entfaltung des Trends freudig entgegnen: „Das Fahrrad hat endlich den Stellenwert bekommen, den es verdient hat.“

Redaktion

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