Bergstraße. Viele Unternehmen legen derzeit ihre Russlandgeschäfte auf Eis oder stellen es mitsamt Produktion vor Ort ganz ein. Die Liste ist lang und prominent: Alle namhaften Autohersteller von Mercedes über BMW bis hin zu Toyota sind dabei. Aus der Elektronikbranche Sony und Nintendo, Mc Donald’s, Starbucks und Coca Cola aus dem Ernährungsbereich. Vergangene Woche erst hat der Weinheimer Freudenberg-Konzern angekündigt, den Handel mit Russland einzustellen.
Eine entsprechende Anfrage bei Dentsply Sirona, dem Ausrüster von Zahnarztpraxen und Hersteller von Verbrauchsmaterialien in Zahnarztpraxen und auch dem größten Arbeitgeber an der Bergstraße, wurde von einer Unternehmenssprecherin wie folgt beantwortet. Hier der Wortlaut:
„Als globales tätiges Unternehmen in der Dentalbranche sind wir den höchsten Standards in Ethik und Compliance verpflichtet. Dazu gehört selbstverständlich, dass wir uns an geltendes Recht halten; auch mit Blick auf Handelssanktionen und Exportkontrollen. Wir beobachten die Situation genau und sind bereit, alle notwendigen Schritte zu unternehmen, um die Bestimmungen einzuhalten.
Freudenberg stoppt den Handel mit Russland und spendet
- Auch Weinheims größter Arbeitgeber, die Freudenberg-Gruppe, hat jetzt auf die russische Invasion in der Ukraine reagiert. Der Handel von und nach Russland und Belarus werde vollständig gestoppt, erklärte der Vorstandsvorsitzende Mohsen Sohi in einer Stellungnahme.
- „Die brutalen Bilder des Krieges in der Ukraine machen uns fassungslos. Freudenberg bekennt sich zu einem offenen, freien Europa und einem weltweiten friedlichen Miteinander. Wir stehen fest an der Seite der Menschen in der Ukraine und unterstützen die verhängten Sanktionen“, schreibt Sohi.
- Darüber hinaus werde das Unternehmen drei Millionen Euro als humanitäre Soforthilfe spenden, kündigte der Vorstandsvorsitzende an.
- Freudenberg ist mit mehreren seiner Gesellschaften in Russland vertreten. So produziert Freudenberg Politex seit 2012 in der Region Nizhniy Novgorod Vliesstoffe für die russische Bauindustrie. Der Betrieb in dieser Fabrik laufe weiter, da die Rohstoffe überwiegend aus Russland bezogen und die Produkte auch dort verkauft werden. Niederlassungen von Freudenberg-Gesellschaften gibt es zudem in Moskau und Sankt Petersburg.
- Ansonsten hält sich Freudenberg weitgehend bedeckt, was konkrete Angaben zum Russlandgeschäft betrifft. Zu Mitarbeiterzahlen wollte sich das Unternehmen aufgrund der aktuellen Situation nicht äußern. Insgesamt sei das Russlandgeschäft aber „sehr klein“.
Nur aus russischen Beständen
Seit mehr als 20 Jahren gibt es das Team von Dentsply Sirona in Russland. Aktuell umfasst es rund 200 Vertriebsmitarbeiter, produziert wird in Russland nicht. Als Unternehmen sind wir uns unserer Verantwortung unserer dortigen Belegschaft und ihren Familien gegenüber bewusst und gleichzeitig gilt unser volles Mitgefühl den Menschen in der Ukraine. Angesichts der dynamischen Situation in Russland und der Ukraine sind längerfristig gültige Aussagen aktuell nur schwer zu treffen.“
Dentsply Sirona sieht sich wie viele andere Medizin- und Medizintechnik-Unternehmen derzeit in einer Art Russland-Dilemma. Sollte der russische Markt nicht weiter beliefert werden, leiden die Patienten. Wird er weiter beliefert, setzt man sich dem Verdacht aus, trotz Ukrainekrieges, das Geschäft nicht aufgeben zu wollen und dieses über alles andere zu stellen.
Derzeit werden nach Angaben der Sprecherin von Dentsply Sirona ausschließlich Produkte direkt oder über Händler an Zahnärzte in Russland ausgeliefert, die für eine Behandlung notwendig sind, um Zahnschmerzen bei Patienten zu lindern – etwa Instrumente und Verbrauchsmaterial für Wurzelbehandlungen oder Füllungen.
Die Mengen kommen aus den noch vorhandenen russischen Beständen. Lieferungen aus dem Ausland sind derzeit so gut wie nicht möglich, auch das Bezahlen von Rechnungen nicht. Die Devisenausfuhr ist verboten.
Vor dem Ukrainekrieg wurde das gesamte Sortiment des Konzerns nach Russland geliefert. Darunter komplette Einrichtungen und Geräte für Zahnarztpraxen. In Russland gibt es keine nationalen Hersteller von Dentaltechnik. Alles muss importiert werden. Auch die Konkurrenz von Dentsply Sirona ist im russischen Markt weiterhin aktiv, heißt es aus der Branche. Kunden, die auf Sanktionslisten stehen, dürfen jedoch nicht beliefert werden.
Wie viele internationale Unternehmen hat auch Dentsply Sirona Standorte in der Ukraine. Dort werden etwa 60 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Land beschäftigt. Die oberste Priorität liegt nach Angaben der Unternehmenssprecherin darauf, die größtmögliche Sicherheit der Kollegen vor Ort sicherzustellen und sie in dieser schwierigen Zeit zu unterstützen, so gut es möglich ist.
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Hilfe für Mitarbeiter in der Ukraine
Wie die Sprecherin weiter mitteilt, wurden bereits vor bereits vor einigen Wochen verschiedene Maßnahmen auf den Weg gebracht. Dazu gehöre, dass das Unternehmen bereits Mitte Februar allen Mitarbeitern aus der Ukraine und deren Familien eine vorübergehende Unterbringung in Ausweichquartieren in der Stadt Lviv nahe der Grenze zu Polen angeboten habe. Zudem unterstützen man Menschen, die das Land verlassen wollen oder schon haben, und stelle temporäre Unterkünfte zur Verfügung. Ein unternehmensinterner Krisenstab halte den Kontakt zu den Mitarbeitern, die weiterhin vor Ort sind.
Darüber hinaus habe man verschiedene weitere Hilfen auf den Weg gebracht und prüfe fortlaufend, was noch für die Menschen getan werden könne. Auch innerhalb der Belegschaft sei die Solidarität überwältigend: Neben zahlreichen individuellen Initiativen einzelner Mitarbeiter gebe es eine unternehmensweite Spendensammlung, deren Erlös den vom Krieg betroffenen Kollegen zugutekomme.
Das Unternehmen habe zudem eine Spende von 50 000 Euro an die Flüchtlingshilfe des Roten Kreuzes in der Ukraine angekündigt. Auch Sachspenden werden derzeit organisiert. An dieser Stelle besonders hervorzuheben sei das überwältigende Engagement der polnischen Kollegen.
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