Lampertheim. „Es wird schwierig, den Betrieb der beiden Kläranlagen ab 1. Oktober 2025 aufrechtzuerhalten.“ Dieser Satz steht im aktuellen Controllingbericht, den die Stadtverwaltung Lampertheim dem Haupt- und Finanzausschuss in seiner jüngsten Sitzung an eben jenem 1. Oktober vorgelegt hat. „Ich habe heute Morgen gezittert, als ich die Toilettenspülung betätigt habe, ob noch alles weggespült wird.“
Mit diesen Worten griff Jens Klingler, Fraktionsvorsitzender der SPD im Lampertheimer Stadtparlament, den Sachverhalt in der Sitzung auf. Er hatte den Bericht offenbar gründlich vor der Sitzung durchgelesen. „Was ist da los?“, wollte er wissen und regte an, über die Situation in der Kläranlage in der nächsten Sitzung des Stadtentwicklungs- und Bauausschusses zu sprechen.
Im gesamten Fachbereich Bauen und Umwelt fehlen Fachkräfte
„Wir haben immer wieder dargestellt, dass wir im gesamten Fachbereich 60 - Bauen und Umwelt, zu dem die Kläranlage gehört – Personalmangel haben“, entgegnete Bürgermeister Gottfried Störmer. Hier brauche die Stadt vor allem Fachkräfte. Im Fachdienst 60-1 Stadtentwässerung, zu dem die Kläranlage gehört, fehlten aktuell ein Elektriker und eine Fachkraft für Abwassertechnik. Beide Vollzeitstellen seien zum Teil bereits mehrfach ausgeschrieben worden, nur beworben habe sich niemand. Die Stadt bemühe sich außerdem, Auszubildende für diesen Bereich zu finden, doch auch das gestalte sich schwierig. Mangels Bewerbern würde derzeit der Betrieb mit Hilfskräften eines externen Dienstleisters aufrechterhalten. „Es ist bisher nicht gelungen, die offenen Stellen zu besetzen“, so Störmer.
Abwasserreinigung in Lampertheim
- Lampertheim verfügt über zwei Kläranlagen : eine in Lampertheim und eine in Hofheim.
- Die Lampertheimer Kläranlage befindet sich im Industriegebiet Nord . Hier wird das Abwasser aus Lampertheim, Neuschloß und Hüttenfeld aufbereitet. Sie wurde 1964 erbaut und 1978 und 1996 erweitert.
- Die Kläranlage in Hofheim reinigt die häuslichen und gewerblichen Abwässer der Stadtteile Hofheim, Rosengarten und Wehrzollhaus. Sie wurde 1974 gebaut und 2000 ausgebaut. swa
Die Situation werde sich durch neue Weggänge weiter verschlechtern, heißt es in dem Controllingbericht. Zum 30. September haben zwei weitere Mitarbeiter gekündigt. „Die verdienen bei anderen, nicht-öffentlichen Arbeitgebern mehr Geld. Wir sind an den Tarifvertrag gebunden und können – auch aus Rücksicht auf benachbarte Kommunen – nicht über Tarif bezahlen“, so Störmer. Irgendwie werde der Betrieb sichergestellt, erklärte der Bürgermeister.
Dass dies zurzeit auch mit Hilfskräften gelingen kann, liegt unter anderem daran, dass in der Lampertheimer Kläranlage aktuell kein regulärer Betrieb möglich ist. Dies erläuterte Störmer auf Anfrage dieser Redaktion. Seit dem ersten Quartal dieses Jahres gibt es demnach ein Problem mit dem Faulturm der laut Störmer in „die Jahre gekommenen“ Anlage. Halbflüssige Feststoffe waren an einigen Stellen nach außen gelangt. Deswegen musste der 1.830 Kubikmeter fassende Faulturm entleert und begutachtet werden. Dabei wurde festgestellt, dass der Turm aus Betonplatten zusammengesetzt und innen mit einer Beschichtung abgedichtet wurde. An den Fugen zwischen den einzelnen Platten gebe es inzwischen aber Stellen, die nicht mehr richtig dicht sind.
Faulturm kann und muss repariert werden – für Minimum 800.000 Euro
Wie Störmer weiter erklärte, könne das repariert werden. Das habe auch das Regierungspräsidium als Aufsichtsbehörde bestätigt. Der Gutachter hat für die Reparatur Kosten in Höhe von 800.000 bis eine Million Euro errechnet. Das müsse demnächst in den städtischen Gremien beraten und nach entsprechendem Beschluss der Auftrag ausgeschrieben werden. Aktuell wird der Schlamm, der nach der Aufbereitung des Abwassers übrig bleibt und normalerweise im Faulturm bei etwa 37° Grad Celsius vergoren und anschließend mit einer Schlammpresse zu einer Trockensubstanz verdichtet wird, mit Lastwagen zu anderen Kläranlagen transportiert und dort weiterbearbeitet.
Wie es personell weitergeht, wenn der Betrieb in der Lampertheimer Anlage wieder regulär laufen kann, ist derzeit noch offen. „Wir bemühen uns regelmäßig und hoffen sehr, dass wir jemanden finden“, bleibt Störmer optimistisch. Auch mit der langfristigen Perspektive der Kläranlage werden sich die Lampertheimer Kommunalpolitiker in den nächsten Jahren beschäftigen müssen. Nach EU-Recht müssen Kläranlagen in Zukunft über eine sogenannte vierte Reinigungsstufe verfügen. Mit diesem zusätzlichen Reinigungsverfahren sollen weitere Elemente aus dem Abwasser herausgefiltert werden. Hierbei geht es um schwer abbaubare Spurenstoffe aus Reinigungsmitteln, Kosmetik- oder Medizinprodukten, die sich negativ auf Mensch und Umwelt auswirken.
Vierte Reinigungsstufe wird kommen müssen
Noch ist diese vierte Reinigungsstufe nicht verpflichtend. Doch die EU-Mitgliedsstaaten müssen bis Ende Juli 2027 die Kommunalabwasserrichtlinie der EU in nationales Recht umsetzen. Die Richtlinie sieht eine Reduktion der Spurenelemente und anderer Stoffe vor. Dafür werden Um- oder Neubauten an den Kläranlagen nötig sein. „Eine Kooperation mit Bürstadt in dieser Sache ist bei uns in der Verwaltung immer wieder ein Thema“, sagt Störmer. Den Neubau einer gemeinsamen Kläranlage für beide Städte, der in der Vergangenheit des Öfteren diskutiert wurde, schließt Störmer zum jetzigen Zeitpunkt aus. Eher denkbar wäre aus seiner Sicht, Bürstadt und Lampertheim an die Mannheimer Kläranlage anzuschließen.
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