Medienpädagogik - Projekt Klasse Kids motivierte Viertklässler an der Joseph-Heckler-Schule / Präsidenten-Hund und Lauresham-Ochsen weckten Interesse

Schüler entdecken die Zeitung spielerisch

Von 
Thomas Tritsch
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Zeitungslektüre im Rahmen des BA-Projekts Klasse Kids in der Bensheimer Joseph-Heckler-Schule: Unser Foto aus der Klasse Klasse 4b zeigt (v.l.): Paul, Lehrerin Katja Straschil, Loresa, Latisha, Emily und Leonie. © Zelinger

Bergstraße. Star der Ausgabe vom 11. März war zweifellos Major. Der Schäferhund des US-Präsidenten Joe Biden trabt auf dem Rasen vor dem Oval Office. Doch Amerikas „First Dog“ und sein jüngerer Kollege Champ sind für das Weiße Haus offenbar etwas zu beißwütig. Also wurden die Vierbeiner – nach überaus kurzer „Amtszeit“ – zurück in Bidens Privathaus nach Delaware verfrachtet.

„Aus aller Welt“ ist auch in der Klasse 4b der Joseph-Heckler-Schule eine der Lieblingsseiten. Und das dpa-Foto vom einsamen Präsidenten-Hund vor dem Washington Monument ließ an jenem Donnerstag alle anderen Bilder hinter sich. Einzige Ausnahme: Zwei Archivfotos vom sonnendurchfluteten Freilichtlabor Lauresham in Lorsch. „Endlich machen die wieder auf“, klingt es aus der letzten Reihe im ausgedünnten Klassenzimmer.

Es ist Wechselunterricht, die Hälfte der Kinder ist vor Ort. Die anderen bleiben heute zuhause. Doch die Zeitung wird sie erreichen. „Wir haben einen Bringdienst eingerichtet“, so Klassenlehrerin Katja Straschil. Wer in der Nähe wohnt, liefert den BA frei Haus.

Zuvor flattert die Tageszeitung kostenlos in die Schule. So, wie das seit 2009 beim medienpädagogischen Projekt „Klasse Kids“ üblich ist. Vier Wochen lang lesen dritte und vierte Klassen im Kreisgebiet täglich den Bergsträßer Anzeiger, der in Klassensatzgröße zur Verfügung gestellt wird. Zusätzlich gibt´s Unterrichtsmaterial und eine Projektmappe für jeden Schüler. Der Anspruch: ein spielerisches Entdecken der Zeitung samt ihrer Ressorts und Rubriken auf den Lokalseiten und im überregionalen Teil.

Lokale Ereignisse interessieren

„Die Schüler werden täglich fitter“, so die Lehrerin bei der Suche nach dem Foto des Tages: Jeder sucht sich sein Lieblingsmotiv und erläutert es kurz. Neben amerikanischen Hunden und Lorscher Ochsen waren das an diesem Tag Mandelblüten am Hemsberg und Astronauten auf dem Mond.

Aber auch die Einhäuser Mehrzweckhalle wurde sofort wiedererkannt: „Da wohnt mein Cousin“, erklärte eine Schülerin und bestätigte, dass heimische Motive und lokale Ereignisse auch bei ganz jungen Lesern eine gewisse Aufmerksamkeit erzeugen. Das schaut im Sport ganz ähnlich aus. Neben dem Interesse für Sebastian Rode und seine Frankfurter Eintracht rangieren auch Bergsträßer Vereine recht weit oben auf der Rangliste der nächsten Generation, die sich – allen Unkenrufen zum Trotz – sehr wohl noch für Printmedien begeistern zu können scheint. „Das ist einfacher zu lesen“, so eine zehnjährige Bensheimerin, die demnächst auf die Liebfrauenschule wechseln wird und die ersten beiden Wochen „Klasse Kids“ als spannende Bereicherung des Unterrichts kommentiert.

„Wer macht die ganzen Fotos“, wollte Paul wissen, der sich bestens im britischen Königshaus auskennt und sich manchmal, genau wie Loresa, eine etwas leichtere Sprache und weniger Schachtelsätze wie diesen wünschen würde, um Zusammenhänge besser verstehen zu können.

Genau darum geht es: Durch die regelmäßige Lektüre sollen die Schüler lernen, den Sinn eines Textes zu erfassen, ihn zu- und einordnen zu können. Dass eine Meldung über den Rausschmiss des Biden-Bellos weniger „ernsthaft“ ist als die Impf-Strategie der Bundesregierung von Seite eins war den jungen Leuten schnell klar. Eine Kompetenz, die dabei hilft, relevante von leichten Themen und seriöse Nachrichten von „Fake News“ unterscheiden zu können.

Tiere, Ferien und Gewinnspiele

Die Prioritäten in der vierten Klasse sind sonnenklar: Tiere, Ferien und Gewinnspiele, dazu eine Prise Feuerwehr und Polizei als spannungsförderndes Element. Kein Problem: Jeden Tag wartet ein dicker Stapel Zeitungen auf die insgesamt 25 Schüler.

An der Joseph-Heckler-Schule ist neben der 4b noch eine dritte Klasse dabei. Die Klassenlehrer bestimmen, in welcher Dosis und in welchen Fächern die Zeitung zum Einsatz kommt. Nicht nur in Deutsch, sondern auch in Sachkunde oder in der Kunststunde kann die Zeitung gute Dienste leisten – und sei es nur zum Basteln. Für viele ist die tägliche Kinderwelt auf der Freizeit-Seite ein softer Einstieg in die Lektüre. Hier werden wichtige Nachrichten altersgerecht aufbereitet und plastisch erläutert.

„Wir lesen Artikel und formulieren Fragen zu Inhalt und Form“, so Katja Straschil, die mit dem BA als Unterrichtsstoff so flexibel umgeht, wie es auch vorgesehen ist. Normalerweise beginnt der Schultag mit der Zeitung. Dann werden Bilder und Texte gemeinsam besprochen und bewertet. Ein Austausch, der viel zum Verständnis der Artikel beiträgt und das Interesse schürt, berichtet die Klassenlehrerin aus der täglichen Praxis. Zu einigen Meldungen haben die Kinder bereits Kommentare, Interviews oder Geschichten geschrieben. Auch als Hausaufgabe bietet das Blatt reichlich Stoff zur individuellen Auseinandersetzung, etwa in Form kleiner Berichte oder kurzen Zusammenfassungen längerer Beiträge.

Die Projektmappen der Schüler sind jedenfalls schon reichlich mit Arbeitsblättern rund um das Thema Zeitung gefüllt. Auch Corona ist ein Thema. Ein Schüler berichtet regelmäßig über die aktuelle Entwicklung im Kreis, die verbal und bildhaft dargestellt wird. Auch das hilft ein Stück weit bei der Orientierung in einer komplexen Welt, die sich in der Zeitung auf wenigen Seiten in komprimierter Form spiegelt.

Und was wird noch gelesen? Der Kulturteil natürlich. Vor allem an diesem Tag. Denn Janosch wurde 90 Jahre alt. Der Autor, Künstler und Tigerenten-Papa schaut freundlich aus der Zeitung heraus. Der dazugehörige Artikel beginnt mit einem seiner „Hosentaschenabzählreime“. Kluger Einstieg. Die Kids der 4b haben das natürlich gelesen. Auch wenn die restlichen 150 Zeilen dann doch arg lang sind. Zu lang für manchen Grundschüler. Noch.

Freier Autor

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