Bergstraße. Prof. Dr. Rizos, wie bemerke ich einen Schlaganfall? Was sind klassische Symptome?
Prof. Dr. Timolaos Rizos: Es gibt den FAST-Test. F steht für Face - Gesicht. Wenn also plötzlich jemand einen schiefen Mundwinkel hat, dann könnte das ein Symptom für einen Schlaganfall sein. A steht steht für Arm. Dabei geht es um eine - meist - halbseitige Lähmung von Armen und / oder Beinen. S steht für Speach - wer also eine Beeinträchtigung der Sprache aufweist, zum Beispiel auf einmal undeutlich spricht oder Wörter verwechselt könnte gerade einen Schlaganfall erlitten haben.
Mit diesem FAST-Test können auch Laien Symptome eines Schlaganfalls gut erkennen. Und T steht übrigens für Time - die Zeit. Also wenn solche Symptome auftreten, geht es darum, dass Patienten sofort in fachkundige Hände, also in eine sogenannte Stroke Unit - eine Schlaganfallstation - kommen. Das heißt, bitte keinen Umweg über den Hausarzt und auch nicht abwarten, ob es von alleine wieder weggeht. Auch bei einem einzigen der FAST-Symptome gilt, dass man das so schnell wie möglich abklären sollte. Lieber einmal zu oft, als einmal zu wenig. Und direkt den Rettungswagen über die 112 rufen.
Was genau ist eigentlich ein Schlaganfall und wie behandelt man ihn?
Rizos: Wir unterscheiden zwischen zwei Arten von Schlaganfällen. Bei der ersten ist die Ursache eine Ischämie. Das heißt, es kommt zu einer Minderdurchblutung des Hirngewebes durch einen Gefäßverschluss. Diese Gefäße versorgen das Hirngewebe einer bestimmten Region im Gehirn und diese Versorgung, also die Durchblutung, wird durch den Verschluss unterbrochen. Das Hirngewebe dieser Region stirbt dann ab.
Und hier sind wir beim Thema Zeit. So ein Gefäßverschluss muss sofort behandelt werden. Die Akutbehandlung nennt sich Rekanalisierung. Das bedeutet, wir versuchen das Gefäß wieder zu eröffnen. Da gibt es zwei Möglichkeiten. Zum einen die Thrombolyse, dabei wird ein Medikament gespritzt, das Gerinnsel auflösen kann und das Blut kurzzeitig sehr stark „verdünnt“. Im besten Falle werden die Beschwerden schnell deutlich besser. Zum anderen gibt es als Option die Thrombektomie, die bei sehr großen Gefäßverschlüssen angewandt wird.
Da wird das Gefäß über einen Mikro-Katheter wiedereröffnet. Für beide Therapieansätze haben wir wenig Zeit zur Verfügung. Für die Thrombolyse haben wir nach Auftreten der ersten Symptome meist nur 4,5 Stunden Zeit. Für die Thrombektomie haben wir manchmal etwas mehr Zeit. Aber es gilt in jedem Fall: Je früher mit der Therapie begonnen wird, desto höher ist die Chance, dass der Patient den Schlaganfall möglichst gut übersteht. Je später der Patient bei uns ist, desto weniger Optionen für eine Wiedereröffnung der Gefäße haben wir.
Worum handelt es sich bei der zweiten Art der Schlaganfälle?
Rizos: Zum anderen gibt es noch die Hirnblutung. Die Symptome einer solchen Hirnblutung sind identisch mit einer Ischämie, aber die Behandlung ist sehr unterschiedlich. Deshalb braucht man bei jedem Patienten, bei dem ein Schlaganfall angenommen wird, vor Beginn einer Akuttherapie zwingend ein CT oder ein MRT, um einschätzen zu können, um welche Art Schlaganfall es sich handelt.
Wenn jemand beispielsweise eine Hirnblutung hat und wir würden ihm blutverdünnende Medikamente geben, wie bei einem Gerinnsel üblich, dann verschlimmern wir die Situation. Oft ist die Ursache für Hirnblutungen ein deutlich zu hoher Blutdruck oder auch die Einnahme gerinnungshemmender Medikamente. Solche Medikamente machen wir dann in der Akut-Behandlung schnell unwirksam. Falls ein starker Bluthochdruck vorliegt, senken wir diesen aggressiv und umgehend.
Die größte Gefahr ist, dass sich die Blutung vergrößert und weitere Schäden am Gehirn auftreten. Hier zählt ebenfalls jede Minute, da wir den Schaden, den eine Blutung im Gehirn angerichtet hat, nicht rückgängig machen können und wir unbedingt vermeiden wollen, dass sich die Blutung vergrößert.
Was sind denn Risikofaktoren für Schlaganfälle? Gibt es bestimmte Auslöser?
Rizos: Der bereits erwähnte Bluthochdruck, Diabetes, Rauchen oder hohe Blutfettwerte zählen zu häufigen Ursachen. Auch sehr junge Patienten können übrigens schon einen Schlaganfall erleiden – beispielsweise wegen eines Herzfehlers. Generell empfiehlt sich bei der Schlaganfallprävention ein gesunder Lebensstil. Aber es gibt Risikofaktoren wie das Alter oder die familiäre Vorbelastung, die wir nicht beeinflussen können.
Vita Prof. Dr. Timolaos Rizos
Seit Gründung der Abteilung Neurologie am Kreiskrankenhaus Bergstraße im Jahr 2023 ist Professor Dr. Timolaos Rizos Chefarzt und ständiger Vertreter des Ärztlichen Direktors Neurologie.
Zuvor war er mehr als zehn Jahre an der Klinik und Poliklinik für Neurologie des Universitätsklinikum Heidelberg (Prof. Wolfgang Wick) tätig, darunter mehrere Jahre als Oberarzt.
Das Medizinstudium absolvierte er in Greifswald und Würzburg mit Auslandsaufenthalten in der USA, der Schweiz, Griechenland und Nigeria.
Wissenschaftlich beschäftigt er sich vorwiegend mit der Akuttherapie und der Sekundärprophylaxe des akuten Schlaganfalls, zahlreiche Veröffentlichungen in hochrangigen Fachzeitschriften resultieren hieraus. asch
Es gibt auch manchmal Bagatell-Traumen, die einen Schlaganfall verursachen können. Ein Beispiel ist das Haare waschen beim Friseur, wenn der Kopf nach hinten überstreckt in das Waschbecken hält gelagert wird – das kennt wahrscheinlich jeder. Es gibt tatsächlich beschriebene Fälle, bei denen es dadurch zu Gefäßverletzungen der Nackengefäße kam, die wiederum – meist mehrere Tage später – einen Schlaganfall auslösten.
Dies kommt glücklicherweise extremst selten vor und das sind Risikofaktoren, die wir im Alltag nicht beeinflussen können Ich würde natürlich niemandem raten, sich beim Friseur die Haare nicht mehr waschen zu lassen. Trotzdem zeigt dieses Beispiel, dass die Ursache von Schlaganfällen ganz unterschiedlich sein können und auch ansonsten völlig gesunde Menschen einen Schlaganfall erleiden können.
Muss es zur Behandlung denn immer die Stroke Unit – also eine Schlaganfallstation – sein?
Rizos: Es sollte immer eine Schlaganfallstation sein, da hier die Experten tätig sind, die sich mit dem Krankheitsbild am besten auskennen, eine gewisse Geschwindigkeit bei der Diagnostik gewährleistet ist und die entsprechenden Therapien auch durchgeführt werden können. Der Rettungsdienst warnt uns bereits auf der Anfahrt vor. Wir haben hier ein Schlaganfalltelefon, das 24 Stunden sieben Tage die Woche besetzt ist. Bei Einlieferung wird der Patient untersucht, es wird Blut entnommen und rasch ein CT oder MRT gemacht.
Anschließend können wir sehr schnell die Entscheidung fällen, wie es weiter geht. Neben den genannten Akuttherapien, die in den ersten 30-60 Minuten abgeschlossen sein sollten, suchen und behandeln wir auf der Schlaganfallstation außerdem die Ursache des Schlaganfalls. Ziel ist hierbei, dass er sich möglichst nicht wiederholt. Auf der Schlaganfallstation ist ein großes Team aus verschiedenen Berufsgruppen tätig. Dazu gehören, neben den Neurologen auch Kardiologen, Gefäßchirurgen, spezialisiertes Pflegepersonal, die Physiotherapeuten, Logopäden, Ergotherapeuten und der Sozialdienst.
Alle sind wichtig , um unsere Patienten optimal zu versorgen. Nicht alle Patienten können beispielsweise nach einem stattgehabten Schlaganfall wieder nach Hause – viele brauchen eine Reha und das muss organisiert werden. Wir wissen aus vielen Studien, dass wir durch die Behandlung auf einer solchen speziellen Schlaganfallstation das bestmögliche Ergebnis für Patienten erreichen.
Die Stroke Unit im Heppenheimer Kreiskrankenhaus gibt es 15 Jahre – wie hat sich die Station im Laufe der Jahre verändert?
Rizos: Wir sind zunehmend gewachsen. Wir haben derzeit acht Betten auf der Schlaganfallstation, die auch immer sehr gut belegt sind. Früher war die Schlaganfallstation unter dem Dach der Kardiologie angesiedelt. Anfang 2023 haben wir im Haus dann eine eigenständige neurologische Abteilung eröffnet. Außer Schlaganfällen behandeln wir am Kreiskrankenhaus inzwischen auch alle anderen akuten neurologischen Erkrankungen. Wir sind extrem eng mit der Uniklinik Heidelberg vernetzt. Unser Ärztlicher Direktor Prof. Dr. Wolfgang Wick ist auch der Direktor der Neurologie an der Uniklinik in Heidelberg.
Viele der Kollegen hier sind, so wie ich auch, über viele Jahre in Heidelberg ausgebildet worden. Ein praktisches Beispiel für diese extrem enge Verzahnung zwischen Heppenheim und Heidelberg sind die bereits erwähnten Thrombektomien, bei der die verschlossenen Hirngefäße mechanisch mit einem Katheter wieder eröffnet wird. Solche Eingriffe sind sehr diffizil, werden durch speziell ausgebildete Neuroradiologen durchgeführt und benötigen Strukturen, die wir derzeit vor Ort nicht zur Verfügung haben.
Daher verlegen wir diese Patienten für denEingriff nach Heidelberg. Anschließend kann die weitere Versorgung oft wieder vor Ort in Heppenheim weitergeführt werden. Dieses System hat sich in der Praxis sehr bewährt und bei vielen Patienten konnten wir in den letzten Jahren Tod oder schwerste Behinderung durch einen akuten Schlaganfall verhindern.
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