Kernenergie

Bislang kein weiteres Rostfass im Zwischenlager Biblis entdeckt

Fachleute prüfen im Bibliser Abfallzwischenlager insgesamt 653 Fässer auf Korrosion. Das haben sie dabei herausgefunden.

Von 
Jörg Keller
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Das Abfallzwischenlager 1 des früheren Kernkraftwerks Biblis.Bild: MICK-DESIGN.DE © MICK-DESIGN.DE

Bergstraße. Die Bundesgesellschaft für Zwischenlagerung (BGZ) hat eine Herkulesaufgabe vor sich: Sie muss Hunderte von Stahlblechfässern verschiedener Größen unter die Lupe nehmen. So viele Behälter stehen im Abfallzwischenlager 1 auf dem Gelände des früheren Kernkraftwerks Biblis. Grund für die umfangreiche Prüfung ist die zufällige Entdeckung eines Fasses Mitte November, in dessen Stahlblech der Rost ein Loch gefressen hatte.

In dem rostigen Fass sind seit dem Jahr 1980 schwach radioaktive Abfälle aus dem laufenden Betrieb des Kernkraftwerks verpackt, also Werkzeuge, Kleidung, Filter und sonstige Verbrauchsmaterialien. Dass auch nach der Durchrostung keine Strahlung austritt, hängt damit zusammen, dass das Fass mit Beton ausgegossen ist – eine übliche Handhabung bei der Lagerung von radioaktivem Abfall „mit vernachlässigbarer Wärmeentwicklung“, so der kerntechnische Fachterminus. Beton gilt als ausgezeichneter Strahlenschutz. Entsprechende Messungen an dem Fass haben ergeben: Trotz des Rostlochs im unteren Bereich des Fasses wurde keine erhöhte radioaktive Strahlung festgestellt.

Auf Nachfrage dieser Redaktion meldet die BGZ ein Zwischenergebnis: Bislang hätten die Kontrolleure kein weiteres Fass entdeckt, das Roststellen aufweist. Das habe die Behörde auch der Atomaufsicht im hessischen Umweltministerium so gemeldet.

Zeitdauer für die Prüfungen noch völlig unklar

Betroffen ist bislang ein Gebinde mit einem Fassungsvolumen von 400 Litern. Insgesamt stehen 35 Fässer dieser Größe in dem Abfallzwischenlager. Dieses besteht seit 1982 und hat die schwach- und mittelradioaktiven Abfälle aufgenommen, die beim Betrieb des Kernkraftwerks angefallen sind. Es gibt auch Behälter in einer Größe von 200 Litern und 280 Litern. Insgesamt beziffert die BGZ den Bestand auf 653 Fässer. Wollte die BGZ zunächst nur die 400-Liter-Fässer prüfen, lautet der Prüfauftrag nun: Alle 653 Fässer genau untersuchen. „Ein Zeitpunkt, wann die Untersuchungen abgeschlossen sein werden, kann derzeit nicht genannt werden“, sagte eine BGZ-Sprecherin auf die Nachfrage nach der Dauer der Untersuchungen. Die gestalten sich als ziemlich aufwendig. Da die Fässer im Zwischenlager dicht beieinander stehen, müssen sie teilweise erst bewegt werden, um eine Rundumsicht zu bekommen.

Die drei Bibliser Zwischenlager

Auf dem Gelände des stillgelegten Kernkraftwerks Biblis gibt es drei verschiedene Zwischenlager für radioaktiven Abfall, der am Standort angefallen ist.

Das Abfallzwischenlager 1 wurde 1982 in Betrieb genommen. Hier deponierte Kraftwerksbetreiber RWE beispielsweise Arbeitskleidung, Filter, Werkzeuge oder andere Materialien, die beim Betrieb des Kernkraftwerks im sogenannten Kontrollbereich des Reaktors angefallen sind. Es handelt sich um schwach- und mittelradioaktive Abfälle. Hier steht auch das rostende Fass.

Das Abfallzwischenlager 2 gibt es seit 2018. Nötig wurde es durch den Rückbau des Kraftwerks. Hier werden all die schwach- und mittelradioaktiv belasteten Einzelteile gelagert, in die Fachleute das komplette Werk zerlegen.

Das Brennelemente-Zwischenlager für hoch radioaktive Abfälle ist 2006 in Betrieb genommen worden. Hier können 135 Castorbehälter aufgestellt werden. Tatsächlich stehen hier 108 Behälter. Es kommen keine weiteren hinzu. bjz

Und wie konnte das Fass nun eigentlich durchrosten? „Die Untersuchungen sind derzeit noch nicht abgeschlossen“, sagt die Sprecherin der BGZ. Rost tritt immer in Verbindung mit hoher Feuchtigkeit auf. Einen Wassereintritt schließen sowohl RWE als auch BGZ definitiv aus. Es habe niemals in das Zwischenlager hineingeregnet. Und auch Hochwasser sei noch nie ein Thema gewesen. Alle drei Zwischenlager sind deutlich über den Hochwasserständen, die der Rhein auch in sehr seltenen Fällen erreichen könnte. Auch beim Hochwasser im vergangenen Sommer waren die Zwischenlager nicht in Gefahr, geflutet zu werden.

Haben Temperaturunterschiede in der Halle das Fass rosten lassen?

Die Experten von RWE, die das Zwischenlager bis zum Jahr 2019 verantwortet haben, gehen davon aus, dass die jahreszeitbedingten Temperaturschwankungen in der Halle im Zusammenhang mit der mehr als 40 Jahren langen Lagerzeit immer wieder für eine hohe Luftfeuchtigkeit gesorgt haben. Das sei sehr wahrscheinlich der Grund für den Rost. Das will die BGZ-Sprecherin aber zum jetzigen Zeitpunkt ausdrücklich nicht bestätigen. Letztlich habe der Beton aber seine Funktion erfüllt, nämlich die Strahlung zur Außenwelt hin abzuschirmen, erläutert Kraftwerkssprecher Alexander Scholl. Das bewiesen entsprechende Messungen zweifelsfrei.

Das Abfallzwischenlager steht seit 2020 in der Verantwortung der BGZ. Die Fässer selbst sind aber noch Eigentum des einstigen Kraftwerksbetreibers RWE. Deshalb muss dieser das Problem lösen. Die Vorgehensweise ist klar geregelt. Der Behälter mit dem rostigen Loch kommt in ein sogenanntes Überfass, das wieder dicht verschlossen wird. Damit wird der zusätzliche Schutz der intakten Stahlwand wieder hergestellt. Das habe man schon bei mehreren Fässern so gehandhabt, bei denen der Verdacht einer Unregelmäßigkeit aufgetaucht sei, erläutert Kraftwerkssprecher Scholl. Weil im aktuellen Fall der Rost ein Loch in die Stahlwand gefressen hatte, wurde dies zum meldepflichtigen Ereignis.

Rostende Fässer mit strahlendem Müll kommen in mehreren Zwischenlagern vor. Michael Sailer vom Öko-Institut in Freiburg hält diesen Vorgang nicht für ungewöhnlich, wie er dem Spiegel im Interview sagte. Die Stahlfässer seien für die dauerhafte Lagerung über Jahrzehnte gar nicht vorgesehen gewesen.

Redaktion Redakteur, Ressorts Lorsch, Einhausen und Region

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