Freizeit

Rikschas erobern den Kreis Bergstraße

Von Lampertheim aus verbreitet sich eine neue Mobilität für Senioren und zaubert den Menschen ein Lächeln ins Gesicht.

Von 
Bernhard Zinke
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Ab in die Rikscha: Ute Striebinger weist ihre Gäste ein. © Lea Seethaler

Bergstraße. Sie sind der Hingucker und erregen immer fröhliche Aufmerksamkeit. Autofahrer blicken erst leicht irritiert, winken dann aber den Passagieren fröhlich zu oder kurbeln auch mal die Seitenscheibe runter, um sich zu erkundigen, was hier passiert. Und sie nehmen erheblich mehr Rücksicht als bei herkömmlichen Fahrrädern. Fahrrad-Rikschas sind etwas Besonders im Straßenbild – auch in der Region. Damit die Anzahl der besonderen Dreiräder weiter zunimmt, arbeiten seit einem Jahr mehrere Städte in einem Netzwerk zusammen. Sie beraten einander bei offenen Fragen und bringen das Thema gemeinsam voran. Gerade erst hat das vierte Treffen stattgefunden.

Die Keimzelle der E-Rikschas für die Region war Lampertheim. Durch das Engagement der quirligen Seniorenbeiratsvorsitzenden Ute Striebinger, dem Citymanager Dirk Dewald und der Vorsitzenden des Turnvereins, Sabine Gärtner, beteiligte sich die Stadt an einer Ausschreibung des Landesbetriebs Hessen Mobil. Der hatte von dem Projekt „Radeln ohne Alter“ erfahren, mehrere E-Rikschas gekauft und verlieh sie nun an Interessenten. Lampertheim überzeugte mit seinem Konzept und erhielt eine E-Rikscha leihweise.

Die Idee: Älteren Menschen, die sich selber nicht mehr so agil bewegen können, eine neue Mobilität verleihen. Diese sollten gemütlich auf der Sitzbank der Rikscha Platz nehmen und sich den Fahrtwind um die Ohren wehen lassen. Binnen sechs Wochen ließen sich 120 Seniorinnen und Senioren im Sommer 2021 von verschiedenen „Piloten“ durch die Spargelstadt kutschieren, genossen die neuen Freiheiten und vergaßen dabei oft ihre alltäglichen Wehwehchen.

Es dauerte kein Jahr, da hatte Lampertheim seine eigene E-Rikscha, finanziert aus Spenden und dem hessischen Landesförderprogramm „Zukunft Innenstadt“. Das Beispiel machte Schule, in Viernheim, Mannheim und Speyer. Mittlerweile gibt es fast 20 dieser Fahrzeuge in der Region, verteilt auf rund zehn Städte.

Netzwerk als Ansprechpartner für Rikscha-Fragen

„Wir haben die E-Rikschas auch für uns entdeckt und sind bei der Suche schnell auf Lampertheim gestoßen“, berichtet Henrike Block, die als Koordinatorin für Gesundheitsförderung und Prävention bei der Stadt Worms das Netzwerk der E-Rikschas in der Metropolregion federführend begleitet.

Sie fragte in Lampertheim und Viernheim an: Wer nutzt welches Modell? Welche Unterschiede gibt es bei den verschiedenen Anbietern? Worauf muss man achten beim Kauf, der Ausstattung und beim Betrieb? Und so entstand relativ schnell die Idee, sich in einem Netzwerk zusammenzuschließen und die Fragen gemeinsam zu klären, die der E-Rikscha-Betrieb mit sich bringt. Außerdem will das Netzwerk Ansprechpartner sein für neue Interessenten. Und davon gibt es gerade mehrere in der Metropolregion.

Das Netzwerk

  • Folgende Städte sind im Netzwerk der E-Rikschas in der Metropolregion engagiert: Lampertheim (1 Rikscha), Bensheim (2), Viernheim (1), Speyer (3), Dudenhofen (1), Worms (2), Mannheim (2), Mutterstadt (1).
  • Darmstadt (6) arbeitet im Netzwerk mit.
  • Eine Übersicht über E-Rikschas in ganz Deutschland bietet die Seite radelnohnealter.de . Dort werden auch die Ansprechpartner der jeweiligen Kommunen mit Telefonnummern und E-Mail-Adressen genannt. bjz

Kräftig die Werbetrommel rühren konnte das Netzwerk in Frühjahr beim deutschen Seniorentag in Mannheim. Mit dem Verein „Radeln ohne Alter“, der quasi als Dachverband für E-Rikscha-Aktivisten fungiert, waren Fahrzeuge aus Mannheim, Viernheim und Worms vor Ort – und eigentlich permanent in der Stadt rund um den Rosengarten unterwegs.

Organisiert wird die Nutzung der munteren Dreiräder in den Kommunen in der Regel tatsächlich von Seniorenbüros, Seniorenbeiräten oder Gemeindeschwestern. Diese organisieren nicht nur die Ausfahrten, sondern kümmern sich auch um die Ausbildung der Piloten. Dazu braucht es nämlich durchaus ein gewisses Fachwissen um die Rikscha. Schließlich werden ihnen Senioren anvertraut, die jede Unterstützung benötigen. Manche Rikscha nimmt sogar Menschen mitsamt deren Rollstuhl auf.

Bei Regen bleibt die Rikscha in der Garage

Eine Rikscha-Runde dauert in der Regel eine bis zwei Stunden und ist in der Regel kostenlos. Eine Spendenbüchse ist jedoch an Bord fast jedes Gefährts. Dieses Geld werde dazu genutzt, die laufenden Kosten abzudecken, kleine Reparaturen zu bezahlen. Gefahren wird allerdings nicht bei Regen. „Die Rikschas haben zwar alle ein Dach, das ist aber mehr ein Sonnenschutz als ein Regendach“, sagt Henrike Block. Es werde aber durchaus auch an trocken-kalten Wintertagen gefahren. Gebucht werden die Fahrten auch zu Geburtstagen, Diamantenen Hochzeiten, als Geschenk von Kindern und Enkelkindern, weiß die Koordinatorin.

Auch viele Piloten bringen sich aktiv in die Tourenplanung ein. So gebe es in Worms beispielsweise einen Mann, der die Seniorinnen und Senioren auf Wunsch zu den touristischen Sehenswürdigkeiten in der Innenstadt fährt und vor Ort auch, quasi als Fremdenführer, Wissenswertes über die Örtlichkeiten erzählt. Also nicht zu Fuß durch zwei Jahrtausende, sondern gemütlich mit der E-Rikscha.

Ressortleitung Teamleiter der Redaktionen Metropolregion und Südhessen Morgen

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