Riedbahn

Sanierung der Riedbahn: „Die Schienen biegen sich wie Gummi“

Beim Ortstermin in Groß-Rohrheim präsentiert die Deutsche Bahn den Schnellumbauzug Edelweiß. Die Sanierung der Riedbahn zwischen Mannheim und Frankfurt sei im Zeitplan.

Von 
Sandra Bollmann
Lesedauer: 
Edelweiß im Einsatz: Der Schnellumbauzug tauscht kurz vor dem Groß-Rohrheimer Bahnhof Schienen aus. © Berno Nix

Bergstraße. Edelweiß heißt die Hauptdarstellerin an diesem Vormittag. Von Alpenromantik und frischer Bergluft ist kurz vor dem Groß-Rohrheimer Bahnhof allerdings nichts zu spüren. Vielmehr verursacht das Ungetüm von Baumaschine einen Riesenlärm und beißenden Geruch, wenn es sich Meter für Meter auf der Riedbahn vorarbeitet. Was die Maschine kann, ist allerdings mehr als beeindruckend: In einem Rutsch tauscht sie Schienen und Schwellen aus. Während die Lok ganz vorne noch über altes Material fährt, rollt das Heck bereits über das frisch bereitete Gleisbett.

Gut 150 Meter lang ist die Arbeitsmaschine, die die Deutsche Bahn (DB) an diesem Vormittag vorstellen will. Funk, Fernsehen, Presse – ein größerer Auflauf hat sich an den Schienen entlang der Industriestraße versammelt. Reden ist angesichts des infernalischen Lärms allerdings schwierig. Dafür gibt es viel zu sehen. Alles läuft parallel und gleichzeitig ab. Es gilt also, genau hinzuschauen.

Erst mal nach unten, ins Gleisbett: Dort baggert ein Schaufelrad eine Schwelle nach der anderen aus dem Schotter. Sie wandern per Laufband nach oben, wo ein Transportkran auf seinen Einsatz wartet: eine Art Überbau, der auf dem Zug hin- und hergleiten kann. 30 alte Schwellen passen hinein und werden vorne im Zug abgeladen. Ein zweiter Transportkran liefert Neue von einem Waggon am Zugende zu ihrem Einsatzort. Von da aus bringt sie ein Laufband nach unten, wo sie nach und nach im Schotter landen.

Baumaschine Edelweiß kann Rausbaggern und Einsetzen in einem Rutsch

Rausbaggern und Einsetzen spielt sich nur wenige Meter hintereinander ab, dazwischen kontrollieren Arbeiter, dass auch alles richtig funktioniert, keine Gegenstände im Gleisbett quer liegen und die Abstände zwischen den Schwellen passen. Mitlaufen ist kein Problem, die Edelweiß bewegt sich in Schrittgeschwindigkeit vorwärts. Bis zu 350 Meter kann sie sich pro Stunde vorarbeiten – und tauscht dabei auch gleich die Schienen aus. Dabei erweisen sich die Stahlkonstruktionen als erstaunlich biegsam – an einer bestimmten Stelle entlang des Zuges überkreuzen sich die Schienenstränge sogar.

Newsletter "Guten Morgen Bergstraße"

„Die biegen sich wie Gummi“, stellt Riedbahn-Projektleiter Julian Fassing mit einem kleinen Grinsen fest. Die Maschine hat sich ein gutes Stück weiter in Richtung Biblis bewegt, eine Unterhaltung ist wieder möglich. Bevor die Edelweiß losgelegt hat, war vorab noch einiges zu tun, wie er schildert: Neben die bestehenden Schienen werden neue platziert, immer eine Schiene parallel zur anderen. Ein Arbeitstrupp läuft vorneweg und löst die Spanner auf den Schwellen, an denen die alten Schienen befestigt sind.

Der Bauzug hebt sie an und biegt sie nach außen. Die Neuen zieht er nach innen und platziert sie punktgenau auf den ausgetauschten Schwellen. Hitze oder anderer Hilfsmittel bedarf es dabei nicht. Anschließend prüfen Arbeiter, ob alles richtig sitzt. „Hinterher werden die Spanner per Hand angezogen“, erläutert Fassing. Dann ist alles fix und fertig. Verschweißt sind die neuen Schienen schon, jetzt muss nur noch der Schotter wieder gleichmäßig gerüttelt und verdichtet werden – und der nächste ICE kann kommen.

Sanierung der Riedbahn liegt im Zeitplan

Bis es so weit ist, dauert es allerdings noch rund dreieinhalb Monate. Mitte Dezember soll der Verkehr auf der Riedbahn wieder rollen. „Wir sind gut im Zeitplan“, betont der Projektleiter. Die Schotterreinigungsmaschine – ebenfalls ein großes Kaliber – war schon auf der Strecke, hat die kantigen Steine gereinigt, herausgesiebt, was zu klein war, und Ersatz nachgefüllt. Jetzt ist die Edelweiß dran und hat bis Biblis erstmal frei Bahn.

Im Bahnhof werden allerdings gerade die Unterführung und die Bahnsteige erneuert. „Beides gleichzeitig geht nicht“, macht Fassing deutlich. Also gibt es auf den 65 Kilometern zwischen Frankfurt und Mannheim ganz unterschiedliche Baustellen: Auf einem Abschnitt ist ein Bahnhof in Arbeit, am nächsten ist das Schienenbett an der Reihe. Alles sollte so ineinander greifen, dass alles gleichzeitig in Arbeit ist und keine Wartezeiten entstehen, erläutert Fassing das Grundprinzip.

Mehr zum Thema

Riedbahn

Sanierung der Riedbahn bremst Radfahrer an der Bergstraße aus

Veröffentlicht
Von
Sandra Bollmann
Mehr erfahren

Dasselbe gilt, wenn die Weichen ausgetauscht werden. Auch dann kommt die Edelweiß auf diesem Abschnitt nicht zum Zug. „Ein Gleis bleibt immer befahrbar“, erläutert der Projektleiter. Der Baustellenverkehr muss ungehindert fließen können. Eins ist dem Bahnmitarbeiter aber noch wichtig: „Es entsteht so gut wie kein Abfall.“

Schwellen und Schienen werden möglichst wiederverwendet

Alte Bahnschwellen werden auf weniger stark befahrenen Strecken wiederverwendet. Wenn sie in zu schlechtem Zustand sind, wird der Beton zerkleinert und weiterverbaut. Und die alten Schienen? „Stahl kann man immer brauchen“, stellt Fassing klar. Tatsächlich sei allein der Materialwert noch sehr hoch.

Dann ist der Ortstermin vorbei, der Bahn-Mann muss weiter. Zum Abschluss gibt’s noch einige technische Daten: Der Schnellumbauzug P 95 ist ziemlich genau 156 Meter lang und wiegt 370 Tonnen. Er bewegt sich auf 29 Achsen vorwärts, und zwar bis zu fünf Stundenkilometer schnell. Die Motorleistung beträgt 380 Kilowatt. Steigungen meistert er bis zu 33 Prozent und ist damit absolut bergtauglich. Vielleicht deshalb der Name Edelweiß.

Redaktion Redakteurin "Südhessen Morgen", Schwerpunkt Bürstadt

Copyright © 2025 Bergsträßer Anzeiger

VG WORT Zählmarke