61-jähriger „Reichsbürger“ aus dem Kreis Bergstraße festgenommen

Der Mann aus Gorxheimertal soll sich unter anderem bereiterklärt haben, an einer Entführung von Gesundheitsminister Karl Lauterbach mitzuwirken.

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dpa
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Symbolbild © dpa/picture alliance

Blaulicht. Ein 61-jähriger mutmaßlicher „Reichsbürger“ aus dem Kreis Bergstraße wurde am heutigen Dienstag wegen des Verdachts der Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens festgenommen.

Das berichten die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main (Zentralstelle zur Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus Hessen) – und das Hessische Landeskriminalamt in einer gemeinsamen Pressemitteilung. Die Festnahme des Mannes mit deutscher Staatsangehörigkeit erfolgte auf Grundlage eines Haftbefehls des Ermittlungsrichters des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main.

Der Beschuldigte ist laut Pressemitteilung dringend verdächtig, ein „hochverräterisches Unternehmen und eine schwere staatsgefährdenden Gewalttat“ vorbereitet zu haben sowie einer terroristischen Vereinigung anzugehören.

Im Zuge der Festnahme wurde auch die Wohnung des Beschuldigten im Kreis Bergstraße durchsucht. Medienmeldungen, wonach der beschuldigte Mann aus Gorxheimertal stammen soll, dementierte die Staatsanwaltschaft auf Nachfrage der Redaktion nicht.

Armbrust und Luftdruckwaffe

Bei der Durchsuchung wurden zahlreiche elektronische Speichermedien, eine Armbrust, eine Luftdruckwaffe und verschiedene Dokumente sichergestellt. An den Maßnahmen waren Beamte des Hessischen Landeskriminalamts, des Polizeipräsidiums Südhessen sowie einer Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit der Hessischen Bereitschaftspolizei beteiligt.

Razzien gegen „Vereinte Patrioten“

Im Zusammenhang mit den Ermittlungen gegen die mutmaßliche Terrorgruppe „Vereinte Patrioten“ durchsuchte die Polizei am gestrigen Dienstag in mehreren Bundesländern Wohnungen sogenannter „Reichsbürger“, die dem Umfeld der Gruppierung zugerechnet werden, und nahm Verdächtige fest. Mehrere Haftbefehle wurden den Angaben zufolge vollstreckt.

Gegen fünf mutmaßliche Rädelsführer der „Vereinten Patrioten“ läuft bereits seit Mai ein Prozess vor dem Oberlandesgericht Koblenz. Den vier Männern im Alter zwischen 44 und 56 Jahren und einer 76-Jährigen wird vorgeworfen, eine terroristische Vereinigung gegründet zu haben oder Mitglied gewesen zu sein. Die Gruppe soll einen Umsturz geplant haben. Die fünf Angeklagten im Koblenzer Prozess waren 2022 an verschiedenen Orten in Deutschland festgenommen worden.

Bei bundesweiten Durchsuchungen wurden etliche Schusswaffen und Munition, Bargeld, Goldbarren, Silbermünzen und Devisen sichergestellt. Eine 75-jährige Frau, eine pensionierte Lehrerin, wurde Mitte Oktober 2022 in Sachsen festgenommen. Alle sitzen seither in Untersuchungshaft.

Bei der aufsehenerregenden bundesweiten Großrazzia in der „Reichsbürger“-Szene im Dezember 2022 war auch eine Frau aus Heppenheim festgenommen worden. Die Heppenheimerin war nach vorliegenden Erkenntnissen sogar Bestandteil der „Schattenregierung“, die die „Reichsbürger“ für die Zeit nach einem erfolgreichen Staatsstreich vorbereitet hatten. Laut einem Bericht des „Nachrichtenmagazins „Der Spiegel“ sollte die unter anderem als Wahrsagerin tätige Frau in dieser Regierung für „Transkommunikation“ zuständig sein lhe/red

Dem Beschuldigten wird zu Last gelegt, sich als Mitglied an einer Vereinigung beteiligt zu haben, die spätestens im Januar 2022 mit dem Ziel zusammengetreten war, die freiheitlich-demokratische Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland zu beseitigen und durch ein letztlich autoritär geprägtes Regierungssystem nach dem Vorbild der Verfassung des Deutschen Reiches von 1871 zu ersetzen. Ihre Mitglieder sollen zu diesem Zweck einen mehrstufigen Plan verfolgt haben.

Unter anderem sollte durch gezielte Sprengstoffanschläge auf neuralgische Punkte der Energieversorgung der Bundesrepublik Deutschland ein mehrere Wochen andauernder, bundesweiter Stromausfall herbeigeführt werden, um die Bevölkerung von der Berichterstattung des Rundfunks und der Presse abzuschneiden und zugleich eine Reaktion der staatlichen Sicherheitsbehörden auf den Umsturzversuch zu erschweren.

Mutmaßlicher Plan: Karl Lauterbach unter Anwendung von Gewalt entführen

Ferner soll die Vereinigung geplant haben, den Bundesminister für Gesundheit Karl Lauterbach unter Anwendung von Waffengewalt zu entführen. Dabei sollen die Mitglieder der Vereinigung die Tötung der eingesetzten Personenschutzbeamten zumindest billigend in Kauf genommen haben.

Die öffentlichkeitswirksame Entführung eines hohen Repräsentanten der amtierenden Bundesregierung sollte nach den Vorstellungen der Vereinigung die Entschlossenheit und Leistungsfähigkeit der Gruppierung verdeutlichen.

Hiervon sollen sich die Tatbeteiligten die Unterstützung von Teilen der bestehenden staatlichen Sicherheitskräfte, insbesondere der Polizei und des Militärs, und die Anerkennung der neu gebildeten Regierung im In- und Ausland erhofft haben.

Über die Zentralstelle

  • Die Zentralstelle zur Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus Hessen (ZET-HE) ist in der für Staatsschutzsachen zuständigen Abteilung der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main angesiedelt.
  • Der Zentralstelle gehören zurzeit eine Leitende Oberstaatsanwältin, zwei Oberstaatsanwälte und zwei Staatsanwälte an.
  • Als operative Einheit führt die Zentralstelle die Ermittlungen in Staatsschutzverfahren, die vom Generalbundesanwalt abgegeben wurden. red

Im Zusammenhang mit den Tatvorwürfen wurden bereits im April und Oktober 2022 mehrere Tatverdächtige, unter denen sich nach den bisherigen Ermittlungen auch die Rädelsführer der terroristischen Vereinigung befanden, von Beamten der rheinland-pfälzischen Polizei festgenommen.

Bei dem am Dienstag im Kreis Bergstraße festgenommenen Beschuldigten soll es sich um ein weiteres Mitglied der Vereinigung handeln. Er ist dringend verdächtig, an Treffen der Vereinigung teilgenommen und an der Konkretisierung der Tatpläne mitgearbeitet zu haben.

Garage als Waffenlager angeboten

Dabei soll sich der Beschuldigte laut Pressemitteilung auch bereiterklärt haben, an der geplanten Entführung des Bundesministers für Gesundheit, Karl Lauterbach, mitzuwirken.

Einem der Rädelsführer der Gruppierung, zu dem er engen Kontakt hielt, soll der Beschuldigte zudem angeboten haben, seine Garage als Zwischenlager für die für den Umsturzversuch benötigten Waffen zu nutzen. Dabei soll ihm bewusst gewesen sein, dass mit den bei ihm einzulagernden Waffen ein gewaltsamer Umsturz herbeigeführt werden sollte.

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Schließlich soll die Gruppierung den Beschuldigten als Teil einer Delegation vorgesehen haben, die nach dem Umsturz mit einem Schiff über die Ostsee in russische Küstengewässer fahren und mit staatlichen russischen Stellen– so die Vorstellung der Gruppierung – über einen „Schulterschluss“ verhandeln sowie militärische Ausrüstung beschaffen sollte.

Der Beschuldigte wurde am heutigen Dienstag dem Ermittlungsrichter beim Oberlandesgericht Frankfurt am Main vorgeführt. pol/re

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