Bergstraße. Schon beim Betreten des Gerichtssaals im Landgericht Darmstadt ist die Anspannung spürbar. Die Angehörigen des 53-jährigen H. kommen mit verweinten Augen, manche schicken sich Luftküsse, um sich gegenseitig Mut zu machen. In diesem Prozess steht der Mann aus Lorsch im Mittelpunkt, dem bewaffnetes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge vorgeworfen wird.
H. soll in einem Kellerraum seines Hauses über 400 Gramm Amphetamin, zahlreiche Ecstasy-Tabletten und fast 600 Gramm Marihuana aufbewahrt haben. Diese Betäubungsmittel waren laut Anklage für den gewinnbringenden Weiterverkauf bestimmt. In unmittelbarer Nähe befanden sich Macheten, eine Schreckschusswaffe sowie ein sogenanntes Nunchaku, eine Schlagstockwaffe, die ursprünglich aus asiatischen Kampfkünsten stammt und in Deutschland unter das Waffengesetz fällt.
Neben den Drogen fand die Polizei Feinwaagen mit Pulver- und Pflanzenrückständen, Verpackungsmaterial, Milchpulver als Streckmittel, 1.490 Euro Bargeld sowie Gegenstände aus dem Dritten Reich, die H. später als Sammlerstücke bezeichnete.
Konsum von Cannabis und Speed
In seiner Einlassung schilderte H. mit zittriger Stimme und unter Tränen, dass er selbst schon seit Jahren in unregelmäßigen Abständen Drogen konsumiere. Vor allem Speed, ein Szenebegriff für Amphetamin, sowie Cannabis. Angefangen habe er 2002, nachdem er erfahren hatte, dass seine Frau ihn betrogen habe. Mit den Betäubungsmitteln habe er seinen seelischen Schmerz betäuben wollen.
Bereits in seiner Kindheit musste H. viele Entbehrungen erleben. Seine Eltern waren beide alkoholkrank, weshalb er ab seinem zweiten Lebensjahr bei seiner Großmutter lebte. Insgesamt hat er sechs Geschwister. Zwei davon wuchsen ebenfalls bei der Großmutter auf, zwei kamen in ein Kinderheim und die übrigen beiden wurden bei Pflegeeltern untergebracht.
Mit 16 Jahren begann H. eine Ausbildung als Schlosser, die er jedoch schon im ersten Lehrjahr abbrach. Danach arbeitete er unter anderem als Dachdecker und hatte verschiedene Gelegenheitsjobs. Seine heutige Frau lernte er mit 19 Jahren kennen, mit ihr hat er drei erwachsene Kinder.
Zum Drogenhandel kam es nach eigenen Angaben durch ein Angebot eines Bekannten. Dieser habe ihm ein günstiges Gesamtpaket angeboten, das verschiedene Drogen enthielt. Er habe das Gramm Amphetamin und Cannabis für acht Euro verkauft und eine Ecstasy-Tablette für fünf Euro. Nach seiner Aussage verkaufte er die Drogen ausschließlich an Bekannte, die er entweder bei sich zu Hause oder an vereinbarten Treffpunkten traf. Von wem er das Paket genau bekam, wollte er nicht sagen.
Drogenverkauf aus dem Hobbykeller
Den Keller, in dem die Polizei die Drogen fand, beschrieb H. als Werkstatt. Dort restaurierte er Möbel und reparierte Fahrräder. Die Waffen seien nur dekorative Gegenstände gewesen, das Nunchaku habe er als Erbstück von seinem Vater aufbewahrt. Die Macheten und die anderen Waffen habe er lediglich gelagert, nicht benutzt.
Zur Herkunft des gefundenen Bargelds erklärte er, dass 500 Euro aus Drogengeschäften stammten und 1.000 Euro von einem Gewinn im Casino. Der Staatsanwalt zweifelte diese Erklärung jedoch an, da es sehr unwahrscheinlich sei, mit 50 Euro Einsatz einen so hohen Gewinn zu erzielen. H. beteuerte jedoch, häufiger mit kleinen Beträgen ins Casino zu gehen. Schließlich verzichtete er freiwillig auf die Rücknahme des Bargeldes, um seine Aussage zu untermauern.
Als Zeuge schilderte ein Polizeibeamter die Hausdurchsuchung im Dezember 2023. Die Polizei hatte ursprünglich den Verdacht, dass H. einen Jacuzzi gestohlen habe und Handel mit Betäubungsmitteln betreibe. Zunächst blieb die Durchsuchung in der Wohnung ohne Ergebnis. Erst als die Beamten in Richtung Keller gingen, wurde H. auffällig nervös. Dort fanden sie unter anderem ein halbes Kilo Amphetamin, mehr als 500 Gramm Marihuana, mehrere Ecstasy-Tabletten, zwei Macheten, einen Nunchaku, Feinwaagen, Konsumutensilien und eine Gaspistole. Im Geldbeutel von H. lagen 1.500 Euro. In der Wohnung selbst habe er sich noch ruhig und gelassen gezeigt, im Keller sei er jedoch wehleidig geworden, habe sich entschuldigt und geweint. Zum Zeitpunkt der Durchsuchung stand H. nicht unter Drogeneinfluss.
Nach der Durchsuchung zog H. mit seiner Frau und zwei seiner Kinder nach Biblis, weil er seine alten Kontakte abbrechen wollte.
Im Schlussplädoyer betonte der Staatsanwalt, dass die gefundene Menge an Betäubungsmitteln die Grenze zur sogenannten „nicht geringen Menge“ deutlich überschreite. Nach dem Betäubungsmittelgesetz liegt diese Grenze beispielsweise bei Cannabis bei 75 Gramm. Außerdem wurden Waffen in unmittelbarer Nähe der Drogen gefunden. Damit könnte man annehmen, dass diese Waffen auch zum Schutz der Betäubungsmittel eingesetzt werden sollten.
„Minder schwerer Fall“ liegt vor
Trotz dieser Umstände ging die Staatsanwaltschaft von einem sogenannten „minder schweren Fall“ aus. Ein solcher Fall liegt nach deutschem Strafrecht vor, wenn die Tat und die persönlichen Umstände des Täters so deutlich vom Durchschnitt abweichen, dass eine mildere Strafe als die eigentlich vorgesehene angemessen erscheint. Für H. sprach seine gezeigte Reue, die fehlenden Vorstrafen sowie die Tatsache, dass er die Waffen nicht beim Verkauf mitführte.
Unter Tränen richtete H. seine letzten Worte an seine Familie. Er sagte, es tue ihm unendlich leid und er habe nicht darüber nachgedacht, was er seiner Familie damit antue.
Der Vorsitzende Richter Christoph Trapp folgte der Einschätzung der Staatsanwaltschaft. Er verhängte eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren, die jedoch auf drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt wurde. Zusätzlich muss H. 2.000 Euro zahlen, wovon er monatlich 100 Euro an die Initiative „Keine Macht den Drogen“ spenden muss. Außerdem wurde ihm auferlegt, einmal pro Quartal einen Drogentest zu machen.
Richter Trapp sagte in seiner Urteilsbegründung: „In seltenen Fällen hat eine Durchsuchung bei einem Angeklagten zur Erleuchtung geführt.“ Die Kammer sei überzeugt, dass sich eine solche Tat bei H. nicht wiederholen werde.
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