Bürstadt. „Aus der Einfahrt zu kommen, ist echt ein Problem. Man wird hier als Verkehrshindernis gesehen.“ Andrea Sackreuther schüttelt den Kopf. Sie lebt seit vielen Jahren auf dem Boxheimerhof in Bürstadt und fordert mit ihren Nachbarn Maßnahmen gegen Raser. Aufgrund der beharrlichen Beschwerden der Anwohner an der schmalen Straße hat die Stadt eine Verkehrszählung vor eineinhalb Jahren veranlasst. Diese hat ergeben, dass jede Woche 9.000 Fahrzeuge vorbeirollen. Laut dem Ordnungsamt waren allerdings nur 15 Prozent zu schnell. „Da langt man sich an den Kopf, das kann doch nicht sein“, sagt Sackreuther.
Hauptproblem ist laut den Anwohnern, dass der Boxheimerhof und die Gärtnersiedlung als Abkürzung zwischen Bürstadt und Lampertheim gilt. „Das ist hier die zweite B 44“, meint Sandra Stockmann kopfschüttelnd. „Hier werden jedes Jahr mehrere Katzen überfahren, das ist grausam. Muss erst noch ein Kind erwischt werden, damit sich was ändert?“ Kathrin Avemaria hat schon etliche bedrohliche Situationen bei ihren Gassi-Runden mit dem Hund erlebt. „Wir haben schon so viele Nachrichten ans Rathaus geschrieben, kriegen aber gar keine Antwort“, kritisiert Avemaria.
Sie fordert „viel mehr Kontrollen“. Die letzte war Anfang des Jahres, als die Brücke in der Wasserwerkstraße gesperrt war und die Umleitung über den Boxheimerhof führte. „Der Blitzer war leider schon von Weitem zu sehen“, erinnert sich Andrea Sackreuther. Von der Stadtverwaltung heißt es aber, dass recht viele Autolenker erfasst wurden. Kopfschüttelnd erinnert sich Kathrin Avemaria an diese Wochen. „Das war so schockierend, weil in der Zeit ja nur Anwohner aus dem Sonneneck und den Rodstücken hier unterwegs waren – auch nicht langsamer. Junge Familien sind hier durchgebrettert. Die wollen doch auch nicht, dass bei ihnen gerast wird.“
Der feste Blitzer sei leider entfernt worden, bedauern die Anwohner. Der alte Starenkasten in der St. Wendelin Straße war defekt, heißt es aus dem Rathaus. Allerdings sei eine neue Radarfalle in Höhe der Kita Zwergenwald geplant. Nachdem der Haushalt der Stadt genehmigt – und auch der Sperrvermerk fürs Ordnungsamt entfernt – wurde, ist das möglich. Und: „Derzeit werden Maßnahmen geprüft, die geeignet sind, die Geschwindigkeit zu reduzieren.“ Was das konkret bedeutet, bleibt allerdings unklar.
Verkehrslärm und der würzige Duft nach Kräutern
Würzig riecht es auf dem Boxheimerhof. Gegenüber dem Tempo-30-Schild wächst Pfefferminze, weiter vorne wird Petersilie geerntet, was für einen intensiven Geruch sorgt. Der idyllische Eindruck trüge, finden die Anwohner. Andrea Ofenloch ist in dem kleinen Ortsteil aufgewachsen, genauso Ulli Wallmann. „Wir sind früher mit Rollschuhen auf der Straße gefahren.“ Das war mal ein ruhiges Wohngebiet, erinnert sich Andrea Sackreuther. Wann sich das geändert hat? Mit den Neubaugebieten im Sonneneck habe der Verkehr enorm zugenommen.
„Kinder können wir nicht mit dem Fahrrad auf die Straße lassen“, sind sich alle einig. Selbst für Erwachsene sei es riskant. Sandra Stockmann kennt einen Mann, der täglich zur Arbeit in die Gärtnersiedlung radelt. „Das ist lebensgefährlich, weil die Autos keinen Abstand halten – vor allem, wenn sie noch den Schlaglöchern auf der Straße ausweichen!“ Abends sei es besonders schlimm, erzählen die Anwohner. „Wenn ich im Bett liege und höre, wie ein Motor aufheult, weil nach der Kurve Gas gegeben wird, hoffe ich nur, dass nichts passiert – und kein Tier auf der Straße ist.“ Dass es nachts „ganz schlimm“ ist, bestätigt auch Andrea Sackreuther. „Die wissen genau, dass dann nicht kontrolliert wird.“ Und wer Alkohol getrunken habe, fügt Ulli Wallmann hinzu, fahre ja nicht über die Schnellstraße, sondern lieber hier durch. Als „Promille-Highway“ ist diese Route umgangssprachlich schon lange bekannt.
Wieso eigentlich nicht rechts vor links eingeführt werde, um die Raser auszubremsen, fragt sich Rosi Rick. Einen Zebrastreifen an der Kita wünscht sich Sandra Stockmann. „Bodenwellen brauchen wir“, schlägt Ulli Wallmann vor. Oder die hässlichen Blumenkübel aus der Nibelungenstraße, um die Fahrbahn zu verengen, meint Sandra Stockmann grinsend. Doch all diese Ideen würden im Rathaus gar nicht ernst genommen, sind sie überzeugt und hoffen, dass sich das mit dem neuen Bürgermeister ändert. Boris Wenz (SPD) übernimmt am 1. Juli das Amt von Bärbel Schader (CDU).
Andrea Sackreuther hatte sogar mal weiße Kreuze entlang der Straße aufgestellt, um an die vielen überfahrenen Katzen zu erinnern – in der Hoffnung, die Leute zum Nachdenken zu bewegen. Bei der Spargelwanderung hängten die Anwohner Plakate mit ihren Forderungen auf. „Es ist ja nicht nur die Geschwindigkeit“, meint Ofenloch. „Der Lärm hat auch so zugenommen, das ist echt belastend.“ Kathrin Avemaria ist froh, dass ihre Tochter nicht mehr klein ist. „Ich habe hier Angst um die Kinder.“ Ulli Wallmann nickt. „Die Leute werden immer aggressiver.“
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