Fachtagung - Wohnraum an der Bergstraße wird immer knapper / Kommunen, Politik und Immobilienentwickler trafen sich im Landratsamt

Pro Jahr fehlen über 1300 Wohnungen

Von 
Thomas Tritsch
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Bergstrasse. Wohnraum ist knapp. Der Bestand an Sozialwohnungen hat sich in den vergangenen Jahren erheblich reduziert. Ein soziales Problem, das längst auch die Mittelschicht erreicht hat: Vor allem in Ballungsräumen können sich mittlerweile viele Durchschnittsverdiener die Mieten für Neubauwohnungen nicht mehr leisten, warnt der Wohnungswirtschaftsverband. Zwar wird wieder mehr gebaut, doch die Zunahme des Angebots reicht nicht aus, um die aktuell hohe Nachfrage nach Wohnraum zu decken. Die Folge: steigende Mieten.

Im Kreis Bergstraße fehlen jährlich mehr als 1300 Wohnungen. Das sagt eine Wohnraumbedarfsprognose für die hessischen Landkreise und kreisfreien Städte für den Zeitraum 2014 bis 2020. Das ergibt unterm Strich ein Loch von über 7800 Wohnungen. Der Anteil der sozialgebundenen Einheiten macht lediglich 2,3 Prozent aus (Stand 2014). Daran hat sich bis heute kaum etwas verändert. Ihr Gesamtbestand hat sich seit 2005 nahezu halbiert. Aktuell sind im Kreisgebiet 1516 Sozialwohnungen registriert. Auch, wenn es faktisch einige mehr sein dürften, wie Martina Pfeiffer von der Wohnraumförderstelle in Heppenheim erklärt, ändert das nichts am grundlegenden Problem. Bis 2020 fehlen in ganz Südhessen mindestens 30 400 Wohnungen. Und mit etwa 400 Neubauten pro Jahr – so viele entstehen derzeit - kann der Bedarf im Kreis nicht einmal ein Drittel des Bedarfs erfüllen. Übrigens: Zwischen 2015 und 2017 ist im Landkreis nicht eine einzige Sozialwohnung entstanden.

Neue Beratungsstelle eingerichtet

Um darüber zu sprechen, wie man den Mangel mildern und neue Immobilien schaffen kann, haben sich jetzt gut 80 Vertreter aus kommunalen Verwaltungen mit politischen Mandatsträgern und Akteuren der Wohnungswirtschaft im Landratsamt getroffen. Ziel der Fachtagung war es, Informationen über die aktuelle Förderkulisse des sozialen Wohnungsbaus auszutauschen und über neue Konzepte der Wohnraumschaffung nachzudenken. Gastgeber war der hauptamtliche Kreisbeigeordnete Karsten Krug als zuständiger Dezernent. „Wir wollen Genossenschaften, Städte und Gemeinden zusammenbringen und gemeinsam Lösungen erarbeiten“, so Krug über den weiteren Kurs. Unter dem Dach der Wirtschaftsförderung Bergstraße sei bereits eine neue Stelle zur Beratung der Kommunen und Investoren eingerichtet worden.

Zudem werde der Kreis seinen Kommunen demnächst ein Förderinstrument des Landes, die Baulandoffensive Hessen, zur Verfügung stellen und hierfür auch Finanzmittel bereitstellen. Für 2019 kündigte er ein neues Konzept bezüglich der Kosten der Unterkunft an: also das Geld für Miet-und Nebenkosten für Menschen, die Sozialhilfe, Arbeitslosengeld II oder Sozialgeld beziehen. Die Übernahme der Wohnkosten von Hartz 4-Empfängern gehört unter anderem zu den Aufgaben der kommunalen Jobcenter. Daher legen diese auch Mietobergrenzen fest, um Gleichheit zu wahren und eine Angemessenheit der Leistungen zu gewährleisten. Je größer der Haushalt ist, desto größer und teurer darf eine Wohnung sein.

„Sozialer Wohnraum ist an der Bergstraße im Grunde nicht verfügbar“, sagt Björn Metzgen-Meuer, der beim Diakonischen Werk Bergstraße die Wohnungsnotfallhilfe bereut. Aktuell gebe es rund 1800 aktiv wohnungssuchende Haushalte im Kreis. Allein in Bensheim seien es 300, in Viernheim gut 400. Doppelregistrierungen könne man ausschließen, da die jeweiligen Kommunen ausschließlich im Ort ansässige Bürger in die Suchlisten aufnehmen. Er bestätigt, dass der Mangel auch die mittleren Einkommensschichten erreicht hat. Es sei schon so weit, dass es ein Durchschnittsverdiener schwer hat, sich eine Neubauwohnung leisten zu können. Wenn viele Menschen aber mehr Miete zahlen, als es ihr Einkommen zulässt, trage das insgesamt zu einer schleichenden Verarmung der Gesellschaft bei, so Metzgen-Meuer, der für neue Ideen und Denkweisen plädiert, um die Situation zu verbessern.

Lob für „Bensheimer Modell“

Ein richtiger Schritt sei das Bensheimer Modell „Vermiete doch an die Stadt“. Um zusätzlichen sozialen Wohnraum zu gewinnen will man private Vermieter finden, die bereit sind, ihre freien Wohnungen an die Stadt zu vermieten, um das Risiko eines Mietausfalles oder nicht bezahlter Mietschäden auszuschließen. Zusätzlich gehe es darum, mehr Immobilienbesitzer dazu zu bewegen, ihr Eigentum zu vermieten beziehungsweise Leerstände zur Verfügung zu stellen.

Rolf Sax aus dem Vorstand der Baugenossenschaft Viernheim forderte eine Anpassung der Mietobergrenzen an das reale Niveau. Denn wer in einer teureren Wohnung lebt, muss die Differenz zu seiner tatsächlichen Miete von seinem Regelsatz abzwacken. „Jede Miete ist im Grunde bezahlbar“, betonte Sax in Heppenheim, „es kommt halt auf das jeweilige Einkommen an“. Stattdessen spreche er liebe von „günstigem Wohnraum“. Um diesen zu schaffen seien auch die Kommunen gefordert. Die Prozesse vor Ort verliefen zu langsam. Die Einrichtung eines Wohnbauberaters sei prinzipiell begrüßenswert. Dass die Stelle auf zwei Jahre befristet ist, sei aber leider zu kurz gedacht.

Neue Förderrichtlinien des Landes zur sozialen Mietwohnungsraum-Förderung

Mit den kürzlich veröffentlichten neuen Förderrichtlinien des Landes Hessen zur sozialen Mietwohnungsraumförderung möchte die hessische Landesregierung zusätzliche Anreize für Investoren schaffen, Sozialwohnungen zu bauen.

Der Kreis begrüßt die neuen Möglichkeiten der Finanzierungszuschüsse für den sozialen Wohnungsbau. Neben zinsgünstigen Darlehen seien nun auch echte Zuschüsse in angemessener Höhe möglich.

Damit soll ein Impuls für eine neue Welle des sozialen Wohnungsbaus gesetzt werden.

Aufgrund einer ungünstigen Zinsentwicklung und schlechter administrativer Rahmenbedingungen für Investoren wurde der Bau von sozialen Wohnungen ausgebremst.

Nachdem in den Jahren 2006 bis 2014 noch insgesamt 185 geförderte Wohnungen mit Miet- und Belegungsbindung errichtet wurden, gab es in den Jahren 2015 bis 2017 tatsächlich einen kompletten Stillstand.

Die reformierten Richtlinien für die Förderung des sozialen Wohnungsbaus richten sich überwiegend an Investoren wie Baugesellschaften und Baugenossenschaften, aber auch private Investoren sind aufgerufen, Projekte zu melden.

Die Wohnraumförderstelle leitet die Anmeldung für das Förderprogramm mit einer Stellungnahme der Kommune zum örtlichen Bedarf an Wohnraum an das für das Wohnungswesen zuständige Ministerium weiter. Dieses entscheidet auf Grundlage der eingegangenen Anmeldungen über die Aufnahme in das Förderprogramm.

Die Bauland-Offensive Hessen unterstützt Kommunen bei der Entwicklung von brachliegenden Flächen und der Umwandlung leer stehender Immobilien in Wohnraum. Vorrangige Aufgabe der Tochtergesellschaft der Nassauischen Heimstätte ist, Wirtschaftlichkeit und Entwicklungspotenziale bisher mindergenutzter oder brach gefallener Flächen in integrierten Lagen von Städten und Gemeinden zu untersuchen, bei der Aufstellung einer Bauleitplanung mitzuwirken sowie die spätere Vermarktung der baureifen Grundstücke zu stemmen.

In Heppenheim informierten Vertreter des Landes Hessen und der WI-Bank über aktuelle Fördermöglichkeiten. tr

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